Unsere Verwandlung hin zu selbstorganisierten Teams: Was haben wir dabei gelernt?
Vor rund acht Jahren haben wir begonnen, unsere Hierarchien, unsere Arbeitsmethoden und unsere Organisation grundlegend zu transformieren. Heute arbeiten beinahe alle Teams selbstorganisiert und eigenverantwortlich. Was wir als Unternehmen auf dem Weg unserer Reise im Wandel gelernt haben.
Wir sind ein Unternehmen mit über 6.000 Mitarbeitenden, in dem es beispielsweise keine Team- und keine Abteilungsleiter:innen mehr gibt. Ein Unternehmen, in dem kleine Geschäftseinheiten selbst unternehmerisch handeln und Umsetzungsteams eigene Entscheidungen treffen. Während des Wandels haben wir viel gelernt. Hier sind unsere Erfahrungen und Ergebnisse aus acht Jahren Transformation.
Eine gemeinsame Richtung
Der wichtigste Startpunkt ist das gemeinsame „Wofür?“. Denn nur so kann intrinsische Motivation bei allen Beteiligten entstehen: Wir wissen, wozu wir das machen wollen. Für unsere eigene Zukunft, für unsere Konzernpartner:innen und letztlich für die Kund:innen der Deutsche Bahn . Es war besonders wichtig, der Veränderung einen konkreten Sinn zu geben, einen „Purpose“. Unser Ziel war es, einen konsequenten Weg zu finden, die Digitalisierung der Bahn voranzutreiben und dabei als der Digitalpartner der Deutschen Bahn einen entscheidenden Beitrag zu leisten.
Daraus ergaben sich schrittweise mehrere strategische und operative Ziele. Zum Beispiel, dass alle unsere Anwendungen in die Cloud verlagert werden und DevOps das bevorzugte Produktionsmodell wird. Und eben auch die Transformation in Selbstorganisation. Unsere Transformation hatte keinen konkreten Business Case und keinen vordefinierten Weg, es war von Beginn an ein offener Prozess. Was uns geleitet hat, war die Vision, eine Organisation zu schaffen, die zu unserem Menschenbild passt und die auch unter Bedingungen von Komplexität, Variabilität und Unsicherheit schlagkräftig und evolutionsfähig bleibt. Trotz dieser übergeordneten Sinnstiftung und der gemeinsamen großen Vision funktioniert die Umsetzung eines solchen Wandels nur in kleinen Schritten.
Daraus entstanden nach und nach die organisatorischen Prinzipien, wie wir agil, service- und kundenorientiert handeln können. Die Vision und die Prinzipien waren der Rahmen, der unsere Transformation leitete. Die inhaltlichen Details dieser Transformation und die heutigen Strukturen haben wir bereits in früheren Artikeln aufgeschlüsselt: von unseren Anfängen, der Organisationsstruktur, den neuen Rollen in den Teams, dem Prozess und wie wir uns im Vergleich zur Scrum-Methode organisieren.
Sicherheit geben und Führung überlassen
Wenn sich bisherige Hierarchien auflösen und Strukturen verändern, könnten Betroffene den Halt und die Identifikation mit dem großen Ganzen verlieren, wenn sie nicht mitgestalten können und nicht Raum für ihren persönlichen Entwicklungsweg bekommen. Dies gilt für Führungskräfte gleichermaßen wie für alle Mitarbeitenden. In neuen Strukturen und Arbeitsmethoden sind schließlich alle gleichermaßen Anfänger. Deshalb war es besonders wichtig, die Organisation gemeinsam zu verändern und für alle Beteiligten Lernräume zu schaffen, in denen das neue Miteinander und die veränderten Arbeitsweisen erfahren und erprobt werden konnten.
Die übergreifende Vision, klare Prinzipien und eine gemeinsame Kultur setzen den Rahmen, den unsere Teams in ihrem eigenen Tempo ausgefüllt haben. Wichtig wurde uns nach ersten Versuchen und Erfahrungen schnell, dass die Transformation insgesamt kein Experiment ist, sondern dass wir den ganzen langen Weg entschlossen gehen und auch bei Irritationen durchhalten können. Mithilfe von Betriebsvereinbarungen und Veröffentlichungen haben wir das Risiko minimiert, auf halbem Weg „aufzugeben“.
Empfohlen von LinkedIn
Betroffene machen mit. Man sagt: Menschen verändern gerne, lassen sich aber nicht gerne verändern. Das gilt auch in der Transformation einer Organisation und ihrer Arbeitsmethoden. Deshalb waren alle Betroffenen jeweils sehr früh mit einbezogen, konnten Themen mitgestalten und mitentscheiden – bis hin zur Möglichkeit, auf eigene Initiative neue Teams zu gründen oder bestehende umzugestalten. Hier war es wichtig, so wenig wie möglich „von oben“ vorzugeben und so viel Mitgestaltung wie möglich zu erreichen.
Schlanke Regeln und kleine Teams
Wenn Teams als eigenständige Einheiten handeln sollen und Produkte verantworten, benötigen sie die entsprechen Handlungsfähigkeit. Sie müssen sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, zu viel Bürokratie und aufwändige Prozesse könnten Freiraum und Kapazitäten rauben. Hier muss das Unternehmen die Teams befähigen, handeln zu können. Hier helfen kleine Teamgrößen, keine überbordende Meetingkultur und eine Führungsarbeit, die Handlungsfähigkeit und Verantwortung fördert. Und vor allem müssen die Teams als Träger der Wertschöpfung möglichst viel Entscheidungsmacht zu allen Fragen der Wertschöpfung bekommen.
Dieser Gestaltungsrahmen hilft sehr dabei, dass sich Mitarbeitende mit der Transformation und ihren eigenen Ergebnissen in diesem Prozess identifizieren können. Zugleich ist es sinnvoll, dass zwar alle für ihren Bereich beteiligt sind, einige Themen der Transformation jedoch effizient von wenigen erarbeitet und vorgestellt werden. Um die Selbstorganisation und gemeinsame Verantwortung zu stützen, sollten Individualziele zudem soweit möglich Teamzielen weichen.
Weitere Schlussfolgerungen
Nach acht Jahren Transformation ist ein Großteil aller Teams in die neue Organisationsvision hineingewachsen. Dies sind weitere Grundsätze des agilen Arbeitens und Lean Managements, die wir auf dieser gemeinsamen Reise gelernt und angewendet haben:
Eine Reise wie unsere ist nur sinnvoll, wenn man ein sehr zutrauendes Menschenbild hat: Selbstorganisierte Teams, die in Eigenverantwortung handeln, können nur Realität werden, wenn wir den Mitarbeitenden diese Verantwortung auch zutrauen. Wir glaubten daran, dass jede:r etwas Positives beitragen möchte und Leidenschaft mitbringt. Der Erfolg der Transformation gibt uns Recht. Dieses Wertesystem muss man nicht nur aufschreiben, sondern auch vorleben und verteidigen.
Du möchtest mehr erfahren? Dann lese unser vollständiges Fazit und unsere Erkenntnisse aus unserer Transformation (PDF).
Managing Consultant / Process Mining @ Deutsche Bahn / Speaker
1 Jahr#5 Starke Kooperation mit unseren Partnern im Konzern