Scharfe Mutprobe – Dummheit!
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Scharfe Mutprobe – Dummheit!

von Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer I meyer.rechtsanwalts GmbH

In Dänemark wurden vor kurzem extrem scharfe Samyang Buldak Nudelsuppen öffentlich zurückgerufen, weil der Capsaicin-Gehalt der Chilis so hoch ist, dass sie vor allem bei Kindern und gebrechlichen Erwachsenen zu Vergiftungen führen können. "Kannst du eine scharfe Nudelsuppe essen?", so fordern sich Kinder und Jugendliche gegenseitig auf TikTok, Instagram und anderswo heraus. Die Herausforderung besteht darin, den hohen Capsaicin-Gehalt der Suppe aus Chilischoten zu vertragen. Der Anteil an scharfem Chili war in den untersuchten Nudeln höher als in Chili-Chips, bei denen Vergiftungsfälle bei Kindern in Deutschland berichtet werden [Link zur Website der dänischen Veterinär- und Lebensmittelbehörde Fødevarestyrelsen].

Gleiches in Deutschland. Dort hatte es auf den ersten Blick den Anschein eines gewöhnlichen Rückrufs, wenn ein Unternehmen am 3.11.2023 „Hot Chip Challenge“ öffentlich zurückrief, wg. (extrem) hohen Capsaicingehalts [Link].

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Dieser Rückruf hat jedoch andere Dimensionen.

Der scharf brennende Geschmack der Chips wird durch Inhaltsstoffe der Chili aus der Gruppe der Capsainicinoide (wie Capsaicin) verursacht. Das BfR (Mitteilung 39/2023, 30. Oktober 2023) geht davon aus, dass die Schärfe, die von Erwachsenen bei einer Mahlzeit akzeptiert wird, maximal einer Dosis von 5 Milligramm (mg) Capsaicin je Kilogramm Körpergewicht (kg KG) zugeordnet werden kann; dies entspräche einer Aufnahme von 300 mg Capsaicin durch einen 60 kg schweren Erwachsenen über eine Mahlzeit. Bei einer oralen Aufnahme von Chilifrüchten, ihren Zubereitungen und scharf bis sehr scharf gewürzten Speisen etwa aus der traditionellen afrikanischen, arabischen, südamerikanischen oder asiatischen Küche sind keine schwerwiegenden, akut gesundheitsschädigenden Wirkungen zu erwarten. Bei übermäßigem Verzehr dieses Alkaloids wie der „Hot Chip Challenge“ werden jedoch unerwünschte Wirkungen wie Schleimhautreizungen, Übelkeit, Erbrechen und Bluthochdruck beobachtet; schwerwiegende Vergiftungen werden in der internationalen Literatur bei kleinen Kindern durch die Aufnahme von Chilizubereitungen beschrieben. Das BfR empfiehlt daher, Chili- und andere Würzsaucen sowie Produkte mit Gehalten von über 100 mg Capsaicin je Kilogramm Lebensmittel zu kennzeichnen und die Verpackungen mit kindersicheren Verschlüssen zu versehen.

In einer neuen Stellungnahme 027/2024 vom 21. Juni 2024 hob das BfR nochmals hervor, dass hohe Capsaicin-Gehalte gesundheitliche Risiken bergen können.

In Anbetracht des Vorangestellten sind Lebensmittel wie das „Hot Chip Challenge“ unsicher i.S.v. gesundheitsschädlich nach Art. 14 Abs. 2 a BasisVO 178/202. Der Rückruf insofern konsequent, und wäre schon früher veranlasst gewesen. Der Produktname legt es schon nahe und liest sich wie eine Aufforderung, eine entspr. „Challenge“ zu wagen. Gerade Kinder und Jugendliche sind hierfür empfänglich, wie die enorme mediale Aufmerksamkeit dieses Phänomens zeigt, verbreitet über Social Media wie TikTok, wo die Teilnahme an dieser „Herausforderung“ mit Videos oder Fotos hedonistisch abgefeiert wird. Dies muss sich der Lebensmittelunternehmer zurechnen lassen. „Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel sicher ist oder nicht, sind die normalen Bedingungen seiner Verwendung durch den Verbraucher zu berücksichtigen“ (Art. 14 Abs. 3 BasisVO 178/2002). Zu den Pflichten eines Unternehmers gehört es eben auch, zu beobachten, was am Markt mit seinem Produkt geschieht (Produktbeobachtung bzw. Produktbeobachtungspflicht; grundlegend BGH VI ZR 65/86 „Honda“-Fall). Ob sich das Produktangebot nur an Erwachsene richtet, ist deshalb unerheblich.


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