Resilienz auf dem Prüfstand. Starke und resiliente Mitarbeitende sind gesucht – doch passt die Organisationkultur dazu?
Resilienzförderung ist in den Zeiten der Digitalen Transformation als eindeutiger Wettbewerbsvorteil identifiziert.
Doch resiliente Haltung kann nicht einfach eingefordert oder verordnet werden. Unternehmen und Führungskräfte müssen Rahmenbedingungen schaffen, in denen sich resiliente Haltung in der gesamten Organisation ausbreiten und weiterwachsen kann. Nur so kommen, bleiben und committen sich resiliente Mitarbeitende.
Führungskräfte wünschen sich Mitarbeitende, die neue Aufgaben freudig annehmen, angstfrei völlig neuen Herausforderungen gegenüber offen sind, sich einbringen, kluge, zielgerichtete Fragen stellen, neue Ideen beisteuern, agil, adaptiv und wissbegierig neue Instrumente und Methoden lernen und selbstorganisiert Lösungen finden.
Doch in den Zeiten des Umbruches verspüren viele Menschen in den Unternehmen einen hohen Druck. Dabei kann das Gefühl so stark werden, dass sie fürchten, die Qualität ihrer Arbeit könnte darunter leiden. Die Phasen grosser Beanspruchung werden immer länger und die Herausforderungen sind oft so neu und anders, dass die eigenen, früheren Erfolgsrezepte nicht mehr greifen.
Resiliente Menschen erleben und spüren in diesen Situationen nicht weniger Stress als andere. Der Unterschied liegt im Umgang mit den Anforderungen, die von aussen an sie herangetragen werden. Sie erleben diesen Druck als Herausforderung zum Lernen und Wachsen.
Lernen, nicht verstanden aus dem Defizit heraus mit dem Hinweis, nicht genügend zu wissen. Das ist längst überholt. Wir stehen täglich in der Herausforderung in "Echtzeit" zu lernen. Dana-Cristina Grohnert, Personal Vorstand Allianz, Deutschland: schreibt: "Im Lernen von heute liegt die Wertschöpfung von morgen." In ihrem Artikel erfahren wir, wie wir Lernen wieder in die Arbeitswelt zurückbringen können. Nicht mit Plan und auf Vorrat, sondern im kombinierten Arbeits- und Lernraum. So wird Lernen selbst zu einem wertvollen und sinnstiftenden Prozess. Resiliente Menschen schätzen das und verschaffen sich Zeit und Gelegenheiten, um gemeinsam mit anderen oder selbstorganisiert und eigenverantwortlichen ihr Wissen zu erweitern.
Resilienz umfasst und beschreibt die Fähigkeit, in den Phasen hoher Belastungen und Krisen gute und passende Bewältigungsstrategien aktivieren zu können. Aus den krisenhaften und schwierigen Zeiten zu lernen, gehört definitiv dazu. Diese Fähigkeiten besitzen einzelne Menschen ebenso wie eine gesamte Organisation. Im besten Falle gehen resiliente Menschen und Organisationen gestärkt und mit neuen Erkenntnissen aus Krisen und Belastungen hervor.
Woran erkennt man resiliente Menschen?
Es gilt nicht „einmal resilient, immer resilient“. Resilienz ist weit mehr als der mechanische Vorgang, nach Phasen der Belastung immer wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Es ist ein fortwährender Lern- und Wachstumsprozess, der Achtsamkeit mit sich und anderen erfordert.
Menschen mit einer resilienten Haltung performen aus sich heraus. Sie suchen sich das Umfeld, in dem sie offen und transparent auf Augenhöhe kommunizieren können. Sie gehen auf andere ein, hören zu und tauschen sich über Möglichkeiten und Lösungsstrategien aus. Eine Umgebung, in der Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit Platz haben, wird attraktiv für Menschen mit resilienter Haltung.
Für resiliente Menschen ist der stetige Wandel kein Schreckgespenst. Sie sind bereit zur ständigen Anpassung und damit auch zum Einüben neuer Verhaltensstrategien. Sie begrüssen es, dass damit auch eine Veränderung ihrer inneren Haltung und Einstellung einhergeht, und erfahren diese Lernschritte als Erweiterung ihrer Handlungskompetenz. Menschen mit resilienter Haltung suchen vermehrt resiliente Organisationen, die ihnen das ermöglichen.
Drei Merkmale einer resilienten Organisation
1. Die Fähigkeit zur Antizipation
Antizipieren als Vorwegdenken, was geschehen könnte. Resiliente Organisationen bemühen sich laufend um das Erkennen aller noch so kleinen Signale der Veränderungen intern und im Umfeld der Organisation. Dabei geht es nicht nur um das frühe Erkennen von Verletzlichkeiten und Gefahren in den Kernbereichen. Im Besonderen liegt das Augenmerk darauf, innovative Möglichkeiten für Prozesse und Neuerungen zu erkennen und zu verstehen. Nur so können frühzeitig die notwendigen Schritte für eine erfolgreiche Zukunft für das Unternehmen eingeleitet werden.
