Sich mal wieder die Karten legen – Der Zauber von Kulturgesprächen
In sämtlichen Persönlichkeitsseminaren und Coachings, an denen ich bisher teilnehmen durfte und die sich mit dem Themenkomplex Feedback auseinandergesetzt haben, galt immer eine Devise: Beachte die Feedback-Regeln. Formuliere das Feedback subjektiv aus Deiner persönlichen Sicht, werde konkret mit Beispielen und sprich darüber, was es in Dir ausgelöst hat. Aber vor allem gib Feedback zeitnah zu einer Beobachtung. Am besten unmittelbar.
Wer Führungskraft ist, weiß aber auch, dass Zeit oftmals Mangelware ist – leider. Zu oft sind fachliche Abstimmungen Gegenstand von Jour Fixen und für die Feedbacks bleibt nicht immer Zeit. Natürlich arbeitet man dran, sich mehr auf die eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren, aber mal ehrlich, wem gelingt es schon dauerhaft.
Kultur-Feedback sind absichtlich nicht zeitnah
Bei Swiss Life haben wir sogenannte Kultur-Feedbacks eingeführt. In regelmäßigen Abständen sich Zeit nehmen und darüber sprechen, wie man die gemeinsame Zusammenarbeit verbessern kann. Dabei verstoßen wir explizit und mit voller Absicht gegen eine goldene Regel: Zeitnah Feedback zu geben. Es soll ein Gespräch sein, das auch Gefühlen Raum geben darf, Auskunft gibt, was einem am persönlichen Miteinander gefällt oder wo rote Knöpfe gedrückt werden. Und ein Gespräch, in dem man darüber spricht, was man in Handlungen, Äußerungen und Bemerkungen möglicherweise interpretiert hat und was einem am Ende des Tages antreibt.
Als wir damit gestartet sind, war man sich nicht sicher, wohin das führt. Mittlerweile machen wir das in der Unternehmenskommunikation bei Swiss Life neben den Regel-Feedbacks in Jour Fixen, Zwischengesprächen und Zielvereinbarungen mindestens alle sechs Monate und mit einer Zeit von mindestens 90 Minuten. Gefühlt werden diese Kulturgespräche zunehmend besser, weil man noch mehr Bezug nimmt, auf Entwicklungen eingehen kann und zwischen den Gesprächen viel aktiver beobachtet.
Wer Kultur-Feedbacks bei sich auch einführen mag, dem habe ich hier meine Learnings aufgeschrieben, worauf es ankommt:
1 Vorbereitung ist das A und O
Im Vorfeld der Kulturgespräch gibt es immer eine Hand voll Fragen, die zur Vorbereitung dienen können:
Wie hast Du die Zusammenarbeit in den letzten Wochen erlebt, was hat Dir gefallen, was hat Dich gestört?
Was möchtest Du dazu beitragen, dass die Zusammenarbeit verbessert wird?
Was erwartest Du Dir von mir, damit die Zusammenarbeit verbessert wird?
Was sind Deine Wünsche und wie können wir diese erreichen?
Wichtig ist am Ende, dass beide Feedback-Geber eine aktive Rolle einnehmen. Es beginnt immer bei einem selbst. Darüber zu reflektieren und sich vorzubereiten, hilft, um das Gespräch gemeinsam zu entwickeln.
Was zur Vorbereitung ebenfalls hilft, sind Beobachtungsnotizen. Vergeht eine längere Zeit, vergisst man auch gern das ein oder andere. Die meiste Zeit seines Tages verbringt man mit den Kolleg*innen und man erlebt sehr viel miteinander. Man gewöhnt sich an, kleinere Beobachtungen zu notieren, auf die man im Kultur-Feedback eingehen kann. Das sind meist Anlässe, die nicht für ein unmittelbares Feedback reichen, eher Wahrnehmungen, die einen aber dennoch beschäftigen. Darauf Bezug zu nehmen, ist für den Feedbacknehmer dann besonders wertvoll.
