Warum wahre Größe auf Augenhöhe beginnt
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Warum wahre Größe auf Augenhöhe beginnt

Ich habe viele erfolgreiche und mächtige Menschen kennengelernt. Prominente, Politiker und andere wichtige Persönlichkeiten oder jene, die sich dafür hielten. Es ist sehr interessant sie zu treffen, weil man ihr Gesicht sonst nur aus der Zeitung oder von dem Bildschirm kennt. Doch es waren meist andere Menschen, die mich wirklich beeindruckt haben. Als Fotograf lernt man sein Gegenüber auf ganz besondere Weise kennen - es nützt der Person vor der Kamera nichts, Masken zu tragen wenn das Ergebnis authentisch sein soll. Das haben leider noch nicht alle "VIPs" verstanden, auch wenn sie häufiger fotografiert werden als Normalsterbliche. Ich habe bei meiner Arbeit viel über Wirkung gelernt und wie sie sich entfalten kann - und was es heißt, "wahre Größe" zu besitzen. 

Es ist ein ganz besonderer Nimbus der mächtige Menschen umgibt. Aus der Entfernung versteht man die Bewunderung die ihnen zuteil wird, es hat etwas Glamouröses, Geld und Erfolg zu haben, wenn das Gesicht eines Menschen Zeitschriftencover ziert und jedes Kind ihren Namen kennt. Zu schnell wird dabei vergessen, dass hinter all der Fassade, hinter all dem Erfolg und einem Titel nur eine Person wie du und ich steckt. Ich kann mir vorstellen, dass es nur allzu verführerisch ist jene Bewunderung für bare Münze zu nehmen. Sich an die Aufmerksamkeit zu gewöhnen, die man erregt, wenn man nur den Raum betritt. So kann ich es mir erklären, dass ich oft enttäuscht war, wenn ich diese "Reichen und Schönen" dann persönlich kennengelernt habe. Das soll keinesfalls falsch verstanden werden, viele von ihnen waren sehr respektvoll und wertschätzend, doch es gab auch jene, die sich wie ein verwöhntes Einzelkind benommen haben, mürrisch und fordernd und so gar nicht auf dem Boden geblieben. Der Erfolg steigt einem vermutlich schneller zu Kopf als man meint. 

Ist das eigentlich zu viel verlangt?

Ich kann mich grundsätzlich schnell für Menschen begeistern und dabei gibt es Dinge, auf die ich besonders achte. Einer meiner wichtigsten Grundsätze ist es, dass ich jedem auf Augenhöhe begegnen will - eine respektvolle Grundlage, die ich auch von anderen erwarte. Ist das eigentlich zu viel verlangt? Wäre es nicht wichtig, dass sich ein Politiker volksnah gibt und sich von seinem hohen Ross schwingt, ehe er dir die Hand gibt? Vielleicht, damit ich spüren kann, dass wir aus dem selben Holz geschnitzt sind, damit ich begreife, warum er für mich spricht und Entscheidungen trifft? Elitäres Gehabe schreckt mich ab, was glaubt jemand wer er ist, wenn er mich warten lässt, oder einen Termin ein paar Minuten vor Beginn durch seine Assistentin absagen lässt? Ist seine Zeit wirklich wertvoller als meine? Ich finde, wir alle haben Respekt verdient. Egal wie klein ein Mensch ist, wie erfolglos oder wie wenig vermögend - hat er nicht verdient, dass man ihm auf Augenhöhe begegnet? Und wenn jemand auf dem Boden liegt, würde das Konzept Augenhöhe nicht bedeuten, dass wir auch manchmal auf die Knie gehen müssen? 

Zum einen gibt es den Status, einen gesellschaftlichen Stand, und zum anderen gibt es Größe. Diese ist völlig unbeeinflußt davon wer du bist und was du verdienst oder mit welchen Menschen du dich umgibst. Dieses respektvolle Gegenübertreten ist immer möglich, egal in welcher Konstellation. Größe steht über all den Konventionen und Traditionen und existiert jenseits aller Gesellschaftsschichten. Sie gewährleistet einen wertschätzenden Umgang und eine faire Führung. Eben diese wahre Größe beginnt auf Augenhöhe - es ist die Begegnung zweier Menschen. Nicht als Boss und Arbeitnehmer, als Kunde und Dienstleister oder Vater und Sohn, Mann und Frau. Sind wir uns nicht alle viel ähnlicher als wir denken? Wäre das nicht ein Weg zu einer neuen Verbundenheit - über Ländergrenzen und Engstirnigkeit hinaus? 

Der Maßstab ist beliebig

Viele problematische Konstellationen lassen sich daraus ableiten, dass diese Verbindung auf Augenhöhe nicht funktioniert - jeder der einen schlechten Gewinner oder Verlierer anstrengend findet - wird mir zustimmen. Rassismus und Sexismus gründen auf der aus der Luft gegriffenen Annahme, dass man selbst besser ist als jemand anderes. Jede Form der Diskriminierung ist das Produkt eines Schiefstandes in der Wahrnehmung. Doch das ist erst der Anfang - auch auf der anderen Seite wird die Freiheit dadurch eingeschränkt: Wer glaubt, sich nicht auf Augenhöhe mit einem anderen zu befinden, stellt ihn auf ein Podest und erschwert nicht nur eine realistische Wahrnehmung und damit die Kommunikation mit dieser Person - er neigt in der Überhöhung dazu, einer Person Fehlverhalten bedingungsloser zu verzeihen und sie zu idealisieren. Das gibt eben dem Einzelnen die Möglichkeit, die Postion auszunützen um eine Folgschaft zu genieren und seine Pläne durchzusetzen. Der Maßstab dazu ist beliebig, das funktioniert in Familien, Freundeskreisen, Unternehmen und auf nationaler Ebene. Beispiele dazu gibt es zu Tausenden. 

Es liegt an jedem selbst dieses Karussell zu stoppen und eine Instrumentalisierung von Macht zu verhindern oder einzudämmen. Die Entscheidung meinem Gegenüber auf Augenhöhe zu begegnen kann ich jeden Tag neu treffen. Dabei verlangt niemand, dass es immer funktioniert - doch es hilft, es zu erkennen während es geschieht. Wie so vieles liegt der Schlüssel darin zu reflektieren und sich selbst bewusster zu sein. Vielleicht macht man sich zu klein, lässt sich ausnutzen oder den Schneid abkaufen oder man ist unhöflich zu einer Kellnerin, die vielleicht heute einen schlechten Tag hat. Wann immer man mit Menschen zu tun hat, ist Größe möglich und geschieht bei fast jeder Kommunikation. Sieh dich um, auch der charmanteste Kavalier kann eine dunkle Seite haben, auch wenn er dir den Stuhl herausrückt damit du dich setzen kannst: Die wahre Größe eines Menschen erkennst du daran wie er mit scheinbar Untergebenen umspringt. Es gehört mehr dazu als ein Zahnpastalächeln wenn man ein guter Mensch sein will - es ist ein Entgegenkommen - nicht nur räumlich, vor allem in der Augenhöhe. Weil es nicht nur dein Leben verschönert - es hat die Macht, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.



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