Sinn im Beruf. Alles purpose?
Die Frage nach dem Sinn unseres beruflichen Tuns hat an Relevanz gewonnen, keine Frage. Nicht zuletzt durch das Bestreben der Unternehmen, ihrem Handeln eine stärkere gesellschaftliche Bedeutung beimessen zu wollen, erfährt das Thema über das Marketing hinaus eine größere Beachtung. Das Credo so mancher Unternehmen: Wir leisten einen wertvollen Beitrag und bieten damit Arbeitnehmern einen sinnvollen Workspace und Heimathafen. Mal eben schnell auf den Nachhaltigkeits-Express aufgesprungen, klimafreundliche Ziele formuliert und eine Imagekampagne rausgehauen. Also „Alles purpose“ jetzt?
Auf Sinnsuche gehen
Auch aus der persönlichen Perspektive ist die Sinnfrage für viele Menschen bedeutsam. Selten zu Beginn unseres beruflichen und privaten Lebensweges, da sich hier andere Motive und Themen aufdrängen. Wir bahnen uns nach bestem Wissen mit unserem Talent und etwas Glück den Weg, im Dickicht einer schier unüberschaubaren Berufslandschaft. Und eh wir uns versehen, ist die Beziehung fest, Kinder sind vielleicht da und das Karussell der Möglichkeiten stagniert. „Die Sinnfrage wird präsenter, wenn die Existenzgrundlage gesichert ist und ich möglicherweise Routine und Stagnation erlebe“ (Prof. Theo Wehner, 2014, sinnforschung.org, Uni Innsbruck).
Bedeutsamkeit ist der Schlüssel
Unternehmen müssen sich heute mehr den je die Frage stellen, wie Sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter binden und mit guten Herausforderungen eine berufliche Perspektive bieten. Dies gelingt besser in einer Unternehmenskultur und Arbeitsatmosphäre, wo Menschen gerne arbeiten und sich ihre Talente auch entfalten können. Schafft es das Unternehmen, eine kollegiale Gemeinschaft zu entwickeln, wächst das Gefühl der Zugehörigkeit. In Verbindung mit einer klaren Zielorientierung und einem erlebbaren Wertekanon sind es drei zentrale Fragen, welche die persönliche Bedeutsamkeit zum wichtigsten Kriterium für Sinnstiftung machen: „Für wen oder was haben meine Arbeitshandlungen positive Folgen, Konsequenzen oder Einfluss? Erlebe ich Autonomie? Und wird mir Kompetenz zugesprochen?“ (Prof. Tatjana Schnell, 2014, sinnforschung.org, Uni Innsbruck).
Sinnkrisen und berufliche Identität
Viktor Frankl (Psychiater & Neurologe, 1905-1997) hat bereits festgestellt, dass mit der Sinnhaftigkeit der beruflichen Tätigkeit das Engagement sinkt oder steigt. Sinnerfüllung hat also einen positiven Einfluss auf unser Wohlbefinden. Dieses kann in der mittleren Lebensphase ins Wanken geraten. Manche Menschen spüren intuitiv, dass sich in ihrem Lebensumfeld etwas verändert oder sie selbst eine Veränderung möchten. Gesundheitlich ernst wird es, wenn sich der Sinnverlust mit mentalen und körperlichen Erschöpfungssymptomen einstellt und Plan- oder Orientierungslosigkeit im beruflichen Kontext nach sich zieht. „Die Sinnkrise ist eine Berufs- und Lebenskrise, das Selbstkonzept und die Berufsidentität stehen in Frage“ (Rudow, 2004, Das gesunde Unternehmen).
Kraftvoll und gelassen neu orientieren
Viele Unternehmen befinden sich momentan in einer Übergangsphase, die weitreichende Veränderungen für die Form der Zusammenarbeit nach sich zieht. Atmosphäre, Rollenrespekt und sympathische KollegInnen sind die halbe Miete. Und das Gehalt sollte den Anforderungen angemessen sein. Einen „purpose“ braucht es deswegen nicht zwingend. Es ist aber auch sicher kein Nachteil, wenn er denn halbwegs glaubwürdig formuliert und keine strategische Marketing-Ente ist. Für uns ganz persönlich ist jedoch eine andere Frage wichtig, die wir nur uns selbst beantworten können: „Was ist es, dass mein eigenes Leben sinnvoll macht?“ (Prof. Michael Boldt, 2019, HS Philosophie München).
Tipp: Gehen Sie aufmerksam, achtsam und mit Geduld dieser Frage auf den Grund. Mit der Zeit werden sich die Lebensinhalte und Ziele rauskristallisieren, die Sie mit Verve und Leidenschaft in die kommenden Lebensabschnitte tragen.