Unternehmensinsolvenzen im September 2024 - man freut sich ja schon über die kleinen Dinge

Unternehmensinsolvenzen im September 2024 - man freut sich ja schon über die kleinen Dinge

Und wenn es eine Steigerung der Regelinsolvenzen um "nur" 10% ist, wie Destatis für August 2024 im Vergleich zum Vorjahresmonat meldet. Zumindest im Vormonatsvergleich sind die Unternehmensinsolvenzen laut IWH im selben Zeitraum sogar um -9% gefallen. Grund zum Optimismus sind diese Zahlen allerdings wohl weniger, denn im Vorjahresvergleich stieg die Zahl der Unternehmen, die den Gang zum Insolvenzrichter antreten mussten, um immerhin 23% und die Insolvenzzahlen erreichen insgesamt laut Coface ein Acht-Jahres-Hoch (hier).

Aktuelle Fälle

Stimmungsmäßig war der August gleichwohl keine Stimmungsbombe, wie bereits die wie immer guten Überblicke bei Juve (hier) und Finance-Magazin (hier und hier) belegen: Ein Tochterunternehmen des Automobilzulieferers Schlote hat Insolvenz angemeldet (hier), wie auch der Thüringer Aluminium-Druckgusshersteller AE Group (hier). Und die sich seit Jahren stetig verschärfende Krise im Automobilbau kommt nun auch bei Volkswagen selbst an (mehr dazu im nächsten Monat) - die konzerneigene Zeitarbeitsfirma AutoVision steckt in der Krise (hier).

Wie im Monat zuvor Esprit, so stellt der Buchhändler Weltbild nunmehr seinen Geschäftsbetrieb nach einem gescheiterten Verkaufsversuch ein (hier). Auch der Matratzenhersteller Breckle stellt nach der Insolvenz im letzten Jahr jetzt seine Produktion ein (hier). Ferner schließt der Modefilialist Sotch & Soda alle deutschen Geschäfte (hier). Alles wenig verwunderlich. In Zeiten der Energiewende ist es allerdings schon denkwürdig, dass der Biomethan-Anbieter Landwärme Insolvenzantrag stellen muss (hier).

BayWa wird derzeit durch ein Überbrückungsdarlehen von über einer halben Milliarde Euro (!) über Wasser gehalten, damit Roland Berger das Sanierungsgutachten bis September fertig stellen kann (hier). Auch die Meyer Werft kann sich über einen staatlichen Einstieg freuen - Nachdem zunächst das Land Niedersachsen mit Euro 200 Mio. eingesprungen war (hier), ist der Bund mit weiteren Euro 200 Mio. und weiteren Milliardenbürgschaften eingesprungen - allerdings auch für 80% der Anteile (hier). Derweil musste die Fosen-Werft in Stralsund Insolvenzantrag stellen (hier). 

Der kriselnde Batteriehersteller Varta soll durch ein StaRUG-Verfahren gerettet werden, bei dem die freien Aktionäre einem Schuldenschnitt zum Opfer fallen und Porsche ein Einstieg ermöglicht wird (hier, kritisch kommentiert hier und auch hier und hier). Mit Blick auf die aktuelle Krise dürfte nicht nur Porsche diese Erfolgsmeldung zwar dringend benötigen (hier).  Aber so weit ist es noch nicht, Aktionäre (hier) wie auch Schuldscheingläubiger (hier) laufen Sturm gegen ihre geplante Ausbootung (auch ich durfte meine 2 cent dazu geben, hier).

Der kriselnde Immobilienkonzern Groener-Group sieht sich mit mehreren (weiteren) Insolvenzanträgen konfrontiert (hier und hier). Glaubt man den Spezialisten der Restrukturierungsboutique Falkensteg gibt es bei Immobilien allerdings kaum zweite Chancen (hier), weswegen man sich fragen sollte, ob eine Insolvenz tatsächlich die Lösung sein kann.

