Warum wir einen Kulturwechsel im Recruiting brauchen
+ ein Praxisbeispiel, wie dieser aussehen kann
unsplashed.com

Warum wir einen Kulturwechsel im Recruiting brauchen + ein Praxisbeispiel, wie dieser aussehen kann

Wenn ich in meiner Arbeit, ob im Kundengespräch oder auf Veranstaltungen, mit Unternehmern oder Personalverantwortlichen spreche, dann bekomme ich oft folgendes zu hören (beobachten Sie doch gerne, ob Sie das auch schon einmal gesagt haben):

„Die Jugendlichen heutzutage wollen nicht arbeiten, sie sind unzuverlässig, illoyal und nicht in der Lage selbstständig Verantwortung zu übernehmen.“

Lassen wir diese Aussage einfach mal unbewertet stehen und schauen wir uns an, was mir Jugendliche auf Instagram, Snapchat oder bei meinen Workshops in Schulen sagen:

„Ich weiß einfach nicht, was ich später machen möchte. Ich habe keine Ahnung, ob ich studieren oder eine Ausbildung machen soll. Ich weiß nicht, was ich gut kann. Wie finde ich denn den richtigen Arbeitgeber für mich?“

Für mich klingt das nach einer großen Kluft im gegenseitigen Verstehen. Und das zeigt sich auch in der Realität. Unternehmen, besonders im Handwerk und im Mittelstand, haben ein großes Problem, qualifizierte Auszubildende zu finden. Und auf der anderen Seite gibt es zahlreiche Jugendliche, die verzweifeln, weil sie nicht wissen, was sie machen wollen oder welche Ausbildung bei welchem Unternehmen zu ihnen passt.

Das führt dazu, dass viele Jugendliche sich erst einmal für ein Studium entscheiden, weil Sie dort genug Zeit haben, sich „unverbindlich“ zu orientieren. Dabei merken viele während des Studiums oder auch erst danach, wenn sie in der Arbeitswelt ankommen: Das war gar nichts für sie!

Und Unternehmen suchen händeringend nach Mitarbeitern und Auszubildenden, die sich für ihr Unternehmen entscheiden.

Gleichzeitig aber wachsen die Ansprüche von Unternehmen an die Bewerber beständig, wodurch es denjenigen, die sich tatsächlich für eine Ausbildung entscheiden, zusätzlich schwerer fällt, eine für sie passende Ausbildung zu finden.

Da macht jemand etwas anders

Ich hatte das Glück einen in Düsseldorf ansässigen Event- & Coworking Space beim Auswahlprozess für den allerersten Auszubildenden des Unternehmens begleiten zu dürfen. Und was ich dort miterlebt habe, war ein so moderner, so wertschätzender Prozess, wie ich ihn noch in keinem Unternehmen erleben konnte.

Die Bewerber wurden alle gemeinsam eingeladen, um in drei Stunden auszuarbeiten, was ihre Interessen, ihre Stärken und Begabungen sind und in Gruppen zu definieren, welche Anforderungen die Ausbildung in diesem Unternehmen wohl mit sich bringt. Jeder Bewerber bekam ein individuelles Feedback und wurde gebeten, selber zu überlegen und eine Entscheidung zu treffen, ob er oder sie die Ausbildung machen will. Ganz besonders eindrucksvoll fand ich, dass man sich bewusst war: Es gibt unterschiedliche Persönlichkeitstypen. Und für jeden dieser Typen lassen sich die entsprechenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Unternehmen finden oder gar gestalten.

Ist das nicht auch das, was wir uns als Unternehmer und Personalverantwortliche wünschen? Mitarbeiter und Auszubildende, die nicht nur eine Arbeit oder Ausbildung haben wollen, sondern sich wirklich für unser Unternehmen entscheiden? 

Die nicht sagen „Ich will eine Ausbildung zum Bürokaufmann machen“, sondern „Ich will bei der Firma Mustermann die Ausbildung machen, weil ich zu diesem Unternehmen passe, in der Ausbildung Dinge lerne, die ich lernen will und Aufgaben bekomme, die mich interessieren und an denen ich wachsen kann“?

Denn das führt zu einer größeren Motivation, mehr Innovation, mehr Identifikation mit dem Ausbildungsbetrieb und auch zu besseren Arbeitsergebnissen.

Damit ein 16, 17, 18 Jähriger aber diese Entscheidung wie gewünscht treffen kann, muss er auch die benötigten Informationen und Fähigkeiten haben! 

