Warum ich mein virales Video gelöscht habe

Warum ich mein virales Video gelöscht habe

Meine Mama hat diese Woche einen Anruf bekommen. Mit meiner Stimme am anderen Ende der Leitung. "Ich" erzählte, ich hätte einen Autounfall gehabt – tränenerstickt, Verkehrsgeräusche im Hintergrund. Alles super realistisch. Nur, dass ich eben kein Auto habe. Daher konnte meine Mama schnell schalten und den Betrug auffliegen lassen. Der Schreck saß ihr natürlich trotzdem in den Gliedern.

Ich hatte von solchen Fällen schon gehört. Dass im englischsprachigen Raum ganze Entführungen so gefaked wurden. Dabei wird die KI genutzt, um die Stimme der geliebten Person nachzuahmen. In meinem Falle ist das sicher besonders einfach – denn man hört ja genug Stimm-Kostproben im Internet, um die KI zu trainieren. Eine Kehrseite der Sichtbarkeit.

Meine Familie und ich haben jetzt ein Codewort. Damit wir dieses abfragen können, wenn uns etwas komisch vorkommt.

Direkt nach Mamas Nachricht schaltete ich – ungeschminkt wie ich war - die Kamera ein und quatschte diese Geschichte auf. Mir hatte es nämlich leid getan, dass ich meine Eltern nicht vorgewarnt habe, dass so etwas passieren kann.

Es sollten noch mehr Menschen über diese Gefahr Bescheid wissen und mit ihren Familien darüber sprechen.

Ich wusste, als ich auf „Veröffentlichen“ klickte bereits: Dieses Video könnte viral gehen. Denn es hat so viele Bedingungen dafür erfüllt:

  1. Aktualität: Alle reden über KI, ihre Möglichkeiten und Gefahren. Und letzteres hatten wir gerade am eigenen Leib erfahren.
  2. Authentizität: Ich war ungeschminkt, habe direkt aus dem Moment heraus erzählt – mit allen „ähms“ und Versprechern.
  3.  Botschaft mit Mehrwert, die alle anging. Jeder Mensch hat Verwandte, die er warnen möchte und mein Tipp dazu war klar und konkret. Das Video war prädestiniert dafür, dass man es mit den Followern und im Whatsapp-Familienchat teilen wollte.

Die ersten Stunden nach dem Posten, wurde das Video wie wild geteilt und viele haben mir gedankt. Auf TikTok schrieben einige auch von ähnlichen Geschichten in die Kommentare. Es ist gruselig, wie viele Eltern und Großeltern schon auf diesen oder ähnliche Tricks reingefallen sind.

Ganz ehrlich: Es hat sich saugut angefühlt, etwas zur Aufklärung beizutragen. Dieses Video war kein Marketing für meine Produkte – aber es handelte ja auch von Sichtbarkeit und passte deshalb zu mir, fand ich.

Dann ist die Stimmung gekippt. Auf TikTok hatte mein Video inzwischen über 600.000 Aufrufe, bei Instagram über 22.000. Plötzlich kamen Kommentare, dass ich lügen würde (WARUM sollte ich mir sowas ausdenken?), außerdem wurde ich in Privatnachrichten nach Informationen zu meiner Familie gefragt und sogar große Boulevardblätter schrieben mich an: Sie wollten mich und meine Mama interviewen.

Jetzt habe ich beide Videos archiviert. Ich will nicht das Gesicht von „die wurde von der KI verarscht“ werden. Keine reißerischen Geschichten lesen. Und vor allem will ich nicht, dass noch einmal das Telefon bei meinen Eltern klingelt.

Was ich wollte, war warnen – und ich denke, die Botschaft ist jetzt raus.

Mach auch du mit deiner Familie ein Codewort aus und erzähle deinen Freund*innen davon, ja? Denn DAS war die Intention meines Posts.

So lange mein virales Video diese Intention erfüllt hatte, habe ich es stehen lassen. Als es plötzlich in Richtung „zweifelhafter Fame“ kippte, habe ich es unsichtbar gestellt – das Risiko-Nutzen-Verhältnis hat für mich nicht mehr gestimmt.

Und genau aus diesem Grund predige ich immer wieder, warum es so wichtig ist, dass du bei jedem einzelnen Post deine Intention kennst. Frag dich: WARUM poste ich das? Nur so kannst du achtsam auf Social Media unterwegs sein. Für dich und für andere. Und nur so kannst du überprüfen, ob ein Post sein eigenes kleines Warum erfüllt.

Ich wünsche dir ein schönes Wochenende – bleib achtsam ... und mach mit deiner Familie ein Codewort aus.


Alles Liebe, Bianca

🎯Ulrike Anderwald

📌Marketing Beratung & Marketing Coaching I Certified eCommerce & Social Media Consultant I Durch mehr online Sichtbarkeit zu mehr Kunden I Für Selbständige jeder Branche + kleine Unternehmen

1 Jahr

Tolle Story! Ja sind die unschönen Seiten an die wir jetzt auch denken müssen.

Susanne Lohs

👩🏻💻 SEO-Texterin | 🍿 KOPFKINO-Texte statt "verkopfte" Texte für Website, Blog, Newsletter und Social Media Kanäle von Selbstständigen und KMU

1 Jahr

Danke fürs Teilen deiner bzw. eurer Geschichte, Bianca! Mit meiner Tochter habe ich schon seit Kindergartentagen ein Codewort vereinbart, mit meiner Mama spannenderweise nicht, obwohl ja gerade ältere Menschen für derlei unwürdige Tricks missbraucht werden. Deshalb danke für den Hinweis – ich werde jetzt auch mit meiner Mama einen Code ausmachen. 🧡

Ariane Nake

Von der VA zur ausgebuchten Digital Marketing Expertin! 🚀 Lerne Webdesign, E-Mail Marketing & Onlinekurse und positioniere dich in einem der profitabelsten und gefragtesten Märkte unserer Zeit!

1 Jahr

wow heftig! Danke für's Teilen. Das kannte ich bisher auch noch nicht.

Lena Weinert-Göller

Healthy Leadership für FEMpreneure I ganzheitliche Führung & gesundes arbeiten I Durch Bewegung, Pausen & Ayurveda zu deiner Balance I Profile Dynamics® Beraterin I über 15 Jahre Erfahrung im Sektor Sport & Gesundheit

1 Jahr

Tausend dank dass du deine Geschichte teilst. Einerseits bzgl. der Warnung und dem guten Tipp, aber auch dass du mit uns teilst WARUM du das Video dann archiviert hast. Ich kann alles sehr gut nachvollziehen. Danke fürs Vorleben.

Vielen Dank für deine Offenheit und die Warnung! Es ist erschreckend, das zu lesen. "Authentizität" wird vor dem Hintergrund solcher und ähnlicher Täuschungen meines Erachtens zukünftig noch eine viel gewichtigere Bedeutung bekommen. Eng verknüpft damit auch das Thema "Vertrauen". Für mich stellt sich die Frage: Wie wird sich unsere Fähigkeit, vertrauen zu können, entwickeln, je häufiger wir getäuscht werden und damit konfrontiert sind, unseren Sinnen nicht trauen zu können?

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen