Ralph Giordano - Erinnerungen eines Davongekommenen

Ralph Giordano - Erinnerungen eines Davongekommenen

Ralph Giordano wurde geboren im selben Jahr als mein deutscher Schwiegervater, dem ich nie begegnet bin: 1923. Auch er war sogenannter Halbjude, ein ‘Mischling’. Was für Ralph Giordano galt, galt sicherlich auch für Hellmut Weissbach, es war reiner Zufall, dass sie den Krieg überlebten. Sie sind davongekommen…

Erinnerungen eines Davongekommenen erschien in 2007 bei Kiepenheuer & Witsch. Wenn mann 84 Jahre alt ist, wird es recht Zeit für eine Autobiographie, sonst wird es eine Biographie. Oder nichts.

Der Autor, Journalist und Regisseur Giordano hatte italienische Wurzeln, lebte lange Zeit in Hamburg und reiste später durch unzählige Lander und Städte. Manche seiner Bücher sind verfilmt worden, so ‘die Bertinis’, ein Film mit autobiographischen Grundlagen.

Selbstverständlich waren die Ressentiments des Autors gegen die Nazis. Giordano beschreibt akribisch die allmählich ausgeprägteren antisemitischen Beschimpfungen in den Jahren 1932-1939. Während des Krieges ging es ums reine Überleben. So weit, so gut.

Ab 8. Mai 1945 gab es in Deutschland kaum Nazis mehr. Die waren verschwunden oder gefallen. Die Nürnberger Prozesse verurteilten in 1946 nur diejenigen die sich an Massenmord und an Straftaten gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hatten. Und dann allein die Hauptverantwortlichen. Erst später kamen die recht kleinen Leuten. Giordano kritisierte diese Verfahrensweise. Der grösste Teil lief frei herum. Die Justiz, die Industrie- und Heeresleitung und mancher Politiker kamen davon und setzen ihre Laufbahn fort als ob nie etwas passiert wäre. Hitler hatte zwar den Krieg verloren, aber sein Geist spukte noch überall herum. Dieser Geist war einer der Gründe für die Studentenrevolte in 1968 und die Gründung der RAF.

Giordano machte ein Lebenswerk von der Deutung des latenten Antisemitismus. Er öffnet Augen, nicht als Halbjude, sondern als überzeugter Humanist. In den Nachkriegsjahren drehte er Filme für das öffentliche Fernsehen. Das alles erfolgte mit analogen Techniken. Als das Computer seinen Eintritt macht, fängt er an Bücher zu schreiben. Er macht dabei Freunde fürs Leben und Feinde für immer.

Erinnerungen eines Davongekommenen ist ein bedrückendes aber auch beeindruckendes Zeitzeugnis von 550 Seiten ...    

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen