Romina Pourmokhtari ist Schwedens jüngste Klimaministerin - und ein Problem für Umweltschützer
Romina Pourmokhtari ist die jüngste Ministerin in der Politik-Geschichte Schwedens. Ist sie auch eine Vorreiterin für das Klima? Quelle: imago

Romina Pourmokhtari ist Schwedens jüngste Klimaministerin - und ein Problem für Umweltschützer

In dieser Ausgabe beschäftigen wir uns mit Schwedens Klimazielen. Das nordische Land galt lange als Vorreiter in der europäischen Klimapolitik. Das ist wohl Geschichte. Die Koalition aus dem rechten Lager sagt, das Land werde seine Klimaziele nicht erreichen.

Am kommenden Montag stellt die Regierung einen Bericht zu der klimapolitischen Lage vor. Greenpeace und der WWF fürchten, dass die Koalition die nationalen Klimaziele kippen könnte.

Zusammen mit Auslandsredaktorin Pauline Voss hat «Planet A» sich ein Bild der Lage gemacht. 


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«Ich dachte, mein Parteichef sei verrückt.» So reagierte Romina Pourmokhtari, als sie hörte, dass sie Schwedens Klimaministerin werden sollte – schliesslich war die liberale Politikerin zu diesem Zeitpunkt im vergangenen Herbst gerade einmal 26 Jahre alt.

«Eigentlich wäre das mein Traumjob in 10 Jahren gewesen», erzählt sie im Podcast «Zero» von Bloomberg. Ihr Parteichef Johan Pehrson aber antwortete: «Wir haben keine 10 Jahre Zeit.» Das gilt nicht nur für die Karriereaussichten seiner Partei, sondern auch für die globalen Klimaziele.

Seitdem ist ein Jahr vergangen, in dem Romina Pourmokhtari ein zentrales politisches Ressort durch eine umstrittene Koalition balancieren musste – und Klimapolitik neu zu definieren versucht. Und das in einem Land, das sich auf diesem stark moralisch konnotierten Terrain als Vorreiter sieht.

Gleich zu Beginn prasselte Kritik auf Pourmokhtari ein. Umwelt-NGO, Grüne und linke Aktivisten erhoben Zweifel an ihrer Entscheidung, sich überhaupt auf das Amt einzulassen. Die Kritik war teilweise politische Routine. Der Mitte-links-Block um die Sozialdemokraten und Grünen, welche die Vorgängerregierungen stellten, hatte bei der Parlamentswahl knapp verloren.

Es gab jedoch weitere Gründe für die Skepsis. Denn die Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Ulf Kristersson – eine Koalition aus Moderaten, Christlichdemokraten und Liberalen – konnte nur zustande kommen dank der Unterstützung der rechtsnationalen und klimaskeptischen Schwedendemokraten.

Diese erhielt im Gegenzug inhaltlichen Einfluss auf das Regierungsprogramm, vor allem bei der Migrationspolitik. Aktivisten warnten davor, dass die Schwedendemokraten auch den Klimakurs der Regierung beeinträchtigen würden.

Noch 2020 hatte die Liberale Pourmokhtari auf Twitter geschrieben: «Ulf Kristersson mit den Schwedendemokraten – nein danke.» Zwei Jahre später hielten Kritiker ihr vor, sie habe nun «ihre Seele für den Posten verkauft».

Sie konterte mit politischem Realismus: Sie habe die Möglichkeit nicht ausschlagen können, für das Klima und die Umwelt zu arbeiten. Und das als jüngste Ministerin in der schwedischen Politik-Geschichte. Immer wieder betont sie, dass ihr das Erreichen der Klimaziele besonders wichtig sei.

Schlechte Stimmung in der Klimabewegung

Führende Umweltaktivisten bei Greenpeace und dem WWF zeigen sich im Gespräch derweil desillusioniert und besorgt. Sie sagen, Pourmokhtari habe sich bisher vor allem durch leere Versprechen hervorgetan, statt klimapolitisch zu liefern. Mehr noch, anstatt in den Dialog zu treten, hätten sogar etablierte Umwelt-NGO Schwierigkeiten, ein Treffen mit ihr zu ergattern.

