Was Whataboutism ist, und wie man ihn vermeidet

Was Whataboutism ist, und wie man ihn vermeidet

Wir haben die folgenden Sätze als Kinder gehört:

„Wenn andere schlechte Noten mit nach Hause bringen, ist das keine Erlaubnis zum Faulenzen.“

„Wenn Anna von der Brücke springt, springst Du dann hinterher?“

Und so weiter.

Das sind natürlich berechtigte Aussagen.

Das Problem ist, dass Kindern der Whataboutism abgewöhnt werden soll, während er ihnen von Erwachsenen oftmals ununterbrochen vorgelebt wird.

Es geht nicht nur darum, andere auf Whataboutism aufmerksam zu machen. Ob andere whatabouten, kann man schwer beeinflussen. Ob man es selbst macht (und wir machen es alle mal mehr, mal weniger) dagegen schon.

Wie kommt man dem eigenen Whataboutism auf die Schliche?

Ursprung und Bedeutung von Whataboutism

Das Thema beschäftigt mich primär im Rahmen meines Aktivismus in verschiedenen Gruppen sowie als Übersetzerin. Im deutschsprachigen Raum nennt man das Ganze laut Wikipedia anscheinend auch „Whataboutismus“.

Der Mechanismus des Whataboutism ist keineswegs neu.

Der Begriff selbst wurde laut Oxford Lexico erstmals in den 1970er-Jahren geprägt, damals unter dem Synonym Whataboutery. In den 1990er-Jahren entwickelte sich langsam der Ausdruck Whataboutsim.

Whataboutism-Muster

Das Whataboutism-Muster folgt grob zwei Schritten.

[Stuttgarter Zeitung]

Schritt 1:

Die moralische Berechtigung für das Aufstellen einer Behauptung oder das Schildern einer Situation wird durch eine Gegenfrage/Gegenaussage vermeintlich annulliert oder zumindest in fraglicher Art und Weise in Relation zu einem anderen Sachverhalt gesetzt.

Schritt 2:

Hierdurch wird die Behauptung oder Schilderung indirekt als falsch, unangebracht oder übertrieben dargestellt oder zum Anlass genommen, „ein neues Fass“ aufzumachen.

Oft passiert dies unbewusst.

Aber häufig steckt eine Strategie dahinter.

Das Ziel der Strategie?

Das Thema für die eigene Agenda instrumentalisieren. Den Gesprächspartner mundtot machen. Oder beides.

Dieser Strategie bedienen sich alle „Lager“.

Beispiel aus der Praxis

2015, Silvester in Köln … die sexuellen Übergriffe auf der Kölner Domplatte wurden damals aus allen Richtungen von einer Whataboutismwelle überschwemmt.

Fallbeispiel 1

Der Tathergang der Silvesternacht 2015 wird dargelegt. Das Ganze rein faktisch, ohne politischen oder ideologischen Inhalt.

Gegenfrage: Was ist mit deutschen Sextouristen in Thailand?

Implizierte Aussage: Weiße Männer sind auch nicht besser. Die verreisen eben, um es rauszulassen und spielen dann in Deutschland den besorgten Bürger. Das muss ich jetzt mal loswerden.

Fallbeispiel 2

Der Tathergang der Silvesternacht 2015 wird dargelegt. Das Ganze rein faktisch, ohne politischen oder ideologischen Inhalt.

Gegenfrage: Ja, und können wir mal darüber reden, wie viele Frauen mit Kopftuch mittlerweile hier herumrennen?

Implizierte Aussage: Wir haben hier zu viele Muslime. Die passen nicht zu uns, weder die Männer noch die Frauen. Das muss ich jetzt mal loswerden.

Was haben beide Whatabouter gemeinsam?

Beide nutzen die Gunst der Stunde, um ihre Meinung über Personengruppen, die mit dem Tathergang nichts zu tun haben, zu bewerben. Und beide scheinen sich wenig bis gar nicht für die Frauen zu interessieren, die an der Domplatte belästigt wurden. Die eigene Agenda ist wichtiger.

Dass ich als Frau für Männer, die sich sexistisch und ausbeuterisch verhalten – egal ob sie Ahmed oder Heinz heißen – nichts übrig habe, sollte auf der Hand liegen.

Und dass ich als zwar nicht muslimische, aber schwarze Frau – seit Kindestagen mit der Doppelmoral des Spießbürgertums und dem toxischen Mix aus Rassismus und Sexismus bestens vertraut – alleine schon aus Sicherheitsgründen sehr viel lieber von Muslimas umgeben bin als von Bangkok-Klaus und seinen Kumpels, muss ich (hoffentlich) auch niemandem erklären.

Allerdings spielen meine persönlichen Präferenzen in diesen hypothetischen Szenarien nicht die geringste Rolle.

Auch wenn es schwieriger denn je fällt: Es geht nicht immer um die eigenen Gefühle.

Im Fallbeispiel gab es abgesehen von „Das tut mir sehr leid für die Frauen, die diese Übergriffe an der Domplatte erleben mussten!“ keine akzeptable Erstreaktion.

Jede Form des Whataboutism ist in einem derartigen Kontext, ganz salopp gesagt, absolut daneben.

Egal, wie sehr man den Vergleich im Inneren „lebt“.

Wie es anders geht

Diskussionen kann man natürlich nicht in einem Vakuum führen. Verschiedene Themen gehen ineinander über.

Ein Satz aus der Stuttgarter Zeitung ist deshalb hervorzuheben:

Nicht jede Abweichung vom Thema ist auf eine Stufe mit Whataboutism zu stellen. Konstruktive Abweichungen helfen, Themen in Relation zu setzen und sollten deswegen unbedingt von Whataboutism unterschieden werden. Markiert man wichtige Argumente des Gegenübers mit „Whataboutism“, blockiert man selbst eine konstruktive Diskussion, indem diese nur einseitig betrachtet wird.“

Ich definiere Whataboutism als Zweckentfremdung des Gesprächs und konstruktive Abweichungen als Erweiterung des Gesprächs.

Für die Gratwanderung kommt es für mich in erster Linie aufs Timing der Gegenaussage an.

Plane ich einen Vergleich in meinem Kopf und bringe diesen direkt an, sobald mein Gegenüber den Satz beendet hat oder falle diesem sogar ins Wort, um mir Luft zu verschaffen?

Falls ja, kann es gut sein, dass ich der Whatabouter in der Situation bin.

Fazit

Das Thema Whataboutism ist sehr komplex und wird hier vereinfacht dargestellt.

Ich hoffe allerdings, dass der Fokus auf das Timing in einer Diskussion dabei helfen kann, die eigenen Whataboutism-Muster zumindest aufzulockern.

Wir haben das alle in uns. Man kann und sollte aber daran arbeiten.

This article was written in German. Any translation you may see is AI-generated.


Um Ihre Übersetzungsanforderungen zu besprechen, kontaktieren Sie mich gerne hier auf LinkedIn, per E-Mail über transation@catherinediallo.com oder telefonisch unter +1 438 883 6989 (Montreal, Kanada).







Konstantinos Angourias

Founder & Director @ Stift & Blei – Kommunikation | Übersetzung. Schreibe hier über Kommunikation, die Gesellschaft und Demokratie – auch aus migrantischer Sicht.

2 Wochen

Astrein auf den Punkt gebracht. Deine Beschreibung als "Zweckentfremdung des Gesprächs" finde ich noch treffender als "Diskursverschiebung", was so das "offizielle" deutsche Pendant darstellt. In Rhetorikkursen wird dieses Zweckentfremden auch ganz gezielt unterrichtet. Schlage den Gegner mit seinen eigenen Waffen, nutze jede Öffnung in der Argumentation, um deine eigenen, komplett irrelevanten und ablenkenden Punkte anzubringen. Davon lebt populistische Propaganda, und das passiert auch auf der "großen" Bühne: wenn jemand Russland kritisiert, wird ein Diplomat oder Regierungssprecher als erstes auf die USA verweisen, nach dem Motto "aha, aber über die sagt ihr gar nichts, wie heuchlerisch". Sind das vielleicht alles erwachsen gewordene Kinder, die schon immer so gedacht und argumentiert haben? Spannend.

Catherine Diallo

Helping lawyers, financial experts & accountants, and global firms bridge language gaps through reliable translation services🌏 German & French to English + French & English to German 🌍 Other languages available

2 Wochen
Catherine Diallo

Helping lawyers, financial experts & accountants, and global firms bridge language gaps through reliable translation services🌏 German & French to English + French & English to German 🌍 Other languages available

2 Wochen
Catherine Diallo

Helping lawyers, financial experts & accountants, and global firms bridge language gaps through reliable translation services🌏 German & French to English + French & English to German 🌍 Other languages available

2 Wochen
Catherine Diallo

Helping lawyers, financial experts & accountants, and global firms bridge language gaps through reliable translation services🌏 German & French to English + French & English to German 🌍 Other languages available

2 Wochen

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen