Warum Teilzeit-Eltern eine Geheimwaffe für Arbeitgeber*innen ist
Man liest oder hört es selten in so plakativen Worten, aber: Meiner Meinung nach herrscht in unserem Land die Überzeugung, dass eine Frau, sobald sie Mutter geworden ist, keine vollwertige und ernstzunehmende Arbeitnehmerin mehr ist. Kaum ist das Baby auf der Welt, gibt es so etwas wie den “Mutti-Stempel”. Man traut Müttern automatisch weniger zu und Teilzeit-Wünsche werden oftmals mit einem Augenrollen zur Kenntnis genommen. Wer weniger anwesend ist, ist weniger wert. Und zack, sind diese Frauen raus aus ihrer bisher hart erarbeiteten Karriere.
Teilzeit ist nicht gleich Teilzeit
Es gibt immer noch diese Sätze, die die Arbeit in Teilzeit abwerten. “Puh, ich hatte heute einen 10-Stunden-Tag. Aber das kennst du ja gar nicht.” Meistens kommen sie von denjenigen, die diese Situation noch nicht selbst erlebt haben. Denn sonst wüssten sie, dass eine Mutter, die nach getaner Teilzeitarbeit noch ihr Kind betreut, letztlich einen deutlich längeren Arbeitstag als einen von 10 Stunden hat. Es fehlt die Anerkennung für Care-Arbeit und die Selbstverständlichkeit für (Führungs-) Jobs in Teilzeit.
Bewusst habe ich hier von einer Mutter (und nicht von einem Vater) in Teilzeit gesprochen, denn das ist das gängige Modell in Deutschland. Inzwischen gibt es auch immer mehr Väter, die diesen Schritt gehen; vollkommen richtig und unterstützenswert. Jedoch mit einem großen Unterschied: Statt dem Prädikat “faule (oder wahlweise gestresste) Teilzeit-Mama” bekommen sie den Orden “verantwortungsvoller und fortschrittlicher Vater in temporärer Teilzeit”. Mich nervt, wenn Väter beklatscht werden, weil sie ihre Arbeitszeit reduzieren. Wenn das aber ein neues Bewusstsein schafft, neue Vorbilder entstehen und langsam die scheinbar zementierte Rollenverteilung aufbricht, dann klatsche ich gern mit.
Statt Mütter oder Väter sollten viel mehr ganze Familien gesehen werden. Ja, ich denke hier im Mutter-Vater-Kind(er)-Muster. Ich weiß, dass es auch andere Familienkonstellationen gibt oder Alleinerziehende, die wiederum andere Herausforderungen meistern müssen. Ich beschränke mich hier aber bewusst auf das zahlenmäßig dominierende Modell in Deutschland. Ich wünsche mir also, dass beide Elternteile zu gleichen Teilen in die Verantwortung genommen werden. Nur dann, wenn Männer nicht nur Wochenend-Spielgefährten sind, sondern auch Verantwortung im Alltag der Kinder übernehmen, wird sich langfristig etwas ändern. Wie aber kann diese Forderung fruchten? Ein erster Schritt: Die Arbeitgeber müssen Männer explizit dabei unterstützen, Elternzeit zu nehmen. Und wir Frauen müssen das auch bei unseren Männern einfordern. Dann wird es mit der Zeit auch “normaler”, dass Männer nach der Elternzeit in Teilzeit weiterarbeiten.
Eine steile These
Ein gängiges Argument, warum Väter so selten in Teilzeit gehen, ist die Angst vor einem Karriereknick. Und das ist vollkommen berechtigt! Denn tatsächlich ist es ja so, dass das Kinderkriegen und die größten Karrieresprünge zwischen Ende 20 und Ende 30 fallen – meistens also zur gleichen Zeit. Wer sich dann für die Familie und Teilzeit entscheidet, der läuft Gefahr, dass andere an einem vorbeiziehen, Position und Gehalt sich anders entwickeln als gewünscht. Doch deshalb alles so lassen wie es ist und genau dieses Risiko mehr oder weniger unausgesprochen den Frauen überlassen? Das ist für mich keine Option.
Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern sind zwar schon vor der Geburt eines Kindes ein großes Problem, aber erst danach werden Frauen so richtig in die Altersarmut getrieben. Im Durchschnitt verdienen sie 61 Prozent weniger als im Jahr vor der Entbindung, mit direkten Auswirkungen auf die Rentenleistung. Während ihrer Gesamtarbeitszeit leisten Frauen 45 Prozent unbezahlte Arbeit, im Gegensatz zu 28 Prozent bei Männern. Lösen kann man dieses Problem nur dann, wenn Arbeitgeber familienfreundlicher werden. Wenn Vorgesetzte die Familienplanung als selbstverständlich sehen, das Thema bei allen – Männern und Frauen – auf die Agenda bringen und ein gleichberechtigtes Umfeld schaffen. Dann sollte auch klar sein, dass sich mit einer eigenen Familie das (Arbeits-)Leben in jedem Fall zum Positiven ändert, dass es gute Lösungen gibt, beides miteinander zu vereinen; dass diese Lösungen Müttern und Vätern zur Verfügung stehen und die Lasten gleich verteilt werden.