2. Die Fähigkeit zur Adaption
Resiliente Organisationen zeichnen sich durch eine hohe Adaption, also Anpassungsfähigkeit, aus. Das ist mehr als agil und flexibel sein. Es bedeutet, sehr lebendig und auf Augenhöhe miteinander zu agieren. Das Organisationsmodell wird verstanden und gelebt als organisatorische Agilität und ständiger Wandel. Das allerdings ganz klar im Zusammenspiel zu planvollem und diszipliniertem Umgang mit Aufgaben und Zielen. Diesen Organisationen gelingt es, in Turbulenzen ganz im Tun zu bleiben und die Vision mit dem überzeugenden Purpose (ihrem Warum) nicht aus den Augen zu verlieren. Sie agieren mit transparenten Werten und Prinzipien, die Lernen, mutiges Ausprobieren zulassen. Sie bemühen sich, die Wirkmechanismen neuer Praktiken und Methoden gemeinsam zu verstehen, anzupassen und dann erst einzusetzen. Damit wird der Begriff organisationales Lernen echt gelebt und lädt auch dazu ein, eine neue Fehlerkultur zu etablieren.
Fehler zu machen und in Projekten zu scheitern, wird als Lernsituation verstanden, nicht als Aufforderung, Schuldige zu suchen. Eine klare Bewegung weg von der Problem- hin zur Stärkenorientierung ist ein Zeichen der resilienten Organisation. Ein weiteres Merkmal ist die Selbstorganisation in einem definierten Rahmen, genau dort, wo es von Nutzen für die Organisation ist.
3. Die Fähigkeit, Ausdauer zu aktivieren
Die resiliente Organisation zeichnet eine Kultur der Beharrlichkeit und Robustheit aus. Organisationen sind robust gestaltet, wenn es ihnen gelingt, in Turbulenzen Werte und Ziele nicht aus den Augen zu verlieren, und wenn sie in ihrem Tun Flexibilität an den Tag legen. Die eigene Identität ist die entscheidende Grösse, um eine schnelle und lösungsorientierte Anpassung an die Umwelt vorzunehmen. Diese Organisationen agieren von innen nach aussen und stellen ihr «Warum» in den Vordergrund. Damit gelingt es, in Zeit der grossen Herausforderungen flexibel zu bleiben und die eigene Identität als entscheidende Grösse immer wieder zu aktivieren.
Das eigene Warum hat für die Menschen eine Anziehungskraft. Wenn ihr eigenes Warum mit dem des Unternehmens in Einklang ist, dann wissen alle, warum sie beharrlich und ausdauernd diese Ziele verfolgen. Das ist Glaubwürdigkeit, die von den Mitarbeitenden geschätzt wird. Dann wird Verbundenheit und Engagement und Loyalität die Basis für Ausdauer und Zielverfolgung sein.
Der Blick in eine resilientere Zukunft
In der Arbeitswelt ist persönliche und organisationale Resilienz nicht voneinander getrennt. Wir können das nur miteinander denken. Resilienz zu trainieren heisst, die Menschen zu stärken und in mehr Selbstwirksamkeit zu führen. Selbst die ISO-Norm 22316 der organisationalen Resilienz schlägt vor, Fehler und Scheitern als wertvoll zu bewerten. Diese Umbewertung lässt persönliche Lern- und Veränderungsschritte als Erweiterung der Selbstwirksamkeit erleben.
Resiliente Menschen mit einer grossen Selbstkompetenz und der Erfahrung von Selbstwirksamkeit werden Resilienz auf organisationaler Ebene einfordern. Das ist auch gut so. Vielerorts sind Organisationsentwicklungsmassnahmen notwendig und hilfreich, damit die Menschen sich im Wandel kongruent erleben können. Die Stärkung der individuellen und organisationalen Resilienz ist ein Garant für die Zukunftsfähigkeit von Organisationen. Wenn sich Führungskräfte mit dem Konzept der Resilienz auseinandersetzen, wird viel gelingende Partizipation und erfolgreiches Miteinander möglich sein.
Resilienz Kompetenzen als Handlungsvermögen der Organisation
Es ist hilfreich die Organisation als Kommunikationssystem zu erkennen mit ihren ganz eigenen Wahrnehmungs- und Kommunikationsmustern. Die charakteristische Prägung in jeder Organisation wird immer durch die Menschen gestaltet. Das geschieht durch bewusste oder unbewusste kollektive Grundannahmen, langfristig verankerte Wertehaltungen und Verhaltensnormen, bis hin zu wiederkehrenden Verhaltensmustern.
