Warum „Amthor“ nicht für Lobbyismus, und „Tönnies“ nicht für Unternehmertum steht.
Aus dem Herzen einer Lobbyistin, die für Unternehmen spricht.
Philipp Amthor. Ein Name, der zu einem Synonym für eine Debatte geworden ist, die auf das Richtige zielt, aber fast ausschließlich das Falsche trifft. Denn reflexhaft werden alte Vorurteile und Feindbilder ausgegraben. In diesem Fall: Der ruchlose Lobbyist. Denn der Mythos von alten, weißen Männern in dunklen Hinterzimmern voller Zigarrendunst verkauft sich halt immer noch gut und einfach. Oder wie in diesem Fall die nicht ganz so alten, weißen Männer samt Champagnersause auf einer paradiesischen Insel. Da ist es dann auch egal, dass hier zwei völlig unterschiedliche Dinge einfach zusammengemixt werden. Denn der Fall Amthor hat nichts, aber auch gar nichts, mit Interessenvertretung zu tun und es geht dabei auch nicht um Lobbyismus. Es geht um Selbstüberschätzung, persönliche Bereicherung und am Ende – das werden die Untersuchungen der Bundestagsverwaltungen zu zeigen haben – vielleicht um knallharte Korruption.
Die Interessenvertretung – also das, worum es bei dem Fall Amthor nicht geht, worüber aber alle sprechen – ist hingegen kein Teufelswerk. Sie ist vielmehr, entgegen der landläufigen Meinung, ein wichtiger Bestandteil unserer Demokratie. Denn Demokratie lebt davon, dass alle Positionen gehört werden und in die Meinungsbildung – und somit auch Gesetzgebung – der PolitikerInnen einfließt. Es ist in keiner Weise verwerflich, sich die Meinungen von Branchen, Berufsgruppen oder Umweltverbänden anzuhören und in seine Entscheidungen mit einzubeziehen. Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht jeder Mensch über alles Bescheid wissen kann oder jedes Thema bis ins Detail durchdringt. All das trägt zu einer bunten Demokratie bei und macht es möglich, dass alle Stimmen im Land Gehör finden. Unser politisches System ist deshalb genau darauf ausgerichtet in seinen Verfahren. Das ist wahre Interessenvertretung, nicht das, was wir aktuell im Fall Amthor erleben.
Lobbyismus reicht von Greenpeace bis hin zu Arbeitgeber- und Sozialverbänden. Viel zu schnell wird die gesetzeswidrige, gekaufte Einflussnahme von Unternehmen, Organisationen oder Institutionen mit Lobbyismus gleichgesetzt. Das ist schlichtweg falsch. PolitikerInnen dürfen keine roten Linien überschreiten. Und die persönliche Bereicherung, wie im Fall Amthor, liegt sehr weit jenseits dieser roten Linien. Keine Frage, Nebentätigkeiten sollten auch Abgeordneten erlaubt sein, weil ein Mandat lediglich ein Auftrag auf Zeit ist. Sie dürfen jedoch nie dazu dienen, sich Einfluss zu sichern oder eigene Adresslisten aufzuwerten. Denn das schadet unserer Demokratie, unserer Politik und unserem Land insgesamt.
Seit einigen Tagen kommt nun in der Berichterstattung auch der Fall Tönnies hinzu. Und auch hier wird leider nur eine Seite betrachtet und alles über einen Kamm geschert. Plötzlich heißt es an vielen Stellen "der böse Unternehmer". Um es klarzustellen: Tönnies steht mit seinem Verhalten in keinster Weise für „das Unternehmertum“ in Deutschland!
Trotzdem werden gleich wieder alle UnternerhmerInnen in einen Topf geworfen - man verliert das Gesamtbild aus den Augen. Der Großteil der in Deutschland ansässigen Unternehmen, im Übrigen vor allem mittelständisch geprägt, orientiert sich an den Werten des "Ehrbaren Kaufmanns", wie es früher hieß. Es geht um soziale Verantwortung, regionale Verbundenheit, Nachhaltigkeit und ein Handeln und Wirtschaften, das über Generationen gedacht wird.
Gerade in den letzten Wochen habe ich es viel zu oft hautnah miterlebt: die Ängste und Nöte der UnternehmerInnen. Bei den meisten ging es nicht darum, dass sie Geld verlieren, ganz im Gegenteil. In fast allen Gesprächen und Telefonaten mit den UnternehmerInnen ging es zuerst um ihre Mitarbeiter, dann ihr Lebenswerk und dessen Aufgabe. Nicht selten sind dabei Tränen geflossen. Es hat bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen, was diese Menschen - trotz der schwierigen Situation - geleistet haben. Ich hatte Gespräche mit Unternehmen, die trotz Kurzarbeitergeld bei ihren MitarbeiterInnen aufgestockt haben, die Ende März zum Lockdown als allererstes die Gehälter ihrer MitarbeiterInnen überwiesen haben, ohne zu wissen, wie und ob es weitergehen soll. Aber sie waren sich ihrer Verantwortung bewusst. Und das ist es, was das Unternehmertum ausmacht: Verantwortung.
Die Coronakrise hat mir persönlich nochmal deutlich gemacht: wie viele sich Tag und Nacht für ihr Unternehmen, die beteiligten Personen und die Regionen einsetzen. Die meisten Anträge für Kredite und Soforthilfen, die ich gesehen habe, waren von Unternehmern, die bis dato nie staatliche Gelder oder Fremdkapital in Anspruch genommen haben. Selbst heute noch erlebe ich viele, die keine Unterstützungsanträge während der Pandemie gestellt haben, da man es alleine schaffen will. Das ist und bleibt der Anspruch von vielen UnternehmerInnen. Die meisten mittelständischen Betriebe die ich kenne, wirken in einem nachhaltigen Dreiklang: ökonomisch, sozial und ökologisch. Und genau das ist es, was wir in den Fokus rücken und wertschätzen sollten.
Umso wütender (ich benutze diesen Ausdruck wirklich nicht gern und nur sehr selten) machen mich deshalb die aktuellen Inszenierungen des "bösen Unternehmers" und die Diskrediterung des Unternehmertums in Deutschland allgemein. In einigen Monaten wird man sich dann wieder wundern, warum die Gründungen in Deutschland rückläufig sind und uns sprichwörtlich "die Unternehmen ausgehen". Von der Problematik der Unternehmensnachfolge möchte ich an dieser Stelle erst gar nicht anfangen (das bedarf eines eigenen Beitrags).
Das Bild der Selbstständigkeit ist, auch wegen solcher Pauschalisierungen, die zu Vorurteilen beitragen, negativ behaftet. Leider wird genau das auch zunehmend in Medien, Politik, Öffentlichkeit etc. forciert. Haben Sie sich mal gefragt, welche Berufsgruppe die meisten Mörder/Verbrecher im Tatort darstellt? Richtig! UnternehmerInnen und Selbstständige. Und selbst große Medien wie der Berliner Tagesspiegel zeichnen in einem aktuellen Artikel das Bild des stets unsolidarischen Selbstständigen. Ebenso wie der beständige Vorwurf der Geldmaschine, sobald man in ein Unternehmen investiert.
Deshalb liegt es mir am Herzen, noch einmal zu betonen: Das Unternehmertum in Deutschland ist eine großartige Errungenschaft, die wir bewahren und fördern sollten. Dabei geht es nicht allein um den Erhalt von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Es geht um Innovation, um Verantwortung und um ein Miteinander.
Mittelstands-Netzwerkerin 🤝Leiterin der Wirtschaftsregion Ruhrmetropole West 🌟 Vorständin FONARU e.V. - Forum Nachhaltigkeit Ruhrgebiet 🙌 Professionelle Stakeholder Vernetzung 🛜 Positives Mindset 🧠♥️
4 JahreKlasse geschrieben liebe Diana. Das Gute ist, das wir gemeinsam und differenziert auf Vorfälle, Machenschaften und Unternehmen blicken können. Das Problem sind Meinungsbildner die einfach nur scharf auf Leser sind, koste es was es wolle. Für mich gehört es zu meiner Arbeit, beides sehen zu können. Das geht immer besser, wenn viele Personen ihre Sinne schärfen und Wissen teilen. Eine Wertegemeinschaft bilden. Nachhaltig und enkelfähig Wirtschaften, der Weg, den viele Unternehmen gehen und junge Gründer einschlagen wollen. Diese Unternehmen müssen noch viel deutlicher hervorgehoben und unterstützt werden. In diesem Sinne freue ich mich, den Fokus genau dort hin zu lenken.
Airbus, Head of Public Affairs Germany
4 JahreCouldn’t agree more! Top-Artikel, danke.