Science Fiction oder Realität? Zweitwohnsitz auf dem Mond
Liebe Leserinnen und Leser,
Eugene Cernan (Foto unten) aus Chicago, Illinois, verließ am 14. Dezember 1972 den Mond. Vermutlich war ihm selbst nicht klar, dass er das Licht ausschalten und den Laden abschließen sollte, weil nach ihm lange niemand mehr kommen sollte. Genau dazu aber hatte sich die Geschichte verschworen. Seit dem Mann aus Illinois, Heimatstaat des legendären Abraham Lincoln, hat kein Mann mehr den Mond betreten. Und eine Frau war sowieso noch nicht dort oben – Gleichberechtigung wurde in den 1970er Jahren noch kleingeschrieben.
Ein halbes Jahrhundert lebte der Mond allein mit sich und seinem blassen Glanz, ganz unbehelligt von den Menschen. Die letzten Abdrücke der Moonboots des Eugene Cernan liegen nun fast 50 Jahre im Feinstaub der Mondoberfläche zurück. Nach Cernan fand es niemand mehr der Mühe wert, dem Erdtrabanten einen Besuch abzustatten.
Nun aber bahnt sich die Rückkehr zum Mond an. Die Menschheit hat kollektiv festgestellt: Sich allein nur noch auf die Erde zu konzentrieren, macht diese auch nicht unbedingt besser. Worum es geht? Um nicht weniger als die Errichtung einer dauerhaften Basis auf dem Mond.
Man könnte auch sagen: Es geht um die Kolonisierung des Mondes. Wir stehen – diesen Vergleich darf man wagen – vor einem Mayflower-Moment. Jenem Sinnbild der Kolonisierung, der Auswanderung und des Bestrebens, eine wilde Gegend urbar zu machen und der Zivilisation zu beugen.
Zur Fahrt auf den Mond schicken sich derzeit allerlei Missionen an. Doch anders als ihre Vorfahren sollen die neuen Besucher im All nicht nur eine Stippvisite abstatten. Nein, sie sollen auf der Mondoberfläche leben, arbeiten, forschen, dort Rohstoffe abbauen und das Universum erkunden.
Auch wenn viele Menschen glauben, der Mond sei nur eine Staubwüste, durchzogen von Kratern und Rissen, so tief, dass die Sonne nie hineinfällt, ist dieses Bild doch unvollständig. Der Mond hält Schätze von ungeahntem Wert bereit. Und diesen Schätzen rückt nun eine Armada von Forscherinnen und Forschern auf die Schatulle.
Warum sonst wäre ein neues Rennen zum Mond entbrannt? Die NASA startet mit dem Artemis-Programm die Nachfolge der Apollo-Missionen. China und Russland gaben im Juni 2021 bekannt, dass sie bis 2035 eine eigene Mondstation aufbauen wollen. Das klingt nach einem überambitionierten Ziel, doch das muss es nicht zwangsläufig sein.
Die Station auf dem Mond hat durchaus ihre Daseinsberechtigung. Forschung, Bergbau und interstellare Reisen sind nur mit einer Infrastruktur auf dem Mond möglich. Sie soll Astronautinnen und Astronauten Platz und Sicherheit gewährleisten.
Wie könnte eine solche Mondstation aussehen? Die NASA plant nach dem jetzigen Stand eine Art aufblasbares Notquartier. Nicht sehr gemütlich. Gibt es da nicht nur bessere Lösungen? Damit haben sich 21 Forscherinnen und Forscher im Rahmen des Space Studies Program der International Space University in Straßburg intensiv beschäftigt. Herausgekommen ist ein Konzept-Papier „Solutions for the Construction of a Lunar Base”. Eine Idee für den schnellen, kosteneffizienten Bau einer permanenten Mondstation: die Rosas Base. Uns beim Tech Briefing ist dieses Papier kürzlich in die Hand gefallen und wir wollen es hier in Grundzügen vorstellen. Auch wenn der Plan nicht genau so umgesetzt wird, gibt er doch interessanten Aufschluss über zwei Themen: wie offen der Ideenwettbewerb um die Besiedlung des Mondes derzeit geführt wird. Und wie groß die Schwierigkeiten sind, mit denen man dabei zu kämpfen hat.
Kurzum: Wir sprechen hier über eine pure Idee und ein wissenschaftliches Papier. Ob diese Mondstation tatsächlich irgendwann gebaut wird, steht in den Sternen, doch das Konzept ist so faszinierend, dass es eine besondere Aufarbeitung verdient:
1. Wo lässt sich auf dem Mond eine Mondstation aufbauen?
Hauptrolle in dem Plan spielt das Starship von SpaceX, die größte jemals gebaute Rakete. Das Starship ist von der NASA auserkoren worden, als Raumfrachter zum Mond zu verkehren, um Material und Nachschub dorthin zu bringen.
Im ersten Schritt gilt es, einen Landeplatz für Starships und einen Standort für die geplante Mondbasis zu finden. Der Standort sollte möglichst viel Sicht auf die Erde bieten. Und es muss hell sein. Schließlich möchte man die Mondbesucher nicht in eine sofortige Depression wegen zu großem Heimwehs und mangelnden Lichts stürzen. Der Standort muss sich gleichzeitig in der Nähe zu Eis befinden. Damit kann die Versorgung der Crew mit Wasser und Sauerstoff gesichert werden.
