Warum es im Lernprozess entscheidend ist, Lernende als individuelle Wesen zu betrachten
Wenn wir uns die Frage stellen, wie guter Unterricht in Zukunft zu sein hat, dann müssen wir vor allem den/die Lernende/n als individuelles Wesen sehen. Vor vielen Jahren habe ich das Buch von Gabriele Weigand „Die Schule der Person“ gelesen und die Frage: „Was würde es bedeuten, wenn wir statt Gegenständen, Menschen unterrichten?“ hat mich seit damals sehr geprägt.
Das worauf wir schauen, prägt unser Tun und haben wir die Lernenden und nicht den Lehrstoff im Blick, wenn es um Unterrichtsgestaltung geht, dann wird klar, dass wir bei einem Unterricht, indem wir die Lernenden nicht belehren, sondern begleiten, auf folgende Dinge zu schauen haben.
Vorwissen: in einer durch Medien sehr stark geprägten Welt wachsen Kinder und Jugendliche in einem Umfeld auf, das ihnen Zugang zu vielen Dingen gibt und damit kommen sie mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten und Können und dem unterschiedlichem Wissen in unseren Unterricht. Daran gilt es anzudocken, damit die fürs Lernen nötigen Vernetzungen im Gehirn passieren können. Das können wir als Lehrende nur schwer steuern, aber dafür umso mehr nützen und begleiten.
Emotionen: die Hirnforschung hat schon lange die Beweise dafür geliefert, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist, uns an etwas zu erinnern, wenn wir etwas erleben, das uns emotional berührt. Damit muss auch der Lehrstoff so für Lernende erlebbar sein, dass er sie überhaupt berühren kann, dass er etwas Bedeutsames für sie darstellt und damit auch gut verinnerlicht werden kann.
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Sinn: wir Menschen blühen auf, wenn das, was wir tun, für uns Sinn macht. Das trifft auch auf das Lernen zu. Nur wenn wir erleben, dass unser Tun uns weiterbringt und wir in dem, was wir tun, selbstwirksam werden können, bleiben wir auch bei für uns schwierigen Dingen dran.
Haltung: eine positive Haltung ist sowohl bei Lehrenden als auch bei Lernenden zentral wichtig, denn Studien belegen, dass sich ein positives Lernumfeld auf den Lernerfolg auswirkt. Damit ist es auch für die Lernenden wichtig, nicht untereinander verglichen zu werden, sondern den individuellen Lernfortschritt zu sehen und Fehler als Helfer beim Lernen wahrzunehmen.
All dies gelingt, wenn in Schulen ein Umfeld geschaffen werden kann, indem Lehrende und Lernende gemeinsam an Lernaufgaben arbeiten, wenn sie gemeinsam schauen, welche Ideen die Lernenden haben, wie sie eine gestellte Aufgabe bewältigen könnten und helfend, begleitend und ideengebend dabei unterstützt werden kann.
Der Weg dorthin wird vor allem in einer Änderung der Strukturen liegen. So lange 50 Minuten den Takt bestimmen, werden solche Dinge nur schwer umsetzbar sein. Und somit ist wohl die Tätigkeit, die wir Lehrer*innen tun, anders zu definieren: nämlich nicht über Stunden, sondern über pädagogische und didaktische Aufgaben.