Warum wir die Geschäfte am Sonntag nicht eröffnen sollten.

Wird es für Käufer bald die Möglichkeit geben, auch sonntags in den umliegenden Läden auf Shoppingtour zu gehen? Der Deutsche Handelsverband setzt sich aktuell für diesen Wandel ein. Warum ich glaube, dass wir so etwas in Deutschland überhaupt nicht brauchen. Ich halte das OVG-Urteil zur Sonntagsöffnung im Advent fur richtig.

Seit etlichen Jahren kann in Deutschland am Sonntag nicht eingekauft werden – zumindest nicht in stationären Geschäften. Was zum Shoppen bleibt, ist der Online-Einkauf. Genau hier sieht aber der Deutsche Handelsverband das Problem. Der "Welt" sagte der Handelspräsident Josef Sanktjohanser: "Wir sperren uns ja nicht gegen Vorgaben. Bislang aber wird teils nach ideologischen Maßstäben gehandelt. Und das treibt den Niedergang der Innenstädte noch weiter voran. Profiteur ist dann am Ende allein der Onlinehandel." Um den Ruin zahlreicher Geschäfte zu verhindern, ist seine Ansicht: "Der beste Weg ist eine Grundgesetzänderung."

Persönlich glaube ich, stimmt etwas mit dem Geschäftsmodell nicht, wenn man einen extra Tag braucht, um sein Geschäft aufrecht zu halten. Ich glaube es sogar nicht nur, ich weiß es sicher. Wir zum Beispiel sind ein Niederländisches Unternehmen, das im Bereich Babyartikel tätig ist. In den Niederlanden dürfen die Geschäfte sonntags in den meisten Städten öffnen. Wir sind am Sonntag jedoch immer sowohl online als auch offline geschlossen.

Neben unseren religiösen Argumenten halten wir es für wichtig, dass unsere Mitarbeiter sich mindestens einen Tag in der Woche komplett erholen können. Wir bauen gerade unsere Geschäfte in Deutschland auf und finden es unglaublich positiv, dass es hier noch so etwas gibt. Wir geben uns deswegen auch alle Mühe, den Sonntag als Ruhetag aufrecht zu erhalten. Und ja, auch wir sind Arbeitgeber in Deutschland und halten dies deswegen für ein wichtiges Thema.

Wie anfangs erwähnt, braucht man keine 7 Tage die Woche zu öffnen, wenn man ein gutes Geschäftsmodell auf die Beine gestellt hat. Wir halten es für wichtig, dass wir dies auch ganz klar an die Behörden weitergeben. Wir können auch ohne verkaufsoffene Sonntage erfolgreich sein.

Natürlich kann man mit dem Schutz der Arbeitnehmer argumentieren – oder auch damit, dass kleine Betriebe immer dann, wenn es um mehr Freiheiten für Unternehmen an sich geht, benachteiligt sind. Wenn beispielsweise nur der Inhaber oder sein Partner hinter der Theke stehen, ist natürlich nicht so viel Flexibilität gegeben wie in einem Betrieb, der eine stattliche Anzahl an Mitarbeitern hat, wie zum Beispiel in unserem Unternehmen. Deshalb sind diejenigen, die gegen eine völlige Freigabe der Ladenschlusszeiten streiten immer auch Anwälte der Kleinbetriebe und des Mittelstandes. Wir schließen uns gerne an. Aber diese Argumente werden mit der Coronapandemie offensichtlich schwächer und die Arbeitswelt ändert sich natürlich auch. Das beobachten auch wir. Der Vormarsch des Internets verändert das Kaufverhalten und die Ansprüche der Käufer. Aber das sind auch Chancen, die man mit einer Omnichannel Strategie perfekt umsetzen kann.

Die Leute halten sich immer weniger an strenge Zeitvorgaben für ihren Einkauf. Und wenn der Einzelhandel mit der Konkurrenz im Netz mithalten will, dann muss er sich stärker präsentieren und mehr Möglichkeiten bieten. Aber das hat nichts mit einem verkaufsoffenen Sonntag zu tun.

Lediglich ein Tag in der Woche, der Sonntag, sollte davor geschützt bleiben. Und zwar aus kulturellen Gründen.

