Zu viel Resilienz ist schädlich
Alle sprechen davon wie wichtig Resilienz ist, aber die Forschung sagt, es gibt auch einige Nachteile, denn wer zu resilient ist, ist hart und abgestumpft. Zu viel Resilienz ist schädlich, ähnlich wie zu viel Muskelmasse schädlich für das Herz ist.
Während der Pandemie wurde der Begriff Resilienz regelrecht gehyped! Es werden Resilienz-Trainings angeboten und mittlerweile gibt es auch Resilienz-Coaches.
Was bedeutet es denn eigentlich resilient zu sein?
Resilienz (von lateinisch resilire: zurückspringen, abprallen, nicht anhaften), auch Anpassungsfähigkeit. Der Begriff beschreibt den Prozess, in dem Personen auf Probleme und Veränderungen mit Anpassung ihres Verhaltens reagieren, indem sie auf Ressourcen wie Selbstwertgefühl, positive Lebenshaltung, unterstützendes soziales Umfeld und mentale Stärke zurückgreifen.
Grundsätzlich also eine wichtige Eigenschaft, die Menschen zu gesunden, gelassenen und wertvollen Mitarbeitern macht.
Die Management-Forschung spricht vom TMGT-Effekt – Too much of a good thing. Die Grundannahme: Alles, was gut ist, wird negativ, sobald es zu viel ist.
Nietzsche sagte: "Was uns nicht umbringt, macht uns stärker." In ähnlicher Weise verwendet das United States Marine Corps das Mantra "Schmerz ist nur Schwäche, die den Körper verlässt" als Teil ihres harten Trainingsprogramms.
Solche Aussprüche können zu einer extremen Belastbarkeit führen, so dass Menschen übermässig hartnäckig auf unerreichbaren Zielen beharren.
Obwohl wir dazu neigen, Menschen zu feiern, die sich hohe Ziele setzen oder grosse Träume haben, ist es in der Regel effektiver, die eigenen Ziele auf ein realistisches, erreichbares Niveau anzupassen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass viele Menschen enorm viel Zeit damit verschwenden, an unrealistischen Zielen festzuhalten. Selbst wenn frühere Verhaltensweisen eindeutig darauf hindeuten, dass Ziele wahrscheinlich nicht erreicht werden, können übermässiges Selbstvertrauen und ein unbegründetes Mass an Optimismus dazu führen, dass Menschen ihre Energie für sinnlose Aufgaben verschwenden.
Der Autor und Resilienz Experte Karsten Drath, beschreibt in seinem Buch "Resilienz in der Unternehmensführung", wie sich zu viel Resilienz in Härte äussern kann. Drath schreibt, dass sich die Resilienz eines Menschen aus dem Anteil, der sich aus der Persönlichkeit herleitet, man spricht hier auch von Traits, und dem Anteil, der sich durch erlernte resiliente Verhaltensweisen, den sogenannten Habits, ergibt.
Führungskräfte, deren Resilienz vor allem durch Persönlichkeitsmerkmale geprägt ist, fällt es häufig schwer, sich empathisch und einfühlsam zu verhalten. Dies kann auch dazu führen, dass sie ihre Teams überfordern, da sie zu hohe Erwartungen an ihre Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit haben. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass sogenannte High-Achievers sich ihrer Grenzen nicht bewusst sind und ihre Führungsfähigkeiten und ihre Leistung überschätzen. Teilweise sind sie sogar stur und trügerisch widerstandsfähig. Sie sind beratungsresistent und verleugnen ihre eigenen Schwächen. Häufig wollen sie beweisen, dass sie erwiesenermassen nicht funktionierende Geschäftsmodelle zum Funktionieren bringen oder versuchen überzogene Wachstumsziele in stagnierenden Märkten durchzusetzen. Damit investieren sie viel Zeit und Energie in das Erreichen unrealistischer Ziele und schaden damit sich selbst und dem Unternehmen.
In einer Welt, die hohe Resilienz glorifiziert, vergessen wir leicht, dass es auch mutig ist, Pausen einzulegen und um Unterstützung zu bitten. Das kontinuierliche Streben nach noch mehr ohne die Anerkennung unserer Grenzen kann eine toxische Arbeitsumgebung fördern, in der Erschöpfung als Zeichen von Engagement missverstanden wird.