«Romina Pourmokhtari hat sich geweigert, einen grossen Teil der Klimabewegung, dazu gehören NGO und auch Jugendaktivisten, zu treffen», beklagt Erika Bjureby, die Direktorin von Greenpeace Schweden.

Die schwedische Ministerin macht kein Geheimnis aus ihrer Entscheidung. Sie treffe sich nicht mit Organisationen, die mit Mitteln des zivilen Ungehorsams arbeiteten, sagt sie. Bjureby sagt, diese Haltung sei «schockierend». Ob ihr Ansatz als gewählte Mandatsträgerin taktisch klug ist, ist eine andere Frage.

Die frostigen Beziehungen zwischen Greenpeace und Pourmokhtari haben derweil einen konkreten Anlass. Unter dem gegenwärtigen Premierminister Ulf Kristersson ist das in den achtziger Jahren geschaffene Umweltministerium erstmals jenem für Energie und Industrie unterstellt. 

Aus Protest entwendete Greenpeace die Plakette der Behörde, «um es zu hüten, bis das Umweltministerium wieder eingeführt wird», so Bjureby. Für Pourmokhtari steht seitdem jedoch fest, dass Dieben kein Zugang zu Regierungsbüros gebühre.


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Liberales Aushängeschild – ohne Durchsetzungskraft?

Romina Pourmokhtari suchte schon als Vorsitzende der liberalen Jugendorganisation das Scheinwerferlicht – etwa in einem eigenen Podcast und in einem autobiografischen Buch, das von ihrer Kindheit als Tochter iranischer Flüchtlinge in einer heruntergekommenen Stockholmer Vorstadt handelt.

Sie inszeniert sich gerne. Die deutsche Zeitschrift «Bunte» widmete Pourmokhtari gar ein Porträt: «So tickt sie privat». Die Zeitschrift kann aus einem reichen Fundus an Informationen schöpfen, den Pourmokhtari auf Instagram veröffentlichte. Die junge Generation politischer Postergirls liefert die Bilder gleich selbst mit.

Zwei europäische Diplomaten bestätigen den Eindruck, dass sich die Schwedin erfolgreich in Szene setzen kann. Kurz nachdem Pourmokhtari ihren Posten aufgenommen hatte, reiste sie letzten November auch schon nach Sharm al-Sheikh, um Schweden bei der internationalen Klimakonferenz zu vertreten. Einer, der sie dort erlebt hat, beschreibt sie so: «Sie ist eine solide Politikerin. Sie präsentiert sich gut und zugänglich. Es ist nachvollziehbar, warum sie als ein aufgehender Stern im politischen Himmel gilt.»

Der westeuropäische Diplomat setzt jedoch nach: Trotz dem offensichtlichen politischen Talent sei auch etwas anderes deutlich gewesen. «Sie konnte nicht verbergen, dass diese schwedische Regierung einen anderen Klimakurs fährt. Diese Regierung ist nicht mehr so grün wie früher.»

Klimaziele ade

Seit letztem Herbst ist es auf ihrem Instagram- und Twitter-Profil still geworden, dafür umso lauter um ihre klimapolitischen Vorstösse: Prämien für Elektroautos und Gelder für den Umweltschutz wurden gestrichen.

Die Regierung trennte sich zudem diesen Sommer von spezifischen Ausbauzielen für erneuerbare Energien und verfolgt stattdessen eine «100 Prozent fossilfreie» Energieerzeugung, um den Weg für mehr Atomkraftwerke zu ebnen.

Im September platzte dann eine klimapolitische Bombe. Die Regierung gab in ihrem kürzlich veröffentlichten Haushaltsentwurf für das kommende Jahr zu, dass sie wohl ihre Klimaziele für das Jahr 2030 und 2045 nicht erreichen werde. Gleichzeitig verkündete sie, die Steuer auf Benzin angesichts gestiegener Lebenshaltungskosten zu senken. Auch sollen Fonds für Umwelt- und Klimaprojekte gekürzt werden.