Eltern sind die besseren Arbeitnehmer*innen
Nun mag man fragen: Was haben die Arbeitgeber davon, wenn sie Elternzeit fördern und Teilzeit normalisieren? Neben meinem eigenen Empfinden gibt es immer wieder Studien die belegen, dass Eltern im Job spezielle Qualitäten einbringen. Die Notwendigkeit von Strapazierfähigkeit, Struktur und Stressresistenz kennen Eltern nur zu gut. Dieses Potenzial sehen viele Führungskräfte leider nicht. Sie könnten es aber heben und für sich nutzen, wenn sie die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Vor allem in Zeiten eines akuten Führungskräftemangels, wenn alle um die besten Mitarbeiter*innen konkurrieren.
Arbeitnehmer sollten in neuen, flexiblen Arbeitszeitmodellen denken. Einerseits klassisch, mit einer reduzierten Stundenzahl im “Vormittags-Modell”. Wer dann weiß, dass der Arbeitstag vor dem Mittagessen beendet ist und es auch keinen Puffer nach hinten gibt, der arbeitet in der Regel konzentrierter und effizienter. Siehe dazu auch die Argumentationen der aktuell wieder auflebenden Diskussion zur 4-Tage-Woche. Oder andererseits mit wirklich flexiblem Arbeiten, das gewährleistet, dass die Arbeit zum Leben passt – und nicht umgekehrt. Ganz nebenbei trägt das auch positiv zum Employer Branding bei. Vertrauensarbeitsplatz und -zeit, Homeoffice oder Job-Sharing sind nur Beispiele, wie man als Arbeitgeber kreativ werden und den Mitarbeiter*innen entgegenkommen kann.
Unsere digitalisierte Arbeitswelt schafft Möglichkeiten, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen sind. Aktuell bleiben sie noch weitgehend ungenutzt. Wenn wir beruflichen bzw. unternehmerischen Erfolg fortan aber eher an erreichten Zielen statt an Zeit im Büro messen, dann werden wir es schaffen, die Vorurteile gegenüber der Teilzeit abzubauen, unsere Gesellschaft voranzubringen und die Arbeitswelt revolutionieren.
Founder Mom Hunting I HR Tech I Career Moms & Vereinbarkeitsfreundliche Unternehmen I Vereinbarkeit I Diversity I New Work
4 JahreVielen Dank für diesen großartigen Artikel, liebe Sara Urbainczyk! Ich kann alle Punkte so bestätigen, da ich sie selbst als Mutter, Führungskraft in Teilzeit und Leaderin eines fast reinen Mütterteams so erlebt habe. Mütter in Teilzeit bringen unglaublich viele Assets mit, von denen Unternehmen in vielerlei Hinsicht profitieren und sie verdienen endlich ihre eigene Lobby! Mit Momhunting (www.momhunting.com) setze ich genau dort an: Familienfreundliche Unternehmen können sich über Momhunting bei talentierten Career Moms "bewerben". Quasi modernes Headhunting für Mütter. Wenn es hier Career Moms gibt, die nach der Elternzeit voll durchstarten oder ihrer Karriere einen neuen Kick verleihen wollen, meldet Euch sehr gerne bei mir!
Kaufm. Angestellte bei GEHE Pharma Handel GmbH (Subidiary Celesio AG), Stuttgart
4 JahreDas gilt aber nur für digitale Bürojobs, es gibt auch normale körperliche Arbeit die nicht angepasst sondern erledigt werden muss. Das größere Problem ist ungleicher Lohn, wenn Frauen gerechter entlohnt würden gäbe es manche Probleme nicht. Aus der Sicht der Führungsposition ergeben sich da doch ein wenig einfacherer Probleme, finde ich eine gute Kinderfrau? Die meisten jungen Familien sind froh wenn sie Großeltern in der Nähe haben, das ist schon ein Privileg. Ich finde es besonders schade das alle Diskussionen nur um bestimmte Berufsbereich gehen, die einfachen Angestellten und Arbeiter/innen können sich da nicht wiederfinden, stellen aber die größte Gruppe.
Podcast-Host und Redakteurin für crossmediales Corporate Storytelling
4 JahreDanke für dein wunderschönes Plädoyer für Eltern in Teilzeit! Ich würde mir wünschen, dass auch Führungsjobs in Teilzeit bald keine Seltenheit mehr sind.
🔗 Expertin Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben: Geschäftsführende Inhaberin Concept of worq GmbH I Initiatorin & Dozentin Zertifikatslehrgang Vereinbarkeitsmanager:in (IHK) I Linkedin Changemakerin
4 JahreDurch den branchenübergreifenden Austausch mit berufstätigen Müttern in unserem Mama Meeting Business Club sind wir uns mittlerweile sicher: es gibt nicht den das EINE perfekte Konzept für Vereinbarkeit. Vielmehr ist Vereinbarkeit ein Netzwerk, Kontakte und passendem Support für jede Lebenslage!
"Wer heilt hat Recht" Hippokrates / SALUTOGENESE / Biologische Medizin
4 JahreAn der Uni fiel mir auf -Mütter mit Babies wurden von den Professoren aktiv rausgeekelt aus Vorlesungen..ABER bei den Diplomprüfungen waren sie dann umso souveräner!!! Die konzentrierten sich auf das absolut Wesentliche! Vielleicht hatten sie auch eine Jetzt-Erst-Recht-Mentalität entwickelt. Während unsereiner sich gern verkünstelte und immer mehr lernte und die Ängste dabei schürte. So manche Versangensangst hat zu schlechteren Noten geführt. Aber vielleicht war das auch nur eine sehr strenge Selektion bei den Müttern. Wer weiss wieviele vorher aufgegeben haben.