Und täglich grüßt die (Car)Sharingstudie
Eine neue Untersuchung belegt scheinbar einmal mehr: Das Carsharing ist tot, es lebe das eigene Auto. Diesmal hat das Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen erkannt, dass eine Abkehr vom eigenen Auto in der deutschen Bevölkerung nicht festzustellen sei. Carsharing stecke in der Krise.
Derlei Studien entstehen verlässlich, seit der Startschuss des Free Floating Carsharing vor rund zehn Jahren fiel. Und immer wieder beschleicht einen das Gefühl, dass mit diesen Status-quo-Beschreibungen etwas scheinbar Anrüchiges genüsslich verächtlich gemacht werden soll. Ja, der Automobilbesitz in den Städten steigt - wie im Übrigen die Städte durch den Zuzug auch weiter wachsen - und ja, überzeugte Autofahrer steigen noch nicht signifikant auf Sharing-Angebote um. Im Übrigen gilt das Gleiche relativ gesehen auch für den ÖPNV.
Aber woran liegt es, dass die viel beschworene Verkehrswende in unseren Städten nicht viel mehr als ein mediales Phänomen zu sein scheint? Daran, dass es überhaupt neue Mobilitätsangebote gibt oder doch eher daran, dass es für die meisten Menschen noch immer kaum Gründe gibt, bestehende Verhaltensmuster zu verändern? Das Auto, und das stellt das CAR richtig fest, ist einfach komfortabel. Das Qualitätsgefälle zum ÖPNV bspw. ist immens. Hinzu kommt aber etwas viel Entscheidenderes: Die Breite der Bevölkerung - auch in der Stadt - spürt überhaupt keinen Veränderungsdruck. Weder verändern sich die Rahmenbedingungen für das Halten oder die Nutzung eines eigenen Autos, noch werden neue nachhaltige Mobilitätsangebote incentiviert und somit für die Menschen attraktiver gemacht. Ganz im Gegenteil: Wie das Beispiel Ride Pooling zeigt, werden die Angebote sogar eher kleinreguliert oder gänzlich verhindert. Geparkte Carsharingfahrzeuge in Berlin wiederum zahlen im Wohnquartier permanent den vollen Stundenpreis, während das Anwohnerfahrzeug dauerhaft für weniger als einen Euro pro Monat parkt. Für diese verfehlte Lenkung sind aber nicht die Anbieter verantwortlich. Was viel mehr fehlt, sind verkehrspolitische Ziele in unseren Kommunen und Gemeinden und gemeinsame Strategien mit den Anbietern, wie wir diese Ziele erreichen können.
Trotz aller Kritik wächst das Carsharing beständig, was nicht zuletzt an immer besseren Produkten, immer interessanteren Preisangeboten von der Minute bis hin zu mehreren Tagen und an einer höheren Verfügbarkeit und damit Präsenz verschiedener Sharingangebote im Stadtbild liegt. Die Anbieter machen also ihre Hausaufgaben und ja, suchen im Hier und Jetzt ihre wirtschaftliche Nische. Es ist aber mehr als nur bigott, in Studien den Status quo als quasi unumstößlich zu besingen und den schwarzen Peter bei den potentiell nachhaltigen Mobilitätsprodukten zu suchen. Wenn wir uns alle irgendwann einmal einig sind, wo wir eigentlich hinwollen und neue Angebote und politische Lenkung Hand in Hand gehen, werden die Menschen ihr Mobilitätsverhalten automatisch verändern. Vorher ist es lediglich ein Glaubenskrieg um die Deutung der "richtigen" Mobilität.
Global Mobility | HR People Tech | Consultant | TEDx Speaker
5 Jahre#globalmobility unterstützt #urbanmobility 👍
Account Director @ Ericsson: 5G Private & Test Networks, Automotive & other industries I President, Amicale Citroën Internationale I Advisory Board, DEUVET I 5G I Smart Manufacturing I Industry 4.0
5 JahreAls Carsharing Nutzer kommen für mich unterschiedliche Aspekte zum Tragen: a) Business Demand. Solange nicht an jedem Airport ein CarSharing Wagen in erreichbarer Nähe ist, mindestens so nah gelegen wie ein normaler Mietwagen, muss es einen Incentive geben, der sich z.B. über bessere Tagespreise (im Vgl. zu Mietwagen) definiert - insbesondere wenn Kundentermine ausserhalb des Betriebsgebiets des Carsharing liegen. Ich habe einmal eine unangenehme Überraschung erlebt - mein Kundentermin lag ausserhalb, und der Mietpreis für den #car2Go Smart war dreistellig, der für den Golf-Mietwagen wäre bei etwas mehr als der Hälfte gewesen. Das "vorher buchen" Prinzip einiger Anbieter ist nicht praxisgerecht. Daher: nie wieder CarSharing bei ausserhalb gelegenen ad-hoc Terminen, im beruflichen Umfeld. b) Privater Demand. Ich habe oft genug versucht, mit einem Carsharing Fahrzeug in der Innenstadt einen Parkplatz zu finden. Aber diese sind zumeist entweder belegt, wenn es zB in einem privaten Parkhaus (begrenzte) Carsharing-Parkplätze gibt, oder b) der Parkplatz ist deutlich weiter weg als das anvisierte Ziel. (und damit kann ich dann wieder meinen eigenen Wagen nehmen).... ...und weiter: c) Carsharing Parkplätze sind nie im P&R Umfeld vorhanden, bzw. zu Stoßzeiten ausreichend mit Fahrzeugen bestückt. d) die meisten Carsharing Fahrzeuge sind zB bei in Städten eingeführten Umweltspuren nicht bevorrechtigt, diese Spuren zu nutzen. e) zu eng gefasste Zonen. Wenn ich von Düsseldorf nach Köln fahre, kann ich den Wagen nicht in Köln lassen, sondern muss ihn nach Düsseldorf zurückbringen. Das Ruhrgebiet als Ganzes ist überhaupt nicht abgedeckt.Ich denke, Carsharing wird insbesondere mit Level 4+5 Fahrzeugen deutlich mehr Aufwind bekommen, wenn eine autonome (Rück-)verteilung benutzter Fahrzeuge möglich sein wird, volldynamisch bedarfsgerecht nach Uhrzeit und Tag, und man nicht mehr auf "menschliche Verteilsysteme" angewiesen ist.
There is no silver bullet.
5 Jahre"Weder verändern sich die Rahmenbedingungen für das Halten oder die Nutzung eines eigenen Autos (...)" Das ist doch das größte Problem von allen. Warum schaffen wir keine Rahmenbedingungen in urbanen Zentren, welche den ÖPNV, das Rad und Ride Pooling stärken, um (vor allem) gelegentliche oder überflüssige Autofahrten zu ersetzen?