Wer unsere Folge im Sommer zu Ressourcen auf dem Mond gehört hat, der weiß, dass sich Eis entweder auf der Dunklen Seite des Mondes befindet – hier möchte niemand eine Mondstation bauen. Oder in den tiefen Kratern und Ritzen der Mondoberfläche.
Die Wahl des Konzept-Papiers ist auf den Rand des Shackleton-Kraters am Südpol des Mondes gefallen. Hier sollen die Raumschiffe landen und die Basis aufbauen. Eis liegt tief im Krater und Blick auf die Erde gibt es rund ums Jahr.
2. Wie kommt die Mondstation überhaupt zum Mond?
Ein SpaceX Starship – das Raumschiff SS Rosas – soll mit Ausrüstung und Vorräten ausgestattet zum Mond fliegen. Dieses Starship wird anschließend zur Mondstation umgebaut, wie uns Alexandra Sokolowski, Mitautorin des Lunar Base-Paper und VP Sales Space Products at AAC Clyde Space im Interview erklärt:
„Wir haben uns ein Starship von SpaceX vorgenommen, um es dann zu einer Mondstation umzubauen. Denn die Struktur ist bereits da. Wir würden die Station dann mit Regolith bedecken und damit einen sehr großen Lebensraum auf dem Mond schaffen.“
Ein weiteres Starship – die SS 501 – bringt die Astronauten auf den Mond. Die Astronauten beginnen dann mit der Hilfe ferngesteuerter Mond-Rover – sogenannten Morocas (MOdular RObotic Construction Autonomous System) – mit dem Umbau der SS Rosas zur Rosas-Basis.
3. Warum eignet sich ein Starship als Mondbasis?
Das Starship ist das größte Raumschiff, das jemals gebaut wurde. In seiner 1100 Kubikmeter großen Kammer kann das Starship bis zu 100 Tonnen Last zur Mondoberfläche befördern. Die Rakete verfügt außerdem über zwei große Tanks. Sie sind gefüllt mit Methan und Sauerstoff und fassen ein Volumen von bis zu 800 Kubikmetern. Der Raum in diesen Tanks soll auf dem Mond dann als Wohnraum und Arbeitsplatz genutzt werden.
4. Wie baut man eine Mondstation?
Die Morocas bereiten das Gelände vor und bringen die SS Rosas in die Horizontale. Danach kann die Crew mit dem Aufbau der Infrastruktur beginnen.
Zuerst werden die Tanks vollständig geleert. Zum Glück ist der Inhalt ungefährlich für die Menschen. Stefan Amberger, Teamleiter des Lunar Base-Paper, erklärt:
„Methan und Sauerstoff sind nur stark gekühlt flüssig. Im Weltraum verdampfen sie ohne Rückstände.“
Das Innere des Raumschiffs wird dann in drei gleich hohe Stockwerke unterteilt, die durch Treppen miteinander verbunden sind. Die Crew zieht Zwischenböden und Wände in die Tanks ein, verkleidet die Innenwände mit Isoliermaterial, installiert Wassertanks und Belüftung und baut Betten, ein Fitnessstudio, Labore, Krankenstation und Wohnbereiche ein.
Sobald das SS Rosas zur Rosas-Basis umgebaut ist, muss im Inneren eine Standardatmosphäre geschaffen werden. Das bedeutet: 0,5 bar, 25 Grad, 42 Prozent Sauerstoff, 56 Prozent Stickstoff und 2 Prozent Kohlendioxid und andere Spurengase.
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Die Mondbasis wäre nun bereit zur Nutzung. Alexandra Sokolowski:
„Wir würden Forschung betreiben, zur Nutzung der Ressourcen, die vor Ort sind. Wir würden versuchen, Wasser auf dem Mond zu gewinnen und aus dem Mondgestein Baumaterialien herzustellen. Und Teile dieser recht großen Mondbasis können auch vermietet werden an kommerzielle Unternehmen.“
Die Mondbasis – also die Rosas-Basis – soll zusätzlich mit einer drei Meter dicken Regolithschicht abgedeckt werden. Sie soll Mensch und Material vor kleinen Meteoriten und vor Strahlung schützen.
5. Wie überleben Menschen auf dem Mond?
Der Mond ist für den Menschen eine lebensfeindliche Umgebung. Stefan Amberger:
„Die Hauptprobleme sind die Strahlung, Mikro-Meteoriten, die fehlende Gravitation und der Staub.“
Ja, tatsächlich ist Staub das größte Problem. Regolith besteht aus sehr feinem, scharfen und auch chemisch aktiven Staub. Verschärft wird die Situation durch die niedrige Gravitation, die gerade einmal ein Sechstel der Gravitation der Erde ausmacht. Es müssen daher alle Vorkehrungen getroffen werden, damit der Staub nicht in die Raumanzüge oder ins Innere der Station dringt. Stefan Amberger:
„Wenn man das filtern muss, dann ist es eigentlich schon zu spät.“
Auch abgesehen vom Staub ist der Mond nicht gerade ein kuscheliges Wohnzimmer. Im Weltall herrscht eine hoch-energetische, galaktisch-kosmische Strahlung. Während wir auf der Erde gut vor dieser Strahlung geschützt sind, bekommen wir sie am Mond voll ab. Das führt zu Strahlenvergiftungen und auch zu Mutationen in der menschlichen DNA.
Tatsächlich – und es klingt jetzt wirklich nach Science Fiction – gibt es vielversprechende Forschungen, wie Strahlenschäden vorgebeugt werden kann. Ein Vorreiter auf diesem Gebiet ist Professor Christopher Mason (Foto oben) von der Cornell University, der an den Langzeitfolgen für den Körper im All forscht. Er erklärt in diesem Interview, wie die Astronauten vor Strahlung geschützt werden können:
„Es gibt kleine Enzyme, kleine Proteine, die unsere DNA nach Brüchen scannen und sie so reparieren könnten. Diese Reparaturgene könnte man im Labor aktivieren, bevor man in den Weltraum fliegt. Das nennt man epigenetische CRISPR-Therapie.“
6. Wie wird Energie gewonnen?
Das Team der International Space University kommt zu dem Schluss, dass sich kleine Kernreaktoren aufgrund ihrer Kompaktheit und Leistung besonders für Weltraummissionen eignen. Stefan Amberger:
„Kleine Kernreaktoren. Sie funktionieren im Schatten wie in der Sonne.“
Zusätzlich werden Sonnenkollektoren installiert. Doch das reicht nicht aus. Die Raumstation wird mehr Energie benötigen als durch Solarenergie erzeugt werden kann. Sowohl die Förderung des Eises aus dem Krater als auch die Aufspaltung des Wassers in Wasserstoff und Sauerstoff zur Produktion von Treibstoff dürfte große Mengen an Energie verschlingen.
7. Warum wollen wir auf den Mond?
Laute Kritik an einer festen Basis auf dem Mond gibt es zur Genüge. Viele Menschen sehen die Aktion als Geldverschwendung an.
We beg to differ! Wir vom Tech Briefing sehen drei starke Gründe für die Besiedlung des Mondes:
Erstens: Selbst wenn die Milliarden nicht für die Mondstation ausgegeben werden würden, kämen sie auf der Erde nicht automatisch einem guten Zweck zur Hilfe. Menschen verpulvern Ressourcen für Unsinn, Krieg und Verbrechen, auch wenn sie nicht versuchen, auf den Mond zu kommen. Alternative Mittelverwendung spricht daher nicht zwingend gegen eine Mondstation.
Zweitens: Investitionen in die Weltraumforschung sind Investitionen in die Zukunft. Auf dem Mond ist Forschung möglich, wie wir sie auf der Erde nie betreiben können. Medizin und Pharmazie erwarten ungeahnte Durchbrüche. Raumfahrt ist Innovationstreiber, von dem Technik, Medizin und Wirtschaft profitieren werden.
Drittens: Der Mond birgt wertvolle Rohstoffe. 600 Tonnen Helium-3 liegen dort. Dieser Rohstoff ist die Basis der Kernfusion. Wenn es uns gelingt, diese Energiequelle zu erschließen, kommen wir dem Ziel sauberer und sicherer Energie deutlich näher.
Alexandra Sokolowski:
„Für viele Staaten bedeutet es Prestige, auf dem Mond eine Forschungsstation zu betreiben. Sie versprechen sich Innovation und Wachstum durch die Entdeckung neuer Technologien.“
8. Internationale Kooperation wäre schön, ist aber unwahrscheinlich
Der Traum von einer friedlichen internationalen Mondbasis, einer globalen Kooperation im Weltall, könnte schnell ausgeträumt sein. Irdische Konflikte landen sicher schnell auf dem Trabanten. Jede Mondstation muss von einem Land oder einer Organisation finanziert werden. Grundsätzlich gehört der Mond niemandem. Doch die Infrastruktur, die man dann mit diesen Geldern baut, gehört irgendjemandem.
Die Länder, die eine Station gemeinsam gebaut haben, die diese finanziert haben, wollen diese vermutlich für sich behalten. Diese Mondstationen unterliegen den jeweiligen Gesetzen der zahlenden Länder. Alexandra Sokolowski:
„Internationale Kooperationen auf dem Mond sind nicht ganz einfach, alleine wegen der aktuellen Gesetzgebung werden wir unsere internationalen Konflikte vermutlich mit auf den Mond nehmen.“
Ad Astra!
Ihnen und Euch weiterhin einen erfolgreichen Tag.
Herzlich
Smart World in Green®
2 JahreSuper Beitrag. Davon habe ich mal geträumt und es ist immer noch faszinierend und eigentlich schon oder fast möglich. Heute jedoch gibt es hier ein paar sehr "wilde Menschen", die man besser auf dem Mond in Pension schicken sollte.
"Der einzige Weg, großartige Arbeit zu leisten, ist zu lieben, was man tut."
2 Jahre"To the Moon.Then Mars."🚀