Resilienz Förderung in Teams und Organisationen macht das gemeinsame Arbeitssystem zum Thema. Im Rahmen von gezielt gesetzten Interaktionen werden Kommunikationsprozesse aktiviert, die Bewusstheit für den resilienten Umgang fördern. Die Menschen finden zusammen Lösungen, die von allen Beteiligten mitgetragen und umgesetzt werden können. In den Teams und Organisation sind ganz sicher alle Mitarbeitenden auf ihre ganz persönliche Art und Weise fähig, mit Stress und schwierigen und schwierigsten Situationen konstruktiv umzugehen und daraus zu lernen. Systemisch orientierten Konzepte und die Erkenntnisse der Neurobiologie bestätigen, dass Entwicklung und Lernen vor allem auf jenen Erfahrungen beruhen, die ein Mensch mit sich und der Umwelt machen - und dazu gehört der Arbeitsplatz. Erfolgreiche Führungskräfte schaffen Lern- und Erfahrungsräume, um die eigene und die organisationale Resilienz zu stärken
Hinweis in eigener Sache:
Netzwerk Kadertraining hat als Erwachsenenbildungsinstitution im Rahmen eines Movetia Weiterbildungsprojektes von 2017 bis 2019, Ausbildungen in Resilienz, ResilienzForum, Ella Gabriele Amann, Berlin und in der Anwendung eines Persönlichkeitsprofil, SIZE-Prozess, Marchtrenk, durchführen können.
Projekt-Ziel: Mit dem Weiterbildungsangebot im Ausland einen Beitrag zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung der Personen in der Institution zu leisten und zudem ein internationales Beziehungsnetz aufzubauen. Das Ziel wurde voll und ganz erreicht. Das erworbene Wissen, die Anwendungsbeispiele und Erkenntnisse fliessen bei Netzwerk Kadertraining in die Arbeit mit Menschen in Veränderungssituationen mit ein.
Quellen
Amann, Ella G./Alkenbrecher, Frank (2005): „Das Sowohl-als-auch-Prinzip: Mit Sicherheit stark durch die Krise“. Pro Business digital.
Amann, Ella G./Anna Egger (2019): „Micro-Inputs Resilienz. Lebendige Modelle, Interventionen und Visualisierungshilfen für das Resilienz-Coaching und -Training“. Training aktuell
Heller, Jutta (2018): „Resilienz für die VUCA-Welt: Individuelle und organisationale Resilienz entwickeln“. Springer.
Weick, Karl E./Suthclife, Kathleen M. (2016): „Das Unerwartete managen“. Schaeffer-Poeschel.
Wüthrich, Hans A./Osmetz, Dirk/Kaduk, Stefan (2006): „Musterbrecher, Führung neu leben“. Springer.
Fritz Zehetner (2017): „SIZE-Prozess: Human Performance Guide“. Top im Job.
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5 JahreEin toller Artikel liebe Ulrike! Mit dem SIZE PROZESS Resilienz Profil erfährt man, wie es gelingt mit Stress und schwierigen Situationen konstruktiv umzugehen und daraus zu lernen. #size
Beraterin in Transaktionsanalyse bei EATA - European Association for Transactional Analysis
5 JahreTragen die resilienten Mitarbeiter zur Resilienz der Firma bei und vice versa?
MitZieheN(d) in Trainings und Entwicklungsprozessen! Expertin für Kommunikation, Ausbildungsmanagement.
5 JahreSuper geschrieben Ulrike Clasen, danke für diesen bereichernden Artikel, in dem Du alle Aspekte eines gut funktionierendes Systems beleuchtet hast.
Social Learning | Future Work | Transformation
5 JahreMerci @Ulrike für die umfassende Beschreibung resilienter Organisationen. Absolut berechtigte Frage, aber ich bin sicher, diese Mitarbeiter bewirken Wandel von unten - vielleicht nicht überall schon beim ersten Anlauf mit Erfolg, aber es lohnt sich, dranzubleiben. Und macht doch einfach viel mehr Freude, so zu arbeiten, oder nicht?
Senior Consultant & Life Coach
5 JahreUlrike toller Artikel, es bringt die aktuelle Situation auf den Punkt. Im Rahmen meiner Diplomarbeit zum betrieblichen Mentor habe ich das Thema auch beleuchtet. Und es zeigt sehr stark, unser Tun muss zwingend Sinn-stiften für alle Beteiligten sein. In Gerald Hüther's Worten alles strebt nach Kohärenz... http://www.mosx.ch/potential-grow/new-work/index.html