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Leider finden wir in den Führungsebenen noch immer viele Führungskräfte, die über alle Masse optimistisch sind und sich selbst überschätzen. Sie gelten zwar als High-Potentials, haben aber leider kein echtes Führungstalent.
Umgekehrt kann es dazu führen, dass Menschen übermässig tolerant sind und gewisse Probleme, Arbeitsbedingungen oder schlechte Vorgesetzte einfach ignorieren. In einer Umfrage in Amerika bezeichnen 75 % der Arbeitnehmer ihren direkten Vorgesetzten als das grösste Übel ihrer Arbeit, und 65 % würden eine Gehaltskürzung in Kauf nehmen, wenn sie ihren Chef durch jemand anderen ersetzen könnten. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass die Menschen diese Einstellungen tatsächlich in die Tat umsetzen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Resilienz zweifellos eine nützliche und äusserst förderliche Eigenschaft ist, vor allem im Hinblick auf traumatische Ereignisse. Wenn sie jedoch zu weit getrieben wird, kann sie Menschen unnötig hart und rücksichtslos, und umgekehrt unnötig tolerant gegenüber widrigen oder kontraproduktiven Umständen machen.
In unserer Gesellschaft gilt es immer noch als attraktiv ein Superheld zu sein, nach dem Marathon folgt ein Ultralauf. Egal was passiert, ich bleibe immer positiv, sogenannt negative Emotionen gelten eher als Schwäche, und haben zumindest im Businessalltag nichts zu suchen. Um teilweise utopische Ziele zu erreichen, gehört es zum guten Ton noch härter zu arbeiten oder zu trainieren. Mit einem solchen Verhalten richtet man nicht selten mehr Schaden an, als Heldenstatus zu erreichen.
Jeder, der mich kennt, weiss, dass ich sehr ehrgeizig bin, im Beruf und auch im Sport. Ich habe beruflich alles erreicht, was ich wollte, bin Marathon gelaufen, steige regelmässig ins Eisbad, und habe schon mehrere Pässe erklommen mit dem Rennrad. Ich würde mich als belastbar und stressresistent bezeichnen. Ich finde ambitionierte Ziele gut und wichtig, ich predige immer wieder, dass sich Erfolg nicht über Nacht einstellt, und, dass wer erfolgreich sein will und seine Ziele erreichen möchte, auch dafür arbeiten und viel Zeit und Energie investieren muss.
Gleichzeitig ist es mir aber auch wichtig, dass ich mich selber spüre und gut einschätzen kann. Manchmal ist es besser einfach aufzuhören, wenn ich Schmerzen habe beim Sport. Manchmal muss ich mir eingestehen, dass ein Ziel nicht realistisch ist oder ich einfach mehr Zeit brauche um es zu erreichen.
Es ist ein schmaler Grat und um herauszufinden, ob es sich tatsächlich um fehlende Selbstdisziplin oder Willensschwäche handelt, stelle ich mir die Frage, ob Aufwand und Ertrag ausgewogen sind, und ich nicht sogar Zeit vergeude, und dabei mir oder meiner Gesundheit schade?
Befriedige ich einfach mein Ego damit, weil es zum guten Ton gehört oder will ich dieses Ziel wirklich erreichen? Diese Fragen versuche ich komplett ehrlich zu beantworten und mir nichts vorzumachen.
Dieser Prozess hilft mir, ehrgeizige Ziele zu verfolgen, ohne dabei auszubrennen, Prioritäten richtig zu setzen und meine Zeit für das Wesentliche einzusetzen.
Was wir brauchen, ist ein gutes Mass an Resilienz, die Selbstfürsorge und eigene Grenzen setzen einschliesst. Nachhaltige Resilienz bedeutet, unsere eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu respektieren, Hilfe zu suchen, wenn wir sie brauchen, und zu verstehen, dass wahre Stärke auch im Eingeständnis von sogenannter Schwäche liegt.
Strategische Marketing Kommunikationsberatung l Expertin für Teilzeit + Karriere l Führung in Teilzeit l Internationales Marketing I Head of CRM l Opel, Peugeot, Citroën & DS
9 MonateSpannende Auseinandersetzung mit dem Thema, liebe Sandra. So differenziert habe ich die neue Superpower Resilienz noch gar nicht betrachtet 👍🏻