Wer bezahlt hier wen?
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Wer bezahlt hier wen?

Auf den ersten Seiten vieler Geschäftsberichte lächeln uns freundliche Mitarbeiter entgegen. Sie sind ja auch der Mittelpunkt, wird vollmundig behauptet. Auf den letzten Seiten aber, wenn es zu den Zahlen kommt, erscheinen sie nur noch als Mittel. Punkt. Als Aufwand und Kosten. Verkehrte Welt? Oder unsere Zukunft?

Es bedarf keiner hellseherischen Kompetenzen, um zu erkennen, dass wir inzwischen in der Wissensökonomie angekommen sind. Auch wenn viele es noch nicht glauben wollen, so sind doch die Menschen das Vermögen eines Betriebes - und die Hardware steht für die Kosten. Der Mensch als Vermögen wird die Zukunft der Wirtschaft bestimmen. Wie man Kunden gewinnt, Gäste begeistert, mit welcher Strategie man ein neues Produkt im Markt einzigartig positioniert oder wie man die Gastronomie eines Hotels endlich profitabel und anspruchsvoll gestalten kann – all das und noch vieles mehr fordert das Engagement, „Know-how“, das „Gewusst wie“ der Mitarbeiter.

Doch die ganze Sache hat einen Haken. Viele Unternehmen denken und handeln noch nicht in der Wissensökonomie. Es gelten immer noch die alten Regeln der frühindustriellen Zeit. Die alten Muster leben munter weiter – in den Köpfen und Herzen. Einige Beispiele: Alle finden Hierarchie blöd. Doch die meisten wollen die Leiter rauf! Alle reden von Netzwerken. Aber alle schauen nur auf den eigenen Vorteil, wer über ihnen steht, und besonders, wer unter ihnen ist – als Untergebener. Die Pyramide ist immer noch das Symbol für Macht und Aufstieg. An der Spitze ist wenig Platz. Da hat man was zu sagen. Oben Klasse, unten Masse. Das Ergebnis: Frust auf allen Ebenen. Und Frust frisst – Gewinne.

Doch wenn der Kunde etwas Besonderes will, wenn es komplex wird, wenn ungewöhnliche Situationen gelöst oder intelligente Lösungen gefunden werden müssen, dann müssen kompetente Mitarbeiter ran. Aber diese wollen nicht wie „dressierte Äffchen“ behandelt werden.

Jetzt müssen wir den vertrauten Boden der industriellen Gesellschaft verlassen und uns aufmachen in die Wissensökonomie. Früher bedeutete Führung Status und Machtanspruch. In Zukunft ist Führen eine Dienstleistung und Verpflichtung. Führen von „Wissens-Mitarbeitern“ basiert auf dem Prinzip „Gleiche Augenhöhe“. Die Hierarchie mit dem Bild von Herr und Knecht gehört in die Mottenkiste. Die Zerrissenheit zwischen dem Alten in den Köpfen und dem Neuen in der Realität belastet heute viele Menschen – Manager wie Mitarbeiter, Leitende wie Leidende. Wie sollen wir damit umgehen? Der Kunde hat es da einfacher – er geht einfach zur Konkurrenz.

Mitarbeiter werden zu Kunden der Führungskraft

Spätestens an dieser Stelle wird Führen anspruchsvoller als bisher. Mitarbeiter werden zu Kunden ihrer Führungskraft. Die leistet jetzt für ihre Mitarbeiter, damit die wachsen für ihre Arbeit an ihren Kunden. Führen bedeutet nicht mehr nur Anweisungen geben, sondern Orientierung, Ziele vermitteln, Rahmenbedingungen schaffen, Mut machen, Entscheidungen herbeiführen, Konflikte managen. Es bedeutet Sicherheit geben, Personalentwicklung gestalten und Innovationen fördern. Vor allem aber bedeutet Führen Leistung anderer anzuerkennen. Jetzt verstehen wir den Sinn der Worte: „Ich halte Ihnen den Rücken frei“. Ein altes Sprichwort sagt: „Wenn Du Menschen führen willst, musst Du hinter ihnen gehen“.

Wer glaubt, all das als Führungskraft nicht leisten zu müssen, darf sich nicht wundern, wenn die Mitarbeiter zur Konkurrenz gehen (wie der unzufriedene Kunde des Unternehmens).

Wenn wir diesen Gedanken weiterspinnen, kommen wir zu der Frage der Wirtschaftlichkeit. Wer bezahlt hier wen in diesem System? Die Antwort ist einfach: Ihr Kunde bezahlt den Mitarbeiter für seine Dienstleistung. Ein Teil dieses Geldes steht dem Mitarbeiter zu für sein Gehalt. Von dem Rest „bezahlt“ der seinen Chef und die Zentralbereiche für deren Dienstleistungen. Sie werden zugeben, dass sich hier die Gewichte verlagern: Wenn sich alle Ihre Mitarbeiter dies jeden Tag vor Augen halten, werden sie nicht mehr „nach oben“ schauen, wenn sie von ihrem Chef sprechen. Sie werden selbstbewusst von Ihnen Führungsleistungen einfordern. Das ist dann „Führung auf Augenhöhe“. Sie glauben gar nicht, welche Motivationskraft das auf Ihre Mitarbeiter ausübt.

Wer heute beklagt, dass es kühl geworden ist in der Arbeitswelt, der muss erkennen, dass Hierarchie, Organisationsstrukturen und rascher Wandel den Druck auf die Menschen erhöht haben. In der Dienstleistungs – und Wissensgesellschaft gewinnt Führen damit größere Bedeutung. Wenn Mitarbeiter innerlich kündigen, keine Ideen mehr einbringen, wenn sich Kollegen anschreien oder den Kunden mürrisch anknurren, wirkt das wie eine Epidemie. So, wie die Chefs ihre Mitarbeiter behandeln, so behandeln die ihre Kunden. Kundenorientierung beginnt also immer bei der Mitarbeiterorientierung. Strahlende, selbstbewusste Mitarbeiter leisten mehr – und Ihre Kunden merken das auch!

Kopf und Zahl

Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit sind die beiden Seiten der Münze – auf der einen Seite steht die Zahl, auf der anderen der Kopf. In der Wissensökonomie sind beide keine Gegensätze, sondern gleichberechtigte Kräfte. Zusammen sind sie die Basis für den Erfolg von Unternehmen und Mitarbeitern. Wenn das Vermögen der Menschen wächst (weil sie mehr vermögen), dann steigt auch das Vermögen des Unternehmens.

Nach einem einschneidenden Change-Management-Prozess in einem großen Traditionsbetrieb, sagte der Unternehmenslenker abschließend zu mir: „Insgesamt war es ein großer Gewinn für das Unternehmen, dass wir auf Ihr Konzept der Wertschöpfung durch Wertschätzung gesetzt haben“. Ein besseres Kompliment hätte ich mir nicht wünschen können.

Autor

Albrecht v. Bonin

VON BONIN + PARTNER Personalberatung

www.von-bonin.de

avb Management Consulting

www.avb-consulting.de

Veit König

Was immer Du tust, tue es mit Leidenschaft

1 Jahr

Danke für den interessanten und anregenden Post. Das fängt aber schon bei der Rekrutierung an. Mitarbeiter auf Augenhöhe zu gewinnen heißt auch Sie in Unternehmensziele von Anfang an einzubinden und diese in Gruppen zu formulieren. So lange in Unternehmen noch Organigramms existieren in denen die Geschäftsleitung oben steht und der Mitarbeiter am unteren Ende sieht das alles nur nach einem Lippenbekenntnis aus. Der Kunde gehört nach oben, gefolgt vom Mitarbeiter an der Front. Die Geschäftsführung steht bildhaft wie eine geöffnete Hand am unteren Ende des Organigramms und orchestriert das Ensemble. Wir müssen umdenken!

Florian Boroffka

Zahlen sind meine Leidenschaft

1 Jahr

Eine sehr lesenswerte Analyse. Vielen Dank für diesen Post!

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