Vertical farming – Landwirtschaft auf neuen Ebenen?
Vertical farming gilt als Hoffnungsträger einer zuverlässigen Landwirtschaft in städtischen Ballungszentren: In mehrstöckigen Gebäuden (Farmscrapers) könnte sie die Massenproduktion pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse ermöglichen. Doch wie realistisch ist diese Zukunftsvision?
Pflanzen im Etagenanbau
In der vertikalen Landwirtschaft, basierend auf Kreislaufwirtschaft und Hydrokulturen, werden auf mehreren übereinander gelagerten Ebenen unter Gewächshausbedingungen ganzjährig Früchte, Gemüse, essbare Speisepilze und Algen erzeugt.
Die Sprösslinge wachsen also nicht aus der Erde, sondern gedeihen auf Nährböden. Sie werden entweder in einer wässrigen, nährstoffreichen Lösung, einem sogenannten hydroponischen System oder einem aeroponischem System, wo die Nährstoffe an der Wurzel versprüht werden, angebaut. Auch eine aquaponische Variante, die in einem Becken mit Fischen stattfindet, ist möglich.
In Dubai steht derzeit die weltweit größte vertikale Farm: Auf einer Grundfläche von mehr als 23.000 Quadratmetern baut Crop One dort in mehreren Etagen pro Jahr mehr als 1 Millionen Kilogramm hochwertiges Blattgemüse an.
Europas größte vertikale Farm ist derzeit in Dänemark beheimatet. Dort kultiviert das Unternehmen Nordic Harvest Gemüse in 14 Etagen übereinander.
Vorteile der vertikalen Landwirtschaft
Im Jahr 2060 werden etwa 10 Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben, davon über 7 Milliarden in urbanen Ballungszentren. Obwohl all diese Menschen mit Nahrungsmitteln versorgt werden müssen, schrumpft die nutzbare Fläche für die Landwirtschaft. Zusätzlich führen die Folgen des Klimawandels (Wetterextreme) zu geringeren Ernteeinträgen.
Vertikale Farmen, die an 365 Tagen im Jahr auf wenig Fläche große Mengen an Lebensmitteln erzeugen, könnten dieses Problem mildern, denn die Anbaumethode ist platzsparend und wetterunabhängig. Unter kontrollierten Laborbedingungen fördern gewisse Lichtspektren auch das Wachstum: hier können die Pflanzen schneller und ohne Ernteausfall wachsen.
Dadurch, dass vertikale Farmen in der Nähe von Ballungsgebieten erbaut werden, sind die Transportwege kürzer. Außerdem entfallen Tätigkeiten wie Bodenbearbeitung, Aussaat und Ernte mit Mähdreschern, damit werden ebenfalls Treibhausgasemissionen eingespart.
Auch der Wasserverbrauch könnte durch vertikale Landwirtschaft rapide gesenkt werden: Vertikale Farmen benötigen aufgrund der hocheffizienten Wassersysteme nur fünf bis zehn Prozent von dem, was die übliche Landwirtschaft braucht.
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Kontrollierte Umgebungsbedingungen vermindern den Biozid- und Düngereinsatz erheblich: Das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln ist nicht oder nur selten nötig, weil Schädlinge und Krankheiten in geschlossenen Systemen schwer eindringen können. Und auch der Nährstoffverbrauch ist durch das effiziente Kreislaufsystem geringer: In Indoor Farming-Systemen wird weitaus weniger Dünger verbraucht, als im bestehenden Anbauverfahren auf dem Feld.
Hindernisse in der vertikalen Landwirtschaft
Bis jetzt sind die Verbraucher noch skeptisch – so viel High-Tech steht der Kundenakzeptanz im Wege. Auch der Fakt, dass die für die Darmgesundheit wichtigen Mikroorganismen künstlich zugesetzt werden müssen, kommt bei den Verbrauchern nicht gut an.
Die LED-Beleuchtung, Heizung und Kühlung in vertikalen Farmen benötigen momentan noch viel Energie. Laut dem Agrarwissenschaftler Senthold Asseng von der Technische Universität München verbraucht die Produktion von einem Kilogramm Weizen in einer Indoor-Anlage etwa 650 Kilowattstunden. Eine sehr energieaufwendige und damit teure Pflanzenzucht!
Um vertikale Farmen sowohl finanziell als auch ökologisch nachhaltig zu gestalten, könnten sie Abfallströme und erneuerbare Energien integrieren. So könnte der Energiezufluss beispielsweise durch die Verbrennung von Feststoffabfall und Solaranlagen stattfinden. Auch der Bereich der Künstlichen-Intelligenz-Technologie könnte zum Einsatz kommen: KI-gesteuerte Beleuchtungssysteme könnten sich in Zukunft an die Wachstumszyklen verschiedener Pflanzen anpassen. Die Beleuchtung würde individuell für jede Pflanze angepasst, und bis zu Millisekunden lang unterbrochen werden. Laut Dr. Mohieddine Jelali , Direktor des Instituts für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik an der TH Köln , zeigen Experimente, dass dadurch bis zu 20 bis 30 Prozent Energie eingespart werden könnten.
Laut Jelali sind Weizen und andere komplexe Pflanzen ohnehin gegenwärtig nicht für das Konzept des Vertical Farming geeignet. Am besten eignen sich dafür Salate, Gemüse, Früchte und Kräuter die ohne viel Erdreich wachsen.
Fazit: Jelali plädiert für eine hybride Landwirtschaft: „Bei Grundnahrungsmitteln wie Weizen gehe ich davon aus, dass wir die erstmal auf den Feldern wachsen lassen.“ Die Indoor-Farmen werden also in der näheren Zukunft den konventionellen Anbau wohl mehr ergänzen, anstatt ihn zu ersetzen.
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