Politik richtig erklärt.

Politik richtig erklärt.

NZZ: «Wenn Politik nicht richtig erklärt wird, kommt es zu Missverständnissen».

Marie-Agnes Strack-Zimmermann kämpft dafür, dass die Ukraine weiterkämpfen kann.

Die FDP-Politikerin ist eine ungewöhnliche Erscheinung: Den grossen Durchbruch schaffte sie in einem Alter, in dem andere schon im Ruhestand sind. Dass Deutschlands Ukraine-Politik kritisch betrachtet werde, habe auch mit schlechter Kommunikation zu tun, sagt sie.

Für deutsche Kommentatoren ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann die Frau, die den Bundeskanzler vor sich hertreibt. An diesem Nachmittag ist die Politikerin, die unermüdlich mehr Tempo und mehr Mut in der deutschen Ukraine-Politik anmahnt, in vergleichsweise versöhnlicher Stimmung: Die Bundesrepublik habe seit Kriegsbeginn sehr viel militärisches Material an Kiew geliefert, sagt sie in ihrem Büro in der Düsseldorfer Altstadt, «aber weil die Regierung mager kommuniziert, wird vor allem darüber geredet, was alles nicht funktioniert».

Strack-Zimmermanns Karriere ist eine der ungewöhnlicheren in der deutschen Politik: Mit 64, in einem Alter also, in dem andere schon im Ruhestand sind, hat es die Freie Demokratin unversehens in die erste Reihe der deutschen Politik getragen, dorthin, wo jene sitzen, die regelmässig in Talkshows eingeladen und in überregionalen Medien porträtiert werden. Zu verdanken hat sie dies vor allem den Zeitläuften: Seit ihrem Einzug in den Bundestag im Jahr 2017 hatte sie sich auf Militärthemen spezialisiert; seit einem guten halben Jahr ist sie die Chefin des entsprechenden Ausschusses im deutschen Parlament.

Mangelhafte Kommunikation als Leitmotiv

Strack-Zimmermann selbst erklärt sich ihre Medienpräsenz auch damit, dass sie Fragen möglichst zügig und unkompliziert beantworte. Auch das unterscheidet sie von vielen deutschen Politikern, allen voran Kanzler Scholz, dessen Rhetorik oft eher der Vernebelung von Absichten und Tatsachen zu dienen scheint als einer Klärung der Verhältnisse.

Das Interesse der Öffentlichkeit komme und gehe, sagt Strack-Zimmermann: «Wer hoch fliegt, muss wissen, dass die Landung hart werden könnte. Deswegen sehe ich das sehr entspannt.» Wahrscheinlich ist sie eine der wenigen deutschen Spitzenpolitikerinnen, denen man diese Art demonstrativer Gelassenheit abnehmen darf, leistete sie doch lange Jahre kommunalpolitische Kärrnerarbeit im Düsseldorfer Stadtrat, bevor sie im Alter von 59 Jahren ein erstes Mal in den Bundestag einzog. Strack-Zimmermann scheint nicht die grosse Bühne zu brauchen, um sich für das Gemeinwesen zu engagieren.

Mangelhafte Kommunikation ist an diesem Nachmittag ihr thematisches Leitmotiv: «Wenn Politik nicht richtig erklärt wird, kommt es unweigerlich zu Missverständnissen», sagt sie. Dann meine jeder, der noch jungen Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Freien Demokraten Vorwürfe machen zu müssen. Dabei seien es doch Christlichdemokraten und Christlichsoziale gewesen, die das Verteidigungsministerium 16 Jahre lang geführt hätten.

Nun ist es die SPD-Ministerin Christine Lambrecht, die sich mit den Missständen herumschlagen muss. Lambrecht habe unbedingt Ministerin werden wollen, ist in Berlin immer wieder zu hören; nun dilettiere sie in einem Ressort, für das sie sich nicht wirklich interessiere. Strack-Zimmermann hält sich zurück, was Kritik an ihrer Kollegin angeht, äussert sich aber auf eine Weise, durch die sich Lambrecht durchaus unter Druck gesetzt fühlen dürfte: Das «Sondervermögen» von 100 Milliarden Euro, mit dem die deutsche Regierung die Bundeswehr auf Vordermann bringen will, sei für die Ministerin eine grosse Chance, im Interesse der Bundeswehr zu agieren: «Daran und wie sie jetzt als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt im Zuge des Ukraine-Krieges agiert, wird sie sich messen lassen müssen.»