Die christliche Tradition ist das Eine, man kann sie nicht einfach vom Tisch wischen mit der Bemerkung, dass die Zahl der Kirchgänger und Gläubigen sowieso ständig schwinde. Die Tradition hat einen Sinn, der unabhängig davon besteht, wie stark sich die Menschen gerade danach ausrichten. Die tiefere Bedeutung des freien Sonntags – oder auch des freien Wochenendes – liegt in der Muße. Die Menschen sollen abschalten, runterfahren, sich besinnen. Natürlich darf der Staat die Bürger weder bevormunden noch erziehen, er muss ihre Eigenständigkeit akzeptieren. Jeder soll selbst entscheiden können, wann er für sich eine Pause einlegt.

Nur ist die Wirklichkeit in der hektischen Zeit oft so, dass die Pausen einfach wegfallen. Das gilt heute, im Zeitalter von Computern, Handys und digitalen Daten, viel stärker als früher. Der einkaufsfreie Sonntag kann eine gute Antwort darauf sein – nicht als staatliche Vorgabe für das Verhalten der Menschen, die in einer freien Gesellschaft sowieso tun und lassen können, was sie wollen. Die Regel ist vielmehr Ausdruck einer Sonntagsruhe als gesellschaftlichen Konsens, als allgemeine Vereinbarung über eine Ruhezeit, die ja nie allumfassend und absolut sein kann, zumal in Gaststätten, Redaktionen, Polizeistationen, Krankenhäusern und vielen anderen Einrichtungen natürlich rund um die Uhr gearbeitet werden muss.

In einer Zeit der Reizüberflutung, in der alte Gewissheiten verloren gehen, in der der politische Diskurs zunehmend verroht und abstumpft, in der Autoritäten wie Politiker, Medien und Wissenschaftler an Ansehen verlieren und in der die Hektik des Alltags immer mehr zunimmt, ist die Entschleunigung eine notwendige Antwort. Die Hoffnung, mit dem Schutz des einkaufsfreien Sonntags dies alles erreichen zu können, ist sicher übertrieben. Das verstehe ich. Es geht eigentlich nur um ein Zeichen. Seit vielen Jahrhunderten hat der Sonntag in unserer Kultur eine besondere Bedeutung als Tag der Ruhe und des Ausspannens.

Daran sollte festgehalten werden – wegen der Gewissheit, dass immer mehr Betriebsamkeit, immer mehr Konsum und immer mehr Aktivität die Menschen auf Dauer überfordern müssen. Was wir brauchen, ist mehr Besinnung auf uns selbst.

Wir glauben, dass auch wir uns als Arbeitgeber dafür einsetzen müssen. Deswegen auch unsere ganz klare Aussage: unserer Meinung nach brauchen wir keine verkaufsoffenen Sonntage in Deutschland.

Natürlich haben wir Respekt für jede andere Meinung, halten es aber für wichtig und notwendig auch unsere Meinung zu diesem Thema zu erklären. 

Sebastian Grunow

Abteilungsleiter Digitalisierung bei der IHK Schwaben

2 Jahre

Sehen wir genau so! Wen genau vertritt denn der Handelsverband da, wenn er Sonntagsöffnungen fordert? Mich sicher nicht. Helft den Retailern lieber bei der Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle. 😘

Heiko Schneider

Mit mir erreichen lokale Unternehmen mehr Kunden, Sichtbarkeit und Umsatz. 🛍️

3 Jahre

Ich finde, dass wir mehr solcher Stimmen brauchen, die die Relevanz des Sonntags für die Seele der Menschen, aber auch für den Erhalt von Traditionen in den Vordergrund stellen. Ich bin selbst sehr christlich aufgewachsen, habe mich mit der Zeit aber mehr und mehr von der Religion gelöst. Dennoch glaube ich zu verstehen, warum der christliche Glaube den freien Tag vorsieht. Der Mensch braucht einen Tag der komplett für die Familie und ihn selbst reserviert ist. Er braucht einen Tag, an dem er sich einfach um sich kümmern kann. Und je schneller unsere Welt wird, desto dringender wird der Sonntag als Tag der Ruhe eigentlich benötigt. Toll von Ihnen ausgedrückt!

niek de bree

Bestuurslid Dorcaswinkel Opheusden

4 Jahre

Gut gesagt Jan

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