System und Politik
Heute Morgen bin ich in Twitter über diesen Ausschnitt eines Interviews mit Fritz Simon gestolpert. Spontan dachte ich, dass ich die Aussage teile, nur Beispiele würde ich andere wählen, eher Tempolimit und Maskenpflicht. Und während ich das geteilt habe, bin ich weiter ins Nachdenken gekommen.
Systeme haben Spielregeln, in Demokratien wie der unseren, ist das nicht einfach, denn die Rechte (Freiheiten) des Einzelnen müssen mit denen der anderen abgeglichen werden, und der Mehrheits-Wille sollte die Richtung bestimmen, sofern er mit dem Grundgesetz – quasi den unveränderlichen (naja wohl besser stabilen) Grundregeln – vereinbar ist. Eine der Hauptschwierigkeiten in einer Demokratie ist dabei das Auspendeln zwischen der Freiheit des einen und dem Schutz des anderen. Und natürlich ist es am besten, wenn manche Regeln erst gar nicht verabschiedet werden müssen, weil sich alle – naja mehr oder weniger 😉 – daranhalten. Dieses Verhalten kann Politik fördern, indem sie Anreize setzt.
Aktuell irritiert mich vor allem, dass die Anreize so gar nicht in Richtung der verbal verkündeten, gemeinsamen und zunehmend freiwilligeren Regeln gehen. Der verbal angeregte achtsame Umgang mit Pandemie wird begleitet davon, dass PCR-Tests den Ärzten nicht mehr erstattet werden, kranke Menschen sollen ab Mai mit der Begründung „Systemüberlastung“ arbeiten kommen, AU nur noch mit Vorstellung beim Arzt. Die verbal befürwortete Unterstützung der Ukraine und die beworbene Energiewende werden begleitet von Subventionen des Benzinpreises unabhängig vom Verbrauch. Das ist ein bisschen so, als ob man Kindern jeden Tag eine Tafel Schokolade ins Kinderzimmer legt und sie ständig darauf hinweist, dass Schokolade aber ungesund sei. Konsequenzen keine und eine Kollegin in Twitter nannte das zurecht Doppelbotschaft.
Nach reiflicher Analyse der aktuellen Situation glaube ich nicht an Doppelbotschaft, dazu passiert zurzeit einfach zu vieles an „Doppelbotschaften“. Ich glaube, dass dahinter eine taktisch clevere Strategie steckt, die nur wenig sichtbar wird, da einer der wesentlichen Aspekte der Ampelkoalition bereits mit Beginn der Koalitionsverhandlungen das Einigen hinter verschlossenen Türen ist.
Wir leben in einer Zeit, die Umdenken und Wandel fordert. Der Planet gibt nicht mehr her, was wir verbrauchen, die Natur zeigt uns Grenzen auf, Menschen werden in den Krieg gehetzt, um den Narzissmus ihres Führers zu befriedigen. Narzissmus ist Individualität in reinster Form des Egos. Was der Planet und vor allem wir aber braucht, sind gemeinsame Anstrengungen, damit wir als Menschheit überleben. Das passt naturgemäß nicht jedem, der die Freiheit des Einzelnen über das System stellt, es am liebsten sogar ignorieren möchte.
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Und da man den Systemgedanken eben nicht vermeiden kann, werden Spielregeln aufgestellt, die das systemische Miteinander ausschalten, in dem Anreize geschaffen werden, die dem Ego Freude machen.
Und wir leben in einer Zeit des „höher, weiter, schneller“, einer Zeit mit einem Menschenbild, in der der Mensch und sein Körper zu funktionieren haben. Auch hier steht Wandel an, denn unser Umgang mit Ungewissheit und Natur erfordert unsere Körperintelligenz. Das aber passt nicht zum Menschenbild, das wir seit der Aufklärung und noch mehr seit der industriellen Revolution verinnerlicht haben.
Und es passt vor allem nicht zusammen mit der Idee des dauerhaften Wirtschaftswachstums, das zunehmend einigen wenigen zugutekommt. Letztendlich also inzwischen auch eine Folge des starken Egos ist.
Das ist aus meiner Sicht die aktuelle Situation der Ampelkoalition. Dort tobt hinter geschlossenen Türen ein (Macht-)Konflikt zwischen System und Ego, taktisch cleverer ist aktuell die FDP. Das Ergebnis sehen wir gerade in Form der scheinbaren Doppelbotschaften.