Rezension: „Maßstab Mensch. Plädoyer für ein neues Wirtschaftsverständnis“.

Rezension: „Maßstab Mensch. Plädoyer für ein neues Wirtschaftsverständnis“.

Rezension: „Maßstab Mensch. Plädoyer für ein neues Wirtschaftsverständnis“. Ein Impuls für die eigene Reflexion

Rezession, Krieg, Inflation, Energiekrise – aktuell sind die Aussichten auf die Zukunft eher düster. Bereits in der Pandemie haben viele Industrien und Konsumenten die Verletzlichkeit des Weltwirtschaftssystems selbst zu spüren bekommen, als Versorgungsketten ins Stocken gerieten. Angesichts der globalen Verflechtungen, der Herausforderungen von Digitalisierung und der ökologischen Konsequenzen stellt sich die Frage umso drängender: Wie kann ein zukunftsfähiges und resilientes Wirtschaftssystem aussehen? Sicher ist nur eines: Exklusiv kann dies nicht nur in einem Land exklusiv beantwortet werden.

Einen sehr praxisnahen, gut lesbaren und sehr konstruktiven Ansatz bietet das Buch „Maßstab Mensch. Plädoyer für ein neues Wirtschaftsverständnis“ von Hans-Günther Ullrich. Er widmet sich der Frage unter dem Vorzeichen, welches Menschenbild für das Ziel und die Zukunft unseres Wirtschaftens stehen kann. Ullrich ist katholischer Priester und geistlicher Berater des Bundes katholischer Unternehmer (BKU), einer der „Geburtshelfer“ der sozialen Marktwirtschaft. Dem Buch ist in jeder Zeile anzumerken, dass es nicht nur um Theorie und Theologie geht: Ullrich war vor seiner Priesterweihe 16 Jahre als Manager in der Automotive-Industrie tätig – er weiß um die Zwänge, die Möglichkeiten, die Aufgaben und Risiken, die das Handeln in einem Unternehmen mit sich bringt. Das tut dem Buch gut, weil Philosophisches und Praktisches eine sehr fruchtbare Liaison eingehen. Es tut dem Leser gut, weil er (und sie) Perspektivwechsel und Realitätscheck wunderbar kombinieren kann. Auch eine Übertragung und Adaption für das eigene Handeln liegt so nahe.

1949 stand die deutsche Wirtschaft vor einem Neubeginn und stellte die Weichen gut und erfolgreich. Vor einer ähnlichen Situation sieht Ullrich aktuell das Wirtschaftssystem weltweit. Sinn und Zweck des eigenen Tuns werden für den Einzelnen wichtiger, gleichzeitig verändern sich die Rahmenbedingungen, getrieben durch Globalisierung und Digitalisierung. Ullrich nutzt zwölf Facetten des christlichen Menschenbildes und beleuchtet sie auf ihre ökonomische Dimension und das Potenzial. Es ist spannend zu sehen, wie das personale Prinzip, welches (nicht nur) im Christentum eine zentrale Rolle spielt, sich in Wirtschaftsbegriffe wie Führung, Verantwortung und Effizienz übersetzen lässt. Aus diesem Verständnis des Menschen als Person und der Arbeit als personale Tätigkeit entstehen sehr potente Ansätze für genau diese Antworten, wie ein gutes und zukunftsfähiges Wirtschaften aussehen kann. Das umfasst neben gefragten Talenten wie der Kreativität, die so gezielt gestärkt werden können, auch Ansätze, wie das Miteinander von Mensch und Maschine weiter ausgestaltet werden kann. Es ist insgesamt ein integrativer, kein absoluter Ansatz, den Ullrich hier skizziert. Die zwölf kurzen Kapitel sind für sich sehr fruchtbare Impulse und bestens geeignet für eine Reflexion auf der Reise oder bei kurzen Auszeiten.

Der Autor hat sein Buch als Diskussionsgrundlage, als Anregung für die eigene Auseinandersetzung mit dieser Thematik verfasst. Verstärkt wird es von den Aquarellen des Berliner Künstlers Norman Gebauer, der die Gedanken kongenial illustriert hat.

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