Umgehend geht sie zum Gegenangriff über

Selbst erweckt Strack-Zimmermann gerne den Eindruck, froh darüber zu sein, kein Ministeramt ausfüllen zu müssen. «Mich würde diese Sprachlosigkeit verrückt machen», sagt sie. «Allerdings würde ich am Kabinettstisch mit Sicherheit darauf dringen, die Sprache nach aussen wieder zu finden.» Von sich aus offensiv auch schwierige Umstände zu erklären, sei besser, als den Eindruck zu vermitteln, dazu genötigt worden zu sein. Tatsächlich wirkt Olaf Scholz seit dem Beginn des Krieges nicht selten, als werde er von den Ereignissen getrieben.

Mangelhafte Kommunikation ist für Strack-Zimmermann auch der Grund für das schlechte Ansehen, das die Bundesrepublik seit Beginn des Krieges in manchen europäischen Ländern hat: So habe sich der polnische Präsident Andrzej Duda kürzlich beschwert, dass Deutschland die Panzer, die es Polen im Rahmen des Ringtauschs versprochen habe, nicht liefere. «Ich kenne diese konkreten Vereinbarungen nicht», sagt Strack-Zimmermann. «Möglicherweise hat das ganz praktische Gründe, etwa, dass die Bundeswehr diese Waffensysteme nicht von jetzt auf gleich entbehren kann oder dass die Industrie nicht in der Lage ist, so zügig zu produzieren.» In der Öffentlichkeit bleibe allerdings der Eindruck zurück, dass auf Deutschland einmal mehr kein Verlass sei.

Strack-Zimmermanns Partei profitiert bis jetzt nicht von ihrer Regierungsbeteiligung in Berlin: Jüngst mussten die Liberalen in zwei Landtagswahlen Verluste hinnehmen. Liegt es daran, dass die Wähler der FDP, von denen sich viele finanzielle Entlastungen erhofft haben dürften, nun enttäuscht sind? Strack-Zimmermann glaubt nicht daran: «Wichtig ist, dass unser Versprechen steht, dass die Steuern nicht erhöht werden», sagt sie. Dies dürfte angesichts höherer Ausgaben und zunehmend düsterer wirtschaftlicher Aussichten allerdings nur um den Preis einer wachsenden Staatsverschuldung zu haben sein.

Das will Strack-Zimmermann gar nicht bestreiten, doch geht sie umgehend zum Gegenangriff über: «Nun werfen Sie mir als FDP-Politikerin vor, dass wir angesichts des Krieges Schulden machen», sagt sie. «Sässe ich als Grüne vor Ihnen, würden Sie mir vorwerfen, ich sei gerade eben noch Pazifistin gewesen und riefe jetzt lautstark nach Waffen, und als Sozialdemokratin würden Sie mir vorhalten, meine Partei habe eben noch engste Beziehungen zu Putin gepflegt.» Die Lage habe sich durch den Krieg nun einmal grundlegend geändert, so dass alle drei Regierungsparteien programmatisch Federn lassen müssten.

Kaum Sympathie für Friedrich Merz

Glaubt man Strack-Zimmermann, haben ihre Landsleute keinen Grund zum Jammern. «Ich würde nicht prophezeien, dass uns sogenannt magere Jahre bevorstehen», sagt sie. Wer Deutschland kenne, wisse allerdings, was volkswirtschaftlich fette Jahre bedeuteten, und so könne es sein, dass mehr Bescheidenheit manchen als mager erscheine. Beinahe fühlt man sich an den Literaturwissenschafter Karl Heinz Bohrer erinnert, der die Bundesrepublik Anfang der achtziger Jahre als fettprangende Provinz verspottete. Wählt eine FDP-Politikerin ähnliche Worte, mag dies in den Ohren mancher Deutscher zynisch tönen, haftet den Liberalen doch hartnäckig das Image der Besserverdienerpartei an.

Gegen dieses Etikett verwahrt sich Strack-Zimmermann: «Das sind die Vorurteile, die viele haben!», ruft sie aus, als sie gefragt wird, ob die meisten FDP-Wähler die Krise nicht später und weniger hart spürten als viele andere. Wer die Grünen wähle, sitze definitiv nicht in einem anderen Boot, wendet sie ein. Tatsächlich verdienen auch viele Wähler der Ökopartei überdurchschnittlich.

Überhaupt, die Grünen: Sie wolle nicht klagen, doch dass beide Parteien oft mit zweierlei Mass gemessen würden, nerve sie zusehends, sagt Strack-Zimmermann: «Die Grünen werden für ihren Richtungswechsel in der Sicherheitspolitik gar nicht abgestraft.» Die Frage, warum die FDP so kritisch gesehen werde, macht die Liberale ein wenig ratlos: «Vielleicht, weil wir selten ‹Ja› oder ‹Nein› sagen, sondern eher ‹Ja, aber› oder ‹Nein, aber›», mutmasst sie.