Das bedeutet, er muss wissen:

  • Was kann ich besonders gut?
  • Wofür interessiere ich mich?
  • Was macht mir Spaß?
  • Was macht mich aus?
  • Was möchte ich (im Leben) erreichen?

Und:

  • Was macht das Unternehmen aus?
  • Was sind die Ziele des Unternehmens?
  • Was mache ich in meiner Ausbildung?
  • Was sind meine Aufgaben im Unternehmen?
  • Wofür bin ich verantwortlich?
  • Welche Anforderungen entstehen aus meinen Aufgaben und meiner Verantwortung?
  • Was lerne ich in meiner Ausbildung in diesem Unternehmen?-
  • Was für Vorteile hat es für mich und mein Leben, wenn ich bei diesem Unternehmen meine Ausbildung mache?

Vermutlich stimmen mir alle zu, wenn ich sage, dass Unternehmen definitiv die Aufgabe haben, die Informationen über ihr Unternehmen sowie die eigene Ausbildung Bewerbern zur Verfügung zu stellen. (Die Art und Weise wie das geschieht ist ein Thema für einen anderen Artikel. Stichwort Social Media & Employer Branding)

Aber wie bekommen die Bewerber die Informationen über sich selbst? Aus der Schule, habe ich schon öfter gehört. Von Beratungsangeboten wie von der IHK oder der Agentur für Arbeit, sagen viele. Doch wenn Sie an Ihre Bewerber denken, haben diese Ihrer Meinung nach dieses Verständnis über sich selber?

Ich behaupte nein. Es gibt kaum Schulen, die sich mit der individuellen Persönlichkeit jedes einzelnen Schülers auseinandersetzen (da es auch im aktuellen System für Lehrer fast unmöglich ist, dies zu bewerkstelligen) und die IHK oder die Agentur für Arbeit werden vor allem mit ihrem Angebot an Stellen wahrgenommen.

Was können wir jetzt tun?

Wenn Sie als Unternehmer, als Ausbilder oder Personalverantwortlicher unzufrieden mit der Qualität Ihrer Bewerber und ihrer Auszubildenden sind, dann ist das ihre Chance! Wir können nicht mehr warten und darauf hoffen, dass die Qualität der Bewerber auf wundersame Weise besser wird. Unternehmer kommt von etwas unternehmen.

Ob Sie es machen wollen wie der beschriebene Anbieter von Seminar- und Tagungsräumen, in Workshops, ob Sie Online-Trainings einsetzen, 1-on-1 Gespräche oder in Schulen gehen, es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie wir aktiv sicherstellen können, dass Unternehmen die passenden Mitarbeiter und Auszubildenden finden.

Schreiben Sie mir gerne bei Fragen und wenn Sie selber so einen Prozess bereits etabliert haben oder gerade einführen, dann freue ich mich sehr von Ihnen zu hören!

Schreiben Sie mir gerne bei Fragen und wenn Sie selber so einen Prozess bereits etabliert haben oder gerade einführen, dann freue ich mich sehr von Ihnen zu hören!

Christopher Schauf

Ich bin Gründer der Agentur für Ausbildungsmarketing  TheVision: und betreibe den Youtube-Kanal azubikom.


Dieser Artikel erschien auf Medium.com

Robert Mathes

E-Mentor at SPE International, 40 years Upstream Oil and Gas experience, Well Construction, HSE, ERP

6 Jahre

Herr Schauf, das ist ein sehr interessanter weg den sie hier folgen. Motivation ist eine Türe die von innen nur geöffnet werden kann, aber das heißt nicht das es eine hoffnungslose Aufgabe ist sie zu fördern. Ich habe Jahrelang als Recruiter gearbeitet um Bewerber fuer Technische rollen zu finden. Auch schon vor 30 Jahre war das problem immer das selbe, Studien Absolventen haben gar keine Ahnung was sie eigentlich machen wollen. Das war bei mir auch nicht anders. Ich hatte das Glück zwei Familienfreunde meiner Eltern zu haben die mir mit gutem rat halfen den richtigen weg fuer mich anzufangen. Aber wie kann man solche direkte Beratung an alle übermitteln? Da die Schulen überhaupt nicht dazu vorbereitet sind, muss das von seiten der Unternehmen und zukünftige Arbeitgeber kommen, in form von Seminare auf den schulen, Betriebs Führungen, Schnupperjobs wo jugendliche die Möglichkeit bekommen ein betrieb von innen kennenzulernen. Der aufwand ist gross und nicht einfach fuer kleine und mittelständige Unternehmen zu stemmen, aber mehrere einzelne können sich zusammen die aufgaben teilen und von der geteilten Arbeit später zu profitieren. Das muss koordiniert gemacht werden, zusammen mit den Schulen und Fortbildung Institutionen. Wenn zum Beispiel die Schulen ein Programm fuer Sommerjobs einführen wo Studenten in ein Unternehmen fuer 2 bis 5 Wochen das Betriebs leben von innen kennenlernen können mit angemessene arbeitsaufgaben und bei Mitarbeiter erfahren was dort alles geschieht, das wird ihnen ein ganzes Stück weiter helfen. Studenten können ihre Fähigkeiten entdecken und Arbeitgeber können Interessenten bewerten und viel genauer prüfen, bevor die Entscheidung fällt .

