Vertrauen oder Kontrolle: Warum Mikromanagement ein Motivationskiller ist

Vertrauen oder Kontrolle: Warum Mikromanagement ein Motivationskiller ist

In jedem Unternehmen stellt sich in der Führungsetage die Frage: Vertrauen oder Kontrolle? Häufig prallen hier Welten aufeinander. Während Mitarbeiter Flexibilität und Autonomie einfordern, setzen einige Führungskräfte auf dezidiertes Mikromanagement. Welche Lösungsstrategie hier idealerweise gefahren werden sollte und warum zu viel Einmischung durch den Chef alles andere als förderlich für den Unternehmenserfolg und die Motivation der Mitarbeiter ist, erfahren Sie im Interview mit Ilario Deana, Experte für Führungskräftetraining.

«Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser», scheint der Leitspruch vieler Vorgesetzter. Warum genau ist dies nicht förderlich für die Motivation der Mitarbeiter?

Ilario Deana:

„Herr Müller, um 10 Uhr bei mir im Büro für ein Kontrollgespräch!“ Wenn ich in meinen Führungstrainings den Teilnehmern die Frage stelle, ob sie schon mal ein Kontrollgespräch in dieser Art eingeleitet haben, erhalte ich immer folgende Antwort: „Nein, natürlich nicht ...“ Häufig folgt dann der Satz „Wir machen keine Kontrollgespräche …“.

Hier zeigt sich, dass sie bereits den Begriff Kontrollgespräch eher negativ wahrnehmen und drohende Konsequenzen daraus ableiten: Ich werde kontrolliert, also habe ich sicherlich etwas falsch gemacht. Stellen wir uns daher also zunächst die Frage: WARUM und für wen führen wir ein Kontrollgespräch?

 Generell sehe ich drei Themenschwerpunkte in dieser Art des Gesprächs:

 Thema 1 = Ich als Chef will Informationen über den Stand der Dinge. (Statusabfrage)

Thema 2 = Der Mitarbeiter hat die Möglichkeit, sich zu profilieren und zu sagen, was er wie gut gemacht hat. (Profilierung)

Thema 3 = Ich höre dem Mitarbeiter zu und nehme mir Zeit für Ihn. (Zuhören)

Somit sind 2 Drittel der Kontrollgespräche für den Mitarbeiter und ein Drittel für mich als Chef angepeilt. Wenn man das verstanden und verinnerlicht hat, stell man sehr schnell fest, dass wir tatsächlich sehr häufig Kontrollgespräche führen, diese aber gar nicht als so negativ belastet wahrnehmen, wie der Begriff suggeriert.

 Ein klassischer Einstieg in ein Kontrollgespräch beginnt beispielsweise mit den Worten: «Wie lief es gestern…?» Somit ist das Kontrollgespräch eine wichtige Grundlage, um das Vertrauen des Mitarbeiters zu gewinnen. Wenn wir es schaffen, ein Vertrauensverhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter zu erreichen, werden Eigenmotivation, Selbstbestimmung, Begeisterung, Mut weiterwachsen. Dies wiederum braucht es, um die Mitarbeiter zu befähigen, zu motivieren und zu fördern.

Wieso setzt ein freieres Arbeitsumfeld Potentiale bei Mitarbeitern frei, die sie bei stark reglementierten Prozessen nicht abrufen könnten?

 I.D.:Der Freiheitsgrad im persönlichen Wirken ist für uns alle ein Motor der intrinsischen Motivation. Wir brauchen das Gefühl, uns selbst verwirklichen zu können. Das spornt uns zu Höchstleistungen an. Schränken Führungskräfte diesen Freiheitsgrad ein, sinkt die Motivation der Mitarbeiter.

 Ich erlebe häufig Mitarbeiter in Trainings, die frustriert, demotiviert und dementsprechend auch leistungsmässig nur das Notwendigste auf der Arbeit umsetzen. Dieselbe Person erzählt mir dann, wie sie in der Freizeit für den Vorstand Präsentationen kreiert, Ideen schmiedet, um neue Teilnehmer zu finden, und an Wochenenden auf Messen und Veranstaltungen arbeitet, um Ziele zu erreichen.

 Spannend ist, dass die zweite Tätigkeit, die mit Herzblut bearbeitet wird, nicht mal bezahlt wird! Das zeigt doch, dass das Potential bei diesen Mitarbeitern nicht abgerufen wird, weil sie sich nicht einbringen können und keine intrinsische Motivation haben.

Nicht zuletzt im Homeoffice, das vielerorts durch die Lockdown-Massnahmen als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie zum ersten Mal realisiert wurde, haben viele Menschen die Erfahrung machen müssen, dass Chefs die Remote Arbeit so schnell wie möglich beenden wollten, um die Leistungen wieder besser kontrollieren zu können. Wo setzt man bei einem solchen Klima des vermeintlichen Misstrauens an, um die Zusammenarbeit wieder auf eine vertrauensvolle Ebene zu bringen?

 I.D.:Genau in dieser Zeit mit Lockdown zeigt sich, wer zu Recht Führungskraft ist. Es ist immer einfach, Chef zu sein, wenn alles läuft und die Wirtschaft brummt.

Viele Führungskräfte haben sich in dieser Lockdown Zeit wirklich um Ihre Mitarbeiter gekümmert, nachgefragt, Befindlichkeiten ernst genommen. Sie haben Zeit investiert, um telefonisch oder per Video Call mit Mitarbeitern zu sprechen und ihnen zuzuhören. Viele konnten Vertrauen aufbauen und kommen sogar gestärkt aus dieser Krise.

Die Führungskräfte, die das verpasst und Kontrolle als Misstrauensvotum eingesetzt haben, werden das in den nächsten Monaten zu spüren bekommen. Das Resultat werden sinkende Leistungen, Demotivation und Unzufriedenheit sein.

 Loslassen kann sehr schwerfallen. Insbesondere dann, wenn man ein typischer Mikromanager ist und sämtliche Arbeitsschritte am liebsten minutiös durchplanen und prüfen möchte. Wie kann eine Führungskraft lernen, hier entspannter vorzugehen und seinen Mitarbeitern einen gesunden Freiraum zu lassen?

 I.D.: Die Kunst besteht darin, einem Mitarbeiter einen Auftrag zu geben und ihm die Verantwortung zu übertragen. Mein Tipp an jeden Chef: Sprechen Sie so lange mit Ihrem Mitarbeiter, bis er Ihnen sagt, wie er den Auftrag abarbeiten wird, was er konkret macht und bis wann er das erledigt haben will.

Um dies zu erreichen, müssen Sie die passende Fragetechnik anwenden: «Wie würden Sie dabei vorgehen … Welche Unterstützung benötigen Sie … Welche Massnahmen treffen Sie …» So können wir allein durch die offene Fragenstellung erkennen, ob der Mitarbeiter den Auftrag richtig verstanden hat, wie er den Auftrag bearbeitet und ob der Mitarbeiter weiss, was zu tun ist.

Der Chef steuert nur. Somit haben wir aus einem extrinsisch motivierten Auftrag (Chef sagt, was er will) eine intrinsisch motivierte Abarbeitung (Mitarbeiter sagt, wie er das angeht) gemacht. Das fördert die Kreativität, gibt Freiraum und zeugt von Vertrauen. 

Mal angenommen, den Mitarbeitern fehlen Skills, um selbstständig arbeiten zu können. Wie macht man als Führungskraft die Mitarbeiter fit, damit man Verantwortung mit gutem Gewissen und vertrauensvoll abgeben kann?

 I.D.: Die Befähigung der Mitarbeiter hat 3 Säulen: Können, Wollen und Möglichkeit.

Kann der Mitarbeiter etwas und will es auch, erhält aber nicht die Möglichkeit, es umzusetzen, nützt uns das wenig. Will der Mitarbeiter und wir bieten ihm die Möglichkeit, er kann es jedoch noch nicht, befähigen wir ihn. Kann der Mitarbeiter und hat die Möglichkeit, eine Arbeit zu leisten, aber er will nicht, müssen wir prüfen, ob wir Ihn begeistern können. Die Alternative lautet hier, dass der Mitarbeiter der falsche Ansprechpartner für die Aufgabe ist. 

Wenn der Mitarbeiter selbstständiger arbeiten soll, ist es wichtig, sich folgendes zu überlegen: Wie sieht das Verhältnis zwischen dem Mitarbeiter und mir als Führungskraft aus? Visualisieren Sie, indem Sie einen Kreis mit zwei Strichen als Augen auf ein Blatt Papier zeichnen. Sieht der Mitarbeiter zu mir, ist er zu nah, ist er von mir weggedreht ...? Wie ist die Motivation des Mitarbeiters? Wie schätze ich seine Performance ein? Was für ein Typ ist er (hier kommt die Einschätzung gemäss der Lehre von C. G. Jung in die Farben Rot, Blau, Grün, Gelb zum Einsatz)? Basierend auf diesem Cockpit setze ich ein Ziel und nutze die Führungstools.

Kennen Sie ein Unternehmen oder ein Team, in dem sich eine enorme Veränderung durch die Einführung eines vertrauensvollen Arbeitsumfeldes eingestellt hat?

 I.D.: Ja, das ist das Erfreuliche! Ich bekomme sehr oft die Rückmeldung, dass sich das Team aufgrund des Führungstrainings wesentlich verbessert hat und die Zusammenarbeit ebenfalls besser geworden ist. Die Erfolgsfaktoren sind das gegenseitige Verständnis – man lernt sein Gegenüber aufgrund seines Typs besser kennen – und die verbesserte Kommunikation durch die Anwendung der Tools, die sehr praxisgerecht und im Alltag leicht einzubauen sind.

 Ich erkenne die Veränderungen bereits nach dem ersten Trainingstag und begleite die Gruppe  noch über viele Monate. So kann ich verfolgen, wie die positive Stimmung weiter steigt. Das hat nicht nur Auswirkung auf die Kultur, sondern auch auf Arbeitseffizienz, Motivation und Zusammenarbeit.


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