Die Startup Pleite des Monats wird Ihnen präsentiert vom Berliner Fin-Tech RIDE Capital (hier) aber auch das etwas in die Jahre gekommene Berliner Brillen-Startup Mister Spex hat scheinbar so einige Probleme (hier). Doch nicht nur Startups bauen Personal ab, nein auch die old economy kann das, wie Henkel gerade beweist (hier).

Dass mit der Insolvenz der Schrecken noch lange nicht sein Ende gefunden haben muss zeigt gerade der Insolvenzverwalter der Deutschen Lichtmiete, der den ehemaligen Wirtschaftsprüfer auf immerhin Euro 28 Mio. in Haftung nimmt (hier). Über solche Beträge können die frisch vom Landgericht München verurteilten ex-Vorstände von Wirecard freilich nur milde lächeln (hier).

Blick ins Ausland

Nach einer Verlangsamung im Juli stiegen die Konkursanmeldungen in den USA im August sprunghaft an und führten zum höchsten Stand in den ersten acht Monaten des Jahres seit 2020 und zum zweithöchsten Stand seit 2010 (hier). In England & Wales stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 17% im Vergleich zum Vorjahresmonat an (hier).

Prognosen anderer

Der aktuelle Falkensteg Insolvenzreport wagt folgende Prognose: „Das zweite Halbjahr verspricht einen Sturm von Firmenpleiten. Zumal die zweite Jahreshälfte immer deutlicher höhere Fallzahlen aufweist“. Ich sehe noch keinen „Sturm“, was ich mit einem noch steileren Anstieg der Insolvenz-Zahlen in Verbindung bringen würde. Aber bei derzeit schon 30%+ monatliche Zunahme im Vergleich zum Vorjahresmonat (zuletzt hier) muss die Kurve vielleicht auch nicht steiler werden. Zwar erwartet auch Allianz Trade erwartet starken Anstieg von Firmenpleiten - beziffert die Gesamtzahl mit 21.500 Pleiten aber eher konservativ (hier).

Fazit: Nicht nur angesichts der sich häufenden Meldungen aus Wolfsburg dürfte klar sein, dass derzeit jeglicher Rückgang der Zahl der Unternehmensinsolvenzen nur eine kleine Verschnaufpause sein dürfte. Im Zweifel werden die Zahlen bis Jahresende durchgehend steigen - wenn wir Glück haben nur bis 21.500. Indikatoren wie steigende Kreditkosten (hier) oder der Einbruch beim Export von Luxusuhren (hier) deuten zudem darauf hin, dass die jetzt anschwellende (!) Zahl der Insolvenzen wohl auch im nächsten Jahr zunächst nicht abebben dürfte.

Damit dürfte den Insolvenzverwalter die Arbeit zumindest in naher Zukunft erst mal nicht ausgehen - aber die Zahl der schlagzeilenträchtigen Unternehmensrettungen dürfte nicht annähernd im gleichen Verhältnis steigen. Wie der sehr lesenswerte Bericht der WiWo hier verdeutlicht, könnten zahlreiche "Rettungen" der letzten Jahre weniger durch den oft beschworenen "Werkzeugkasten" von InsO und StaRUG und mehr durch günstige Finanzierungsbedingungen getrieben gewesen sein. Zwar scheint die Zunft selber mit ihrem Zustand nicht ganz zufrieden zu sein, wie aus einer Umfrage von InsoProjects hervorgeht (hier). Die Frage ist aber, ob es den Verwaltern gelingen kann, neben dem (hoffentlich effizienten) Marktaustritt nicht lebensfähiger Unternehmen aus dem Markt die nachhaltige Sanierung sanierungswürdiger Unternehmen trotz des Gegenwindes bei den Finanzierungsbedingungen zu gewährleisten. Davon wird nicht nur das Ansehen der Branche abhängen.

Michael Stadler

Dipl.-Ing.; MBA; Unternehmer, Consultant, Technologie Experte, wir optimieren Ihre Wertschöpfungskette;

3 Monate

Nach Max Frisch: " Eine Krise ist ein PRODUKTIVER Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen." 😊

Cornelius Nickert

Unternehmertum ist die permanente Frage nach der Bewertung und Auswahl der besten Handlungsoption.

3 Monate

Wieder mal lesenswert!

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