Peter Gruben

People Performance Booster,

6 Jahre

Danke fuer Ihren Artikel, ich denke das ist ein guter Ansatz jungen Menschen bei der Berufsfindung zu helfen. Wenn wir ueber Kultur sprechen, dann sind aber Recruiter und Firmen angesprochen. Wie koennen diese jungen Menschen helfen die Berufswelt zu verstehen, sich zu entwickeln und mit positiver Einstellung Leistung erbringen. Frueher wusste auch kein Jugendlicher was er fuer den Rest seines/Ihres Lebens machen sollte. Gut, da gab es aber anstelle eines 3 stuendigen Gespraeches ein Berufsfindungsjahr:-). Im generellen denke ich das junge Menschen heute oftmals von alten Denkweisen und Verhalten ausgebremst werden. Es geht hier nicht um eine Schuldfrage sondern um die beste Loesungsfindung und in meiner Erfahrung heisst die Loesung Balance.

JOERG SCHOEN - we are hiring and sell Trust for leading Brands and Corporate Cultures

Executive Search for: Consumer - Brands - Supply-Chains - FMCG - Systemgastro - Retail

7 Jahre

..spannend..aber richtig...Herr Schauf, wer auswählt muss viel genauer hinsehen und den Ausgewählten viel genauer hinsehen lassen..dann wissen beide worauf sie sich einlassen ...aber trotzdem, zuerst muss der Ausgewählte intrinsisch motiviert sein oder werden können, viel Erfolg Ihnen und den Auszubildenden..

Wolfgang Grothusmann

+++Unabhängige Immobiliengutachter mit über 20 Jahren ERFAHRUNG-Marktwertgutachten von Wohn-/Gewerbe- und Industrieimmobilien-öffentlich-rechtlich zertifiziert nach DIN EURONORM 45013 +++

7 Jahre

Hallo Herr Schauf....ich kann Ihren Überlegungen und ihrer Analyse absolut recht geben....was hier an Potential vernichtet wird und viel Leerlauf entsteht..unglaublich! Ich habe im Lauf der Jahre alle Systeme hinterfragt und stelle seit vielen Jahren Praktikanten/innen und neue Mitarbeiter/innen absolut nach dem Motto-Talentförderung und -entwicklung ein....jeder Mensch ist anders...die Zeugnisse sagen sehr wenig aus....auch Fehlerkultur und weg von den Machtspielchen-Vorgesetzter versus Mitarbeiter-sondern Fokus auf die Weiterentwicklung sind hier wichtig. Mit Respekt, Wertschätzung und offenen Dialog kommt man weiter und es macht viel Spass...ich lasse sogar die Praktikanten mich und unsere Firma nach Beendigung des Praktikums nach deinem strukturierten Fragebogen und Gespräch bewerten, um die Reflektion zur Weiterentwicklung zu erhalten. Danke für Ihren Beitrag!

Beatrix Mohammad, geb. Köhler

Verwaltungsassistent bei FHH Finanzbehörde

7 Jahre

Das ist wie schon erwähnt, ein Kultur-Fam. Erziehungsproblem. U.a. im Handyzt.alter wird ni ht mehr oder wenig kommuniziert. Das richtige Schreiben b.d.Jugendl.hat deshalb sehr abgenommen. Wie werden diese zukünftigen chefs/Mitarbeiter in derZukunft noch ein “normales“ soz. Verhalten an den Tag legen können. Sprechen und Ausdruck ist f.Sie schon heute ein Problem. Der Zug ist abgefahren.

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen