Wein am Kilimanjaro
Slipway Hotel & Shopping Center, Dar es Salaam ©Katarina Mose

Wein am Kilimanjaro

November 2021. Es ist neun Uhr. Ich stehe schwitzend bei grellem Sonnenschein und 32 Grad im Schatten im Diplomatenviertel von Dar es Salaam und warte auf meinen BOLT-Fahrer. Zum Glück braucht er nur ein paar Minuten. Die Klimaanlage dröhnt bei voller Leistung während der halben Stunde Fahrt zur Zentrale von Red ´N White. Auf meine Anfragen per E-Mail hat bisher niemand geantwortet, deswegen fahre ich auf gut Glück hin, ohne Termin. Was in Deutschland undenkbar wäre, ist in Tansania nicht unüblich. Und wie es der Zufall will, ist Geschäftsführer Arjan Tiessen im Haus und nimmt sich tatsächlich trotz seines vollen Kalenders Zeit für ein Gespräch. This is Africa.

Der Niederländer ist seit knapp fünf Jahren bei Red ´N White, davor war er etliche Jahre in der Tourismusindustrie. Auch wenn sein Swahili immer noch holprig ist, hat er über die letzten Jahre den Kundenstamm des Unternehmens weiter stark ausgebaut. Das Geschäft profitiert von der rasant wachsenden Mittelschicht in dem 62-Millionen-Land und ihren steigenden Ansprüchen. Tansania mag immer noch kein Land ausgewiesener Weinexpertise sein, aber die Zeiten, in denen vor allem südafrikanische Bag ´n Box-Weine im Einzelhandel vertrieben wurden, sind vorbei. Red ´N White bedient als landesweit größter Importeur mit mehr als 100 Mitarbeitenden alle großen Handelsketten sowie Gastronomie und Hotellerie. Im vor der Pandemie florierenden Tourismus – in Tansania stets hochpreisig, da Massentourismus politisch nie erwünscht war – ist das Unternehmen nahezu Monopolist.

Die breite Masse der Weine im Handel ist von durchschnittlicher Qualität, bewegt sich aber preislich in einem für deutsche Verhältnisse geradezu traumhaften Bereich mit 5 bis 15 € Verkaufspreis (inkl. 18% MwSt.). Im Tourismus wuchs zuletzt die Nachfrage nach Premiumweinen, und immer populärer werden Schaumweine, die im Volksmund hier allesamt fröhlich „champagne“ genannt werden und zu Preisen von 20 bis 40 € über die Ladentheke gehen. Gern auch ohne Alkohol. Aktuell ist die französische Schaumweinmarke Luc Belaire der Liebling der Party Crowd in Dar es Salaam und wird auch von lokalen Musikgrößen auf ihren Social Media-Kanälen heftig beworben – was sich in den Umsätzen merklich niederschlägt, wie Arjan verrät.

Allerdings sind bei diesen auf den ersten Blick hocherfreulichen Preisen die hohen Einfuhr- und Distributionskosten für europäische Weine zu berücksichtigen. Allein der Zoll liegt bei umgerechnet € 0,95 pro Liter. Südafrikanische Weine profitieren hingegen von der Zollfreiheit innerhalb der Southern African Development Community, der beide Länder angehören.

Und was könnten deutsche Weinbauetriebe tun, um auf diesem jungen vielversprechenden Markt Fuß zu fassen?

Nur zur Erinnerung: Deutschland exportiert ungefähr 1 Million von den im Inland produzierten 9 Millionen Hektoliter, importiert aber 14,5 Mio. Hektoliter, davon allein 5 Mio. Hektoliter aus Italien. Während in Italien, Frankreich und Spanien nahezu 100 Prozent der Weinbaubetriebe ins Ausland verkaufen, sind es in Deutschland gerade einmal die Hälfte, von denen die meisten keine großen Mengen ausführen.

Arjan zuckt mit den Schultern und lächelt fein. Chancen sieht er durchaus, aber man müsse zunächst einmal Zeit und Geld in das Marketing vor Ort investieren, denn deutsche Weine seien in Tansania weitgehend unbekannt. Die einheimische Kundschaft mag nicht nur trockene Weine, also empfehle sich ein Markteintritt mit „dry red, sweet red, dry white and sweet white“. Ein Schaumwein wäre auf alle Fälle eine gute Idee, und er könnte sich auch einen Rosé vorstellen.

Sortenreine Weine sind ihm zufolge eher schwierig, da die Konsumenten mit den Rebsorten oft nichts anfangen könnten, insoweit hätten günstige Cuvées für einen Einstieg im Handel bessere Karten. Höherpreisige Weine könnten als add-on, auch für die Gastronomie oder den sich hoffentlich bald wieder erholenden Tourismus eingeführt werden.

Wir verabreden uns für Anfang 2022 für einen nächsten Kontakt. Bis dahin hoffe ich, gemeinsam mit dem Verband Deutscher Weinexporteure und dem einen oder anderen unserer Dualen Partner ein paar Ideen für einen ersten Wurf entwickelt zu haben. So gibt es vielleicht bald eine WTM-Markterkundungsreise nach Dar es Salaam.

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