Urlaubsabgeltung - Warum der bloße Hinweis auf offenen Urlaub und dessen Verfall den Arbeitgeber viel Geld sparen kann

Urlaubsabgeltung - Warum der bloße Hinweis auf offenen Urlaub und dessen Verfall den Arbeitgeber viel Geld sparen kann

Die Unternehmerin, eine Steuerkanzlei, hatte das seit 1996 bestehende Arbeitsverhältnis mit einer Steuerfachgehilfin aus ihrer Sicht ordnungsgemäß zum Beendigungsdatum 31.07.2017 abgerechnet. Dazu gehörte auch eine #Urlaubsgeltung von knapp 3.200 EUR brutto für 14 Arbeitstage. Die ehemaligen Mitarbeiterin war aber der Meinung, ihr stünde eine weitere Urlaubsabgeltung für 101 Arbeitstage Urlaub zu – und reichte im Jahr 2018 Klage auf Zahlung von über 23.000,00 EUR brutto ein. Für die Arbeitgeberin natürlich ein herber Schlag ins Kontor. Der Prozess schaukelte sich bis zum #Bundesarbeitsgericht (kurz: BAG) hoch - und das BAG gab der Arbeitnehmerin schlussendlich Recht (BAG Beschluss vom 16.08.2022 - 9 AZR 266/2022). Aber nicht nur das: Die Erfurter Richter urteilten, dass die Klägerin über die Jahre (seit 2011) sogar einen unerfüllten Urlaubsanspruch von 117 Arbeitstagen angesammelt hatte. Weder seien diese Ansprüche verfallen noch verjährt.

Wie kam es zu diesem Urteil? Die Richter urteilten knallhart auf der Basis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (kurz: EuGH): Zwar unterliege auch der Urlaubsanspruch grundsätzlich der #Verjährung (hier wären die Urlaubsansprüche bis einschließlich 2014 von der Einrede der Verjährung betroffen gewesen); die Verjährungsfrist beginne aber erst zu laufen, - und das ist jetzt neu - wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Aus dem gleichen Grund scheitere auch der #Verfall der aus den einzelnen Urlaubsjahren resultierenden Urlaubsansprüche nach § 7 Abs. 3 BUrlG (ständige Rechtsprechung des BAG seit der Entscheidung vom 19.02.2019 - 9 AZR 423/16).

Die Arbeitgeberin verteidigte sich vergeblich damit, dass die Arbeitnehmerin ihren Urlaubsanspruch tatsächlich gekannt habe. Die Richter meinten, darauf komme es nicht an. Die Arbeitgeberin sei dafür verantwortlich gewesen, dass die Arbeitnehmerin ihren Urlaubsanspruch verwirklichen konnte (sog. #Mitwirkungsobliegenheit). Diese Mitwirkungsobliegenheit bedeutete für die Arbeitgeberin folgendes: Sie hätte die Arbeitnehmerin nicht nur auffordern müssen, den Urlaub zu nehmen, sondern auch darauf hinweisen müssen, dass nicht genommener Urlaub zum Jahresende oder zum 31.03. des Folgejahres verfallen kann. Da sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war, liege das Risiko allein bei ihr, d.h. kein Verfall der Urlaubsansprüche und auch keine Verjährung.

Die Arbeitgeberin hatte dann noch ein letztes Argument: Sie habe im Jahr 2017 die Rechtsprechung des EuGH aus dem Jahr 2018 noch gar nicht kennen können. Aber auch das half nichts, weil der EuGH seine Entscheidung vom 06.11.2018 (C-864/16 – Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) in zeitlicher Hinsicht nicht eingeschränkt habe. Im Klartext heißt das: Ein Mitarbeiter, der seit 40 Jahren in einem Betrieb beschäftigt ist, kann auch vierzig Jahre bei seiner Suche nach offenen Urlaubstagen zurückgehen.

Nicht wenige werden jetzt sagen: „Krass! Was kann man als Arbeitgeber besser machen, um am Ende nicht mit einer hohen Abgeltungsforderung überrascht zu werden?“

Hier mein Tipp: Die Lösung besteht darin, in jedem Fall der Mitwirkungspflicht bei der Urlaubserfüllung zu genügen. Aus Vorsichtsgründen würde ich empfehlen, dass gerade bei langjährigen Arbeitsverhältnissen genau geprüft wird, wie hoch der Gesamturlaubsanspruch seit Beginn des Arbeitsverhältnisses ist – und wieviel Urlaub tatsächlich gewährt worden ist. Und dann sollte der Arbeitnehmer zumindest in Textform aufgefordert werden, diesen Urlaub zu nehmen – und ihm gleichzeitig deutlich gesagt werden, dass dieser Urlaub anderenfalls zum Jahresende oder spätestens 31.03. des Folgejahres verfällt. Und im übrigen würde ich es mir als Unternehmer zur Gewohnheit machen, alle Mitarbeiter immer am Jahresanfang entsprechend aufzufordern und hinzuweisen. So brennt nichts an bzw. kann sich nichts anhäufen.

Aber Hand aufs Herz: Wie finden Sie diese Rechtsprechung? Ist das fair? Natürlich ist jetzt die Rechtsprechung so, wie sie nun einmal ist. Trotzdem können wir darüber diskutieren. Freue mich über einen Gedankenaustausch.

Ihr Arnim Buck

www.kanzlei-arnimbuck.de

Peter Creutzfeldt

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1 Jahr

Danke für den Hinweis Arnim Buck !

Uta Boroevics

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1 Jahr

Vielen Dank für diesen wichtigen Artikel. Da wird einem mal wieder klar, worauf es zu achten gilt.

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