In Hamburg rollen Mietautos ab 2022 ferngesteuert zu den Kunden

In Hamburg rollen Mietautos ab 2022 ferngesteuert zu den Kunden

Das deutsche Start-up Vay kann mit Telefahrern Autos aus der Ferne lenken: So will die Hansestadt ihr Nahverkehrsangebot attraktiver machen.


Hamburg Es soll funktionieren wie Carsharing, nur dass das Auto wie von selbst zum Kunden kommt: Die Stadt Hamburg testet gemeinsam mit dem Berliner Start-up Vay ab 2022 einen völlig neuartigen Mobilitätsdienst. Das gab Hamburgs Senator für Verkehr und Mobilitätswende, Anjes Tjarks, am Sonntag bekannt.

Die Partnerschaft unterstreiche, „dass Hamburg im Verkehrsbereich eine digitale Modellstadt in Europa ist, die innovative, smarte und bedarfsgerechte Angebote konkret in die Tat umsetzt“, sagte Tjarks. Damit hat sich die Hansestadt die erste kommerziell genutzte Flotte ferngesteuerter Autos auf öffentlichen Straßen gesichert.

Die große Vision vom vollautonomen Fahren – überall und jederzeit – scheint immer noch in weiter Ferne. Sie könnte eines Tages Mobilitätsangebote viel günstiger machen. Als Übergangstechnologie verfolgt das 2018 gegründete Vay einen anderen Ansatz: Telefahren.

Nachdem die wagniskapitalfinanzierte Firma zwei Jahre lang heimlich ihre Technologie entwickelt und getestet hatte, waren die drei Gründer Anfang September erstmals an die Öffentlichkeit getreten.

Statt im Auto sitzen die Fahrer kilometerweit entfernt vor großen Bildschirmen. Sie erhalten einen 360-Grad-Rundumblick und steuern mithilfe der herkömmlichen Hilfsmittel Lenkrad, Pedale und Blinkvorrichtung. Nötig ist dafür ein 4G-Netz.

Parken nicht nötig

Die Telefahrer sollen zunächst ausschließlich die leeren Fahrzeuge zu den Kunden steuern, die dann selbst in den Fahrersitz steigen und an ihr Ziel fahren. Parken müssen sie auch nicht – sie übergeben das Fahrzeug einfach wieder an einen Telefahrer.

Für Kunden soll das Angebot günstiger als Taxifahren und praktischer als Carsharing sein. Schließlich könne ein Telefahrer viel mehr Kunden bedienen als der Fahrer eines Taxis oder Uber-Fahrzeugs. Und die Kunden sparten Zeit, weil sie nicht erst zum Mietwagen laufen müssten.

Die Firma sehe Potenzial, „Hamburger Bürgerinnen und Bürgern einen Service anzubieten, der sie komfortabel, umweltfreundlich und preiswert in die Arbeit, zur nächsten Bus- oder Bahnhaltestelle oder zum Ziel ihrer Wahl bringt“, sagte Vay-Mitgründer und -CEO Thomas von der Ohe. Sein Ziel ist auch, langfristig die Nachfrage nach privaten Fahrzeugen zu senken.

Anbindung an den ÖPNV geplant

Auch Anjes Tjarks vertritt die Ansicht, der neue Mobilitätsservice zahle „gleich mehrfach auf die Mobilitätswende ein“. Die elektrische Carsharing-Flotte erschließe Gebiete, die vom ÖPNV noch nicht vollends erschlossen sind, biete eine bequeme, schnelle Alternative zum eigenen Auto und verringere so Straßenverkehr, Lärm- und CO2-Emissionen.

Ziel sei es, das Angebot in den Hamburger Verkehrsverbund zu integrieren, sagte der Senator. Über die bereits existierende „hvv-switch-App“ sollen Nutzer einfach zwischen Bus, Bahn, Auto oder Fahrrad wechseln können – künftig schließt das dann auch Vay mit ein.

Ob der Service am Ende tatsächlich privaten Pkw-Verkehr reduziert oder vielmehr etwa den Radverkehr bei Regenwetter ersetzt, wird aber wohl erst die Praxis zeigen.

Bevor es planungsgemäß im Bezirk Bergedorf losgehen kann, muss noch der Zulassungsprozess der Stadt für einen Service ohne Fahrer im Auto abgeschlossen werden.



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