Dennoch habe sie nie bereut, ihrer Partei beigetreten zu sein. Das tat Strack-Zimmermann im Alter von 32 Jahren, also verhältnismässig spät. Der damalige Aussenminister Hans-Dietrich Genscher und der Mauerfall hätten für ihren Entscheid eine zentrale Rolle gespielt. Und die Zustände bei den Christlichdemokraten: Zwar hätten in ihrem Elternhaus die meisten CDU gewählt, doch das Frauenbild von Helmut Kohls Partei sei für sie indiskutabel gewesen. Der derzeitige CDU-Chef Friedrich Merz verkörpere noch immer eine solch überkommene Einstellung.

Ein Rat an den politischen Nachwuchs

Strack-Zimmermanns ungewöhnliche Laufbahn brachte es mit sich, dass sie sich nie in der Jugendorganisation ihrer Partei engagierte. Ob ihr Politiker, die schon als Schüler oder Studenten nach einem Amt strebten, fremd seien? Da stöhnt sie kurz auf und verdreht die Augen, wobei nicht so recht klar wird, ob sie sich über die Frage oder über den politischen Nachwuchs mokiert. Doch sofort fängt sich Strack-Zimmermann wieder: Nein, junge Karrierepolitikerinnen seien ihr nicht fremd, sagt sie und lobt eine ganze Reihe von Nachwuchskräften ihrer eigenen Partei.

Sie selbst hätte einen solchen Weg aber nicht so früh einschlagen wollen, fügt sie hinzu. Strack-Zimmermann verbrachte sieben Jahre an der Universität, wo sie zunächst Publizistik und Germanistik studierte und später promovierte. Danach arbeitete sie fast zwanzig Jahre als selbständige Verlagsrepräsentantin. «Jungen Menschen in der Politik empfehle ich: Macht das, wofür ihr gewählt worden seid, und denkt nicht daran, was noch alles kommen könnte», sagt sie. Nichts komme so, wie man glaube. «Man sollte seine derzeitige Aufgabe immer so gut wie möglich erfüllen und sich am besten nicht nur Feinde machen.»

Deutschland: Strack-Zimmermann und ihr Kampf für die Ukraine (nzz.ch)

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Riddle Russia: Will the Ukraine conflict splinter Russia?

Ivan U. Klyszcz weighs up whether a defeat against Ukraine could spark Russia’s territorial disintegration

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For months now, there have been indications that Russia intends to draw out this war. Putin’s goals — chief among them the cessation of Ukrainian statehood — were thwarted from the start but are not abandoned. However, there is no path left for Russia to accomplish its aims—in the short term at least. Russia has failed to capture Kyiv, failed to inflict a definitive defeat to Ukraine’s armed forces, or even to push them from the Donbas. Putin may now only choose which defeat to endure and what consequences to suffer.

The consequences of the war are already felt in Russia. The economy is set to contract as much as it did during the Soviet collapse. The war also ended many of the already weak civil liberties of Russia’s citizens, who now live under de facto martial law. Some have speculated that defeat will lead to a Russia without Putin. Others argue that one-man-rule will continue with Putin at the helm, though weakened. Others have argued that Russia’s defeat, economic collapse, international pariah status and increased Russian chauvinism will bring an end to the Russian Federation itself.

The possibility of a collapse of the Russian Federation along the lines of the Soviet collapse has been a feature of commentary on Russia since December 1991. Every now and again these views resurface, and Russia’s evident failures in Ukraine have brought similar theories. Given the unprecedented scale of the war and the profound consequences it is to bring, the argument on Russia’s imminent collapse deserves scrutiny. Are the forces of collapse already at play in Russia?

Why would Russia collapse

Those arguing that Russia will collapse tend to deploy a two-step argument. First, the worsening economic situation will render the federal centre unable to maintain elites or keep the population acquiescent, entering a spiral towards dissatisfaction and conflict. Second, the enduring cultural differences between the Russian majority and the federal minorities will become even more strained under economic hardship, leading secessionist sentiments to rise.

The Russian economy is set to suffer. Russia is highly globalised and with trade making up a large part of GDP. Compounding sanctions, oil embargo and isolation in general are pushing Russia to an economic contraction in the order of magnitude to its other recent historical crises. As Maximillian Hess argued, the country’s baseline scenario may be a 1918-style economic unravelling. It is tempting to draw a parallel with the recent past: the Soviet Union faced economic stagnation since the late 1970s and then accelerated economic dysfunction by the end of the 1980s; similarly, Russia’s GDP has stagnated since 2014 and now faces collapse to the tune of over ten per cent of GDP in 2022. Indeed, there is doubt whether Russia can afford the war, and soon we will wonder whether it can afford to subsidise its many regions dependent on the federal budget.