Hohe Energiepreise und die Inflation belasten nicht nur die Haushalte. Auch die Entschlossenheit vieler Politiker, den Verbrauch fossiler Brennstoffe teurer zu machen, leidet unter dem Preisdruck. Kritiker sagen derweil warnend, die Entscheidung werde die Emissionen durch den Verkehr nur weiter in die Höhe treiben, ohne die Menschen wirklich zu entlasten. 

Es kommt nicht unerwartet, dass Schwedens Klimakurs schlingert. Schon Ende März hatten unabhängige Berater die Regierung zum Handeln aufgerufen. Zum ersten Mal seit langer Zeit bestehe die Gefahr, dass der verfolgte Kurs zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen führen würde, sagt das Gremium.

Internationaler Vorreiter

Dabei galt Schweden lange als Pionier in der weltweiten Klimapolitik. Es ist eines der ersten Länder weltweit, die eine CO2-Steuer eingeführt haben. Im europäischen Vergleich gibt es kaum ein Land mit einem grüneren Energiemix, dank Wasserkraft, Biomasse, Wind- und Atomenergie. Innerhalb der EU, die sich international gerne als globaler Vorreiter darstellt, hat Schweden eines der ambitioniertesten Klimaziele überhaupt.

Es war das erste EU-Mitglied, das sich zu netto null Treibhausgasemissionen verpflichtete und vorhatte, das Ziel schon 2045 zu erreichen. Die EU strebt die Klimaneutralität fünf Jahre später an. Mit der Entscheidung profilierte sich Schweden nicht nur innerhalb der Staatengemeinschaft. Das Klimaziel wurde 2017 auch medienwirksam als politische Abrechnung mit Donald Trumps klimaskeptischem Kurs inszeniert.

Heute sind Aktivisten und grün gesinnte Oppositionspolitiker besorgt, dass die Regierung ihre Glaubwürdigkeit und ihren Ruf auf der internationalen Bühne verspielt. Denn die Koalition hinterfragt den grünen Anspruch ihrer links-grünen Vorgänger nunmehr öffentlich.

Am kommenden Montag stellt sie einen Bericht zu der klimapolitischen Lage vor. Greenpeace und der WWF fürchten, dass die Koalition das Ziel für 2045 kippen könnte.

Die Wirtschaftsinteressen gehen vor

Man kann die Wende als Zeichen einer wirtschaftsliberalen Interpretation von Klimapolitik werten, die Pourmokhtari für sich reklamiert. Sie unterstreicht regelmässig, dass Klimapolitik eine Geschäftschance darstelle. Die Bezeichnung «konservativ» lehnt sie vehement ab, wohl auch, um sich von den Schwedendemokraten und den Klimazweiflern abzusetzen. Wie aber will sie ihre Linie glaubwürdig vertreten, wenn am Ende die Emissionen durch ihre Politik ansteigen?

In der schwedischen Zeitung «Dagens Opinion» verteidigte sie die Klimapolitik ihrer Koalition im Juli noch als «grossartig» für das Klima. Mit ihrer Regierung an der Macht gebe es eine grosse Chance für die Industrie, sich zu verändern, um zum Beispiel saubere Batterien und grünen Stahl anzubieten.

«Auf diese Weise können wir die Emissionen nicht nur in Schweden, sondern auf der ganzen Welt reduzieren», sagte sie. Dass eine Regierung auf die industriepolitischen Vorteile der Energiewende setzt, ist im wachsenden Wettkampf mit China und den USA um grüne Weltmärkte sicher richtig. Aber angesichts zunehmender Emissionen klingen ihre Worte dennoch hohl.

Der Druck auf die Ministerin wird steigen. Denn grosse Unternehmen, die schon heute auf Grün umstellen, fordern die Unterstützung von der Regierung ein, die sie versprochen hat. Im April warnten Scania, Volvo und H&M vor einer Abschwächung der Ziele. Die Stimmung zwischen der Umweltbewegung und der liberalen Ministerin verschlechtert sich derweil zunehmend. Romina Pourmokhtari sagte ein Treffen mit Aktivisten erst vor wenigen Tagen wieder ab, so berichten lokale Medien. Die Regierung begründet dies mit Sicherheitsbedenken. Die Aktivisten schäumen.

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Bullerbü war gestern ...

Laurent Maraschin

Owner & Founder of Fiduciaire Luxpremium

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