Wert der Zerstörung
Die Betonwände schieben sich im selben 55 Gradwinkel wie die Gesteinsschichten in den Berg (Foto: Ruedi Walti).

Wert der Zerstörung

Wie gelingt es, einen Landschaftspark, der in jedweder Hinsicht der Epoche der Romantik angehört und damit allmählich aus der Zeit gefallen wirkt, einem heutigen Naturverständnis anzunähern und damit zukunftstauglich zu machen? Mit der neu entstanden Felsenwelt versucht das Architekturbüro Miller & Maranta, eine architektonische Antwort zu geben. 

 

1792. In Paris werden Hunderte Schweizer Söldner getötet, als eine aufgebrachte Menschenmenge das königliche Schloss von Versailles unter Herrschaft von Louis XVI. zu stürmen versucht.

Zeitsprung

20 Millionen Jahre zuvor. Urmeer Tethys. Salzwasser, Teppichmuscheln. Trachycarpus-Palmen, Zimtbäume. Üppige Sumpf- und Graslandschaft. Seichte Gezeitenströme zeichnen Strömungsrippeln in den Sand.

Zeitsprung

1889. Auf der Weltausstellung in Paris wird ein Schweizer Beitrag mit dem Grand Prix ausgezeichnet. Es handelt sich um das von Xaver Imfeld und Fridolin Becker erstellte Relief der Gotthardbahn, für die der damals längste Eisenbahntunnel der Welt in den Berg gesprengt wurde. Am 1. Juni 1882 nahm sie den Betrieb auf.

Zeitsprung

15 Millionen Jahre zuvor. Die Afrikanische Kontinentalplatte kollidiert mit der Eurasischen. Kilometerdicke Gesteinsschichten falten, stauchen, schieben sich in einem Winkel von 55 Grad übereinander. Die Alpen entstehen.

Zeitsprung

1896. Für die Landesausstellung in Genf wird ein Spiegellabyrinth angefertigt, dessen Dekor sich an der Alhambra orientiert.

Zeitsprung

20 000 Jahre zuvor. Ende der Eiszeit. Gletscherschmelze. Ströme von Schmelzwasser, angereichert mit Sand und Kies, treffen auf Sandstein und hinterlassen Spuren im Gestein.

Zeitsprung

1896. Der Bankangestellte und Weinhändler Joseph Wilhelm Amrein-Troller erwirbt ein Stück Land am Rand von Luzern, um dort einen Weinkeller anzulegen. Bei ersten Sprengungen stösst er auf Gletschertöpfe.


Wie hängen all diese Momentaufnahmen zusammen? Wie verbindet sich eine subtropische Küstenlandschaft mit einem Eismeer und beides wiederum mit nicht allzu fernen historischen Momenten voller Gewalt oder menschlicher Errungenschaften? Nicole Müller setzt sich in ihrem Beitrag in der aktuellen Swiss Performance mit dem Ideengerüst der neuen Felsenwelt im Luzerner Gletschergarten auseinander und erklärt, wieso dabei der Zerstörung ein besonderer Wert zukommt.

 

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