2 Alles darf gesagt werden: Jeder ist von Grund auf gut
Eine wichtige Spielregel bei diesen Gesprächen ist die Freiheit des Gedankens. Wir vereinbaren den Ansatz, dass wir es gegenseitig gut meinen und von daher ist es auch wichtig, dass man sich die Karten ehrlich legen darf. Nur dadurch kann man Störgefühle vermeiden. Die einzige Konsequenz aus den Feedbacks ist nämlich, sich besser zu verstehen und die Zusammenarbeit dadurch zu verbessern. Aus dem Grund darf und soll auch alles gesagt werden, was einem auf dem Herzen liegt. Eine Kultur, in der man sich aus ehrlichem Interesse Feedback gibt, hält alles aus!
3 Man lernt durch Feedbacks mehr über den Feedbackgeber
Klar, aus den Feedbacks lernt vieles über die eigene Wirkung. Wir lernen aber durch das Feedback vor allem den/die Gegenüber besser kennen: Wir verstehen die Motive und Persönlichkeitsstrukturen, vielleicht sogar auch in die Werte. Zu Beginn eines jeden Gesprächs machen wir uns klar, dass wir durch das Feedback auch uns jeweils öffnen werden. Dadurch wird die Atmosphäre angenehm und ausgeglichen man begegnet sich unmittelbar auf Augenhöhe.
4 Aus Feedbacks lernen heißt auch ausprobieren
Natürlich hilft ein Kultur-Feedback allemal, sich besser zu verstehen und kennenzulernen. Im besten Fall aber findet man gemeinsam auch Möglichkeiten, aus den Feedbacks zu lernen. Dann sollte man aber auch den Praxistest machen: kann ich die Learnings umsetzen, kann ich mein Handeln etwas anpassen und mehr darauf achten, auf die Bedürfnisse einzugehen. Ein Feedback allein reicht nicht, dass man sich ändert. Aber es nachzuhalten, selbst zu reflektieren und immer wieder zu testen, wie es ist, sein Handeln anzupassen, hilft schon sehr, um einem Feedback Gewicht zu verleihen. Es entsteht Verbindlichkeit und aus dem Interesse am Wohlergehen des Anderen entsteht ein Sich-Kümmern um das Wohlergehen des Anderen.
5 Was sind Deine Werte?
Mach Dir im Rahmen der Kultur-Feedbacks Gedanken über Deine eigenen Werte. Was ist das wiederkehrende Motiv in Deinem beruflichen (vielleicht auch privaten) Leben - welche Werte würdest Du bis zuletzt verteidigen? Und überlege dann, wie die Feedbacks darauf eingezahlt haben. Haben Sie Dich bestärkt und wurden Knöpfe gedrückt könnten Fragen sein, die Du Dir im Anschluss stellen kannst. So erfährst Du auch noch mehr über Dich selbst und bekommst einen spürbaren Abgleich zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung.
Am Sonntag Bock auf Montag
Swiss Life ist ein mittelständisch geprägtes Unternehmen im Konzernverbund. Wir haben immer viel zu tun und arbeiten hart an unseren Erfolgen. Basis dafür ist sicherlich auch unsere Kultur – wir begegnen uns auf Augenhöhe und das Argument zählt unabhängig von Schulterklappen und Hierarchien. Dass wir uns im Unternehmen so viel Zeit nehmen für Kulturelles, Fortbildungen, Kulturreisen, Eigenverantwortung und Feedbacks erlebe ich sehr positiv und ist sicher auch die Basis unseres Erfolgs. Viel und hart zu arbeiten, geht immer besser, wenn es auch Spaß macht. Ich folge der Maxime: Gestalte die Arbeit so, dass man Sonntag Bock auf Montag hat. Ich finde das einen guten Indikator zur Zufriedenheit auf der Arbeit und die Stimmung und das Miteiander/Füreinander ist dafür kriegsentscheidend. Mit Kulturfeedbacks kommen wir dem einen kleinen Schritt näher. Probiert es aus!
Geschäftsführerin, Speaker and Specialist: IT-Solutions ~ Financial Services ~ Project Management ~ ESG
4 JahreLieber Herr Heller! Danke für den Einblick in die Swiss Life Kulturgespräche. Ich beschäftigte mich seit geraumer Zeit mit den Nachhaltigkeitskriterien hinter E, S und G. Und während das „E“ schon ziemlich gut erschlossen scheint, sind insbesondere die „S“ozialen Komponenten noch wenig konkret. Sie beschreiben in Ihrem Beispiel einen Weg, mit Kolleg*Innen nachhaltig wertschätzend umzugehen! Weiterhin alles Gute für den Sustainbility Lead!