These economic troubles will inevitably affect Russia’s minority regions. Russia is an ethnic federation, a system many regard as especially vulnerable to secession as Yugoslavia and the Soviet Union itself showed. Russia has twenty-two ‘autonomous republics’, each of which has a ‘titular nationality’ for whom the republic is their designated ‘homeland’. Each of these have different cultural affinities connecting them with other countries, like the Karelians with the neighbouring Finns, the Komi with the broader Finno-Ugric group, or the Tuvans with Mongolia. Expressions of secessionist sentiments have been censored in Russia for years; despite that, they can still be found, especially online.

The perestroika era showed how distinct groups in the federation may mobilise or demand independence. Back then, many non-Russian Soviet citizens demanded more rights, including cultural rights. Many of these demands focused on the status of their ‘homelands’, often progressing to outright demands for independence by 1990. Such was the case of Karakalpakstan in Uzbekistan, Chechnya in Russia, Estonia, Latvia and Lithuania, among many other Soviet constituents. The extreme degree of centralisation in federal relations may not prevent secession at all; the Soviet collapse happened under an even more centralised regime. Military defeat and economic collapse can offer these sentiments a chance to be propelled to the forefront once again.

Why Russia would not collapse

Yet some argue the analogy falls apart, as the Soviet collapse must be put into another perspective. The background of economic stagnation, political turbulence and social mobilisation can be considered the material cause of the Soviet collapse. The efficient cause was arguably tied to the Gorbachev factor. He earnestly sought to transform the system but failed to enact his reform agenda and preserve Soviet authority. As historian Vladislav Zubok argues, as late as 1988 and 1990 there were opportunities for Gorbachev to act but these were squandered by his hesitancy. In other words, there was contingency in the Soviet collapse.

Generally, leaders in multicultural countries have options to deal with secessionism, like coercion and power-sharing. Whatever leadership Russia will have by the end of the war in Ukraine may find ways to handle the discontent better than Gorbachev did decades before. More broadly, the Russian Federation may be better suited to withstand the kind of pressures that the Soviet Union faced at that time. There can be no Yeltsin to Putin’s Gorbachev as there is no equivalent Russian ‘core’ region to take the place of the RSFSR.

Second, there is the argument about Russia’s minorities. The Russian collapse argument relies on an essentialist view of Russia’s minority groups that regards them as always desiring full independence and ready to act on it were the opportunity to present itself. However, like the rest of the Russian population, the interest in politics among Russia’s national minorities is anaemic, a trend becoming more acute since 24 February. Those who are interested in politics have a range of positions, including pro-Putin and pro-Russia. Indeed, it was in recent memory that Russia’s leadership opted for policies of inclusion of Russia’s minorities as minority elites were empowered by the federal centre or otherwise allowed into federal politics. Similarly, there was an effort — especially during the short Medvedev period — to increase the feelings of belonging to Russia among the country’s national minorities. While short lived, the memory of these policies may convince at least some in Russia’s minority communities that the federation is capable of accommodating them. Generally, nationalism is not the default in ethnic federations.

Beyond the Chechen exception

The best-known case of potential secession in Russia today is Chechnya. To a degree, the region has already left the federal order as it is governed according to the interpretation of Chechen customs made by its despotic ruler, Ramzan Kadyrov. But Chechnya is an outlier. Russia’s regional elites are co-opted into the system, made dependent on it to rule. Putin’s patronage networks have made the emergence of parallel or competing power poles inside Russia — especially to the extent that they can challenge Moscow — an impossibility.

There is no doubt that Russia’s defeat will bring new transformations to the country, and all of Russia’s transformations run through in part at least its minority constituents. But these transformations will not resemble those of the past, be it in the economy or in federal relations. The past can also point to other potential outcomes. Russia’s 1856 defeat in Crimea did not lead to collapse but to reform. A post-war, post-Putin reform movement could find a solution to many of the country’s constitutional issues, leading to a regime that rules by consent and through power-sharing with its national minorities. We can only hope that such an outcome is in store.

 Will the Ukraine conflict splinter Russia? – Riddle Russia (ridl.io)

About: Riddle Russia

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The End++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

Ralph Thiele

Shaping the Future

2 Jahre

Warum findet man solche exzellenten Artikel heutzutage überwiegend in einer schweizer Zeitung?

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