So sollten Arbeitszeugnisse für obere Führungskräfte formuliert sein

So sollten Arbeitszeugnisse für obere Führungskräfte formuliert sein

Das deutsche Arbeitszeugnis ist weltweit einmalig und völlig aus der Zeit gefallen. Es sollte dringend reformiert werden. Diese These habe ich bereits im Juni 2010 im Leitartikel des Fachmagazins „Personalwirtschaft“ beschrieben und meinen Reformappell begründet. Leider blieb dieser Appell ungehört und so müssen wir uns heute immer noch mit der typisch deutschen Arbeitszeugnis(un)kultur auseinandersetzen.

Durch immer größere berufliche Mobilität werden Führungskarrieren immer internationaler und es stellt sich die Frage, ob eine deutsche Konzern-Führungskraft, die in der deutschen Niederlassung einer internationalen Matrixorganisation mit ausländischer Zentrale mit deutschem Arbeitsvertrag angestellt war und zeitweise auf verschiedenen Kontinenten gearbeitet hat, ein deutsches Arbeitszeugnis ausgestellt bekommen soll oder ob sie ihre Bewerbungsmappe mit persönlichen Empfehlungsschreiben ihrer ehemaligen Vorgesetzen anreichern soll. Diese Frage ist unbeantwortet und obliegt den Entscheidern im Einzelfall.

Sicher ist soviel: Sehr gute deutsche Arbeitszeugnisse sollten nicht nur vollverformelt aus Textbausteinen bestehen sondern es sollte sich erkennbar jemand die Mühe gemacht haben, die konkreten Verantwortlichkeiten und die daraus entstandenen Erfolge in einen konkreten Zusammenhang zu bringen und frei formuliert in positiver Weise zu beschreiben. Und es sollte nicht i.A. oder i.V. von Mitarbeitern der Personalabteilung ausgestellt sein, sondern hochrangig unterschrieben werden. Links der Fachvorgesetzte, rechts der Personalchef. Sonst ist das beste Arbeitszeugnis wertlos.

Der Leser eines typisch deutschen Arbeitszeugnisses will im Text zum Beispiel die Worthülse „…jederzeit zu unserer vollsten Zufriedenheit…“ lesen. Der Germanist, der zurecht bemerkt, dass ein volles Fass durch weitere Befüllung nicht vollst wird sondern überläuft, bleibt ungehört. Wenn dieser Germanist seinem Mitarbeiter die sehr gute Leistung dann mit „…voller Zufriedenheit…“ bescheinigt, erkennt man das Sender-Empfänger-Problem.

Es wird nicht alles so verstanden, wie es gemeint ist und so öffnet sich eine reiche Quelle epischer Missverständnisse, Ungerechtigkeiten, Erpressungspotentiale und Rechtsstreitigkeiten.

Aber man reformiert diesen unmöglichen Zustand nicht sondern spielt das Spiel nach den altbekannten Regeln weiter mit den bekannten Auswirkungen. Im Jahr 2010 wurden 33.000 Gerichtsverfahren zu Streitigkeiten über Zeugnisformulierungen vor deutschen Arbeitsgerichten verhandelt. Mit jedem Verfahren beschäftigt sich ein Kläger und ein Beklagter jeweils nebst Rechtsanwälten, ein Arbeitsrichter, eine Personalabteilung und ein Heer von Beratern, die sich auf das Formulieren von Arbeitszeugnissen spezialisiert haben, ohne den Auftraggeber je kennen gelernt zu haben. Welche Ressourcenverschwendung!

Tatsächlich nimmt kaum ein Personalentscheider ein ordentlich ausgestelltes Arbeitszeugnis heute noch wirklich ernst, denn jedem ist klar, dass die meisten Arbeitszeugnisse inzwischen vom Mitarbeiter selbst geschrieben wurden. Die Crux ist: Trotzdem kann ein schlechtes oder fehlendes Arbeitszeugnis eine Anstellung verhindern und somit die Karriere ruinieren.

Bei Unklarheiten zum Zwischenzeugnis oder zum abschließenden Arbeitszeugnis muss immer der Einzelfall betrachtet und eine individuelle Lösung herbeigeführt werden. Manchmal kann es vorteilhaft sein, als Ersatz für ein fehlendes oder schlechtes Zeugnis ein in englischer Sprache formuliertes Empfehlungsschreiben „To whom it may concern“ aufzusetzen. Manchmal ist es möglich, eine Korrektur des vorhandenen Zeugnisses zu erbitten.

Pauschale Empfehlungen hierzu sind schwierig und würden den Rahmen eines Blogs sprengen. Nehmen Sie bei Bedarf Kontakt mit uns auf und wir werden uns eine Lösung überlegen.



Zum Autor: Frank Adensam berät seit über 30 Jahren Menschen „between two Jobs“ und hat inzwischen weit über 3.000 Karrieren entscheidend mitgestaltet. Seit über 20 Jahren konzentriert er sich hierbei auf obere und Top-Führungskräfte mit 6-stelligem Jahresgehalt. Er arbeitet mit einem hochqualifizierten Beraterteam im Herzen Mannheims direkt am weitbekannten Mannheimer Wasserturm.

Er ist heute einer der erfahrensten Karriereberater Deutschlands und der Begründer des Executive Placement, einer konzeptionellen Weiterentwicklung der klassischen Outplacementberatung mit speziellem Zuschnitt auf die hohen Anforderungen von oberen und Top-Führungskräften.

Frank Adensam

Senior Executive Placement Berater

2 Jahre

Danke für die Blumen, liebe Frau Schneider

Britta Schneider

Personalberatung / Business Coaching

2 Jahre

Lieber Herr Adensam, wie immer ein schön geschriebener Artikel mit viel Wahrem darin. Ich bin ganz bei Ihnen, es gibt viel Luft nach oben um Zeugnisse zu verbessern. Ganz darauf verzichten möchte ich nicht. Es ist eine offizielle Beschreibung der Aufgaben und Tätigkeiten, die der inzwischen weit verbreiteten "ich habe alles gemacht, ich bin sowieso die Beste" Kultur wenigstens etwas Einhalt gebietet.

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen