Respekt, Anerkennung, Freiraum: Das ist der Kern von New Work
Vor Kurzem habe ich bei Linkedin ein Interview mit dem Schweizer Psychologen und Berater Felix Frei empfohlen. Tenor des Gesprächs: Vieles von dem, was Unternehmensleitungen zurzeit verlauten lassen über Agilität, Selbstorganisation, New Work und Intrapreneurship sei nur Wortgeklingel. An den bestehenden Strukturen und Machtverhältnissen in Unternehmen ändere sich nichts, es werde nur alles in schöne neue Worte gepackt. Alles nur ein Wortspiel, quasi. Wer es wirklich ernst meine mit dem neuen, der müsse radikal Hierarchien abbauen, Mitarbeitern mehr Freiheit und Freiraum geben.
Ich habe das geteilt, weil ich es ähnlich sehe. Zu oft wird beispielsweise gesagt „Wir arbeiten jetzt agil“, und dann gibt es vielleicht Dailies und zweiwöchentliche Reviews, aber trotzdem hören alle beteiligten weiter auf ein Kommando. Ich habe das vor Längerem schon als „Zombie-Agilität“ bezeichnet. Deshalb habe ich das Interview geteilt und positiv kommentiert. Mein Post ist auf große Zustimmung gestoßen, aber auch auf Widerspruch. Es hat sich eine intensive Diskussion über Nutzen und Nachteil von Hierarchie entwickelt.
Hierarchie ist nicht per se schlecht. Im Gegenteil, sie erfüllt wichtige Funktionen.
Gut so! Denn es hilft, einige Missverständnisse bezüglich Hierarchie näher zu betrachten. Zunächst und vor allem: Hierarchie ist nicht per se schlecht. Im Gegenteil, sie erfüllt wichtige Funktionen. Sie entlastet die Menschen. Das zeigt sich am Auffälligsten darin, dass Menschen abends nach Hause gehen können und sich beim Abendbrot über ihren Chef/ ihre Chefin aufregen können. Das ist keineswegs so banal, wie es sich anhört, denn es trägt entscheidend zur Life-Balance bei, wenn man sich nach der Arbeit den Frust von der Seele reden und dabei alles auf einen anderen Menschen projizieren kann.
Aber Hierarchie ist noch viel weitergehend hilfreich: In Geschäftsfeldern, in denen bestehende Produkte in klar definierten Prozessen nach klar definierten Kriterien produziert werden, unterstützt eine hierarchische Struktur die MitarbeiterInnen darin, ihre Aufgaben so effizient und effektiv wie möglich zu bewältigen. Wo Position und Verantwortlichkeiten klar sind, unterstützen diese Strukturen alle dabei, sich auf das Richtige zu fokussieren.
Nur: Hierarchie darf nicht dazu dienen, MitarbeiterInnen zu reinen Abarbeitungsmaschinen zu machen. Hierarchie darf nicht dazu dienen, dass Menschen ihre Begeisterung, ihre Kreativität und ihr Denkvermögen an der Unternehmenstür abgeben (müssen). In meinen Augen ist das der Kern der Kritik an hierarchischen Strukturen und der „alten“ Arbeitswelt: Dass immer noch viel zu oft vergessen wird, dass Menschen nicht zu anderen Wesen mutieren, nur weil sie sich an ihren Arbeitsplatz begeben.
Hierarchie darf nicht dazu dienen, MitarbeiterInnen zu reinen Abarbeitungsmaschinen zu machen.
Die US-amerikanische Philosophin Elizabeth Anderson hat in einem Interview mit Die Zeit gesagt: „Die moderne Firma ist eine Diktatur, eine private Regierung einiger weniger, die nicht gewählt sind, über viele, die keine Mitsprache haben.“ Sie bezieht sich dabei vor allem auf die USA, nennt aber explizit auch Deutschland. Und genau darum geht es für mich, wenn wir über New Work sprechen – um Respekt, um Anerkennung und darum, Menschen Raum zu geben, ihre Fähigkeiten zu entfalten und zum Besten des Unternehmens einzusetzen.
Unsere Aufgabe als Manager und Führungskräfte lautet, ein Umfeld zu schaffen, in dem unsere MitarbeiterInnen sich sicher genug fühlen, ihr Können zur Geltung zu bringen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Mensch generell bereit ist und den Anspruch hat, sein Bestes zu geben. Wir müssen ihn oder sie nicht mit strikten Vorgaben und der Karotte vor der Nase dazu bringen, es zu tun. Unsere Aufgabe als Manager und Führungskräfte lautet vielmehr, ein Umfeld zu schaffen, in dem unsere MitarbeiterInnen sich sicher genug fühlen, ihr Können zur Geltung zu bringen. Und neue Ideen auszuprobieren: für neue Produkte, für bessere Prozesse, für besseres Zusammenarbeiten. Darum geht es bei Agilität, Selbstorganisation, New Work und Intrapreneurship. Die Frage nach der Hierarchie ist sekundär.
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5 JahreVielen Dank, für diesen Beitrag. New Work ist Oldschool. Das, was vielerorts als "Weltneuheit", wird seit Generationen im Mittelstand gelebt. Dort gibt es meist zwei Dinge, die festgeschrieben sind: Werte und Hierarchie! Zugleich gibt es Spiel- und Freiraum für Neues. Ob Agil, OKR oder WOL, gibt es alles, wenn auch in abgewandelter Form. In jedem Handwerksbetrieb, gleich welcher Größe, tauschen sich die Handwerker über das, was sie tun aus. Geben sich Tipps und unterstützen sich gegenseitig. Die Ursache könnte das duale Ausbildungssystem sein. Sollte man mal an Universitäten ausprobieren, statt sich über Credit Points für Anwesenheit und Zuständigkeiten zu streiten.