Widerruf von Darlehen: BGH zu Rechtmissbrauch und Verwirkung
Auf der Website des Bundesgerichtshofs www.bundesgerichtshof.de ist seit heute die Entscheidung des XI. Zivilsenats vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 abrufbar.
In dem Rechtsstreit geht es um einen angeblich in einer Haustürsituation mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag, mit dem der Kläger eine Fondsbeteiligung finanziert hatte. Nachdem er das Darlehen im Jahre 2007 vollständig zurückgeführt hatte, widerrief er im Jahre 2014 seine auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.
Neben spezifischen Fragen zu den Regelungen des Haustürwiderrufsgesetzes kommt dem Urteil vor allem wegen der grundlegenden Ausführungen zu einem Rechtsmissbrauch beim Widerruf sowie zu dessen Verwirkung besondere Bedeutung zu.
Der XI. Zivilsenat hält zunächst fest, der Grundsatz von Treu und Glauben finde auch in Widerrufsfällen Anwendung. Da nach den gesetzlichen Regelungen der Widerruf nicht begründet werden müsse, könne ein Rechtmissbrauch allerdings nicht allein auf das dem Schutzzweck des Widerrufsrechts widersprechende Motiv des Widerrufenden gestützt werden.
Genauso eindeutig stellt der Senat fest, auch das Widerrufsrecht könne verwirkt werden. Die Verwirkung setze ein Zeitmoment und ein Umstandsmoment voraus. Bezüglich des Zeitmoments verweist der Bundesgerichtshof in einem Nebensatz darauf, dass es mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrages zu laufen beginne. Zusätzlich bedürfe es besonderer Umstände, die das Vertrauen rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend mache.
Für die konkrete Subsumtion dieser bekannten Grundsätze der Verwirkung ist der Hinweis des Senats auf die beendeten Verbraucherdarlehensverträge bedeutsam. Gerade bei solchen Verträgen könne das Vertrauen des Unternehmers schutzwürdig sein. Dies gelte auch bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung und einer nicht erfolgten Nachbelehrung. Nach Vertragsbeendigung sei eine Nachbelehrung sinnvoll nicht mehr möglich. Ob die Voraussetzungen der Verwirkung im konkreten Fall gegeben sind, muss das Berufungsgericht entscheiden.
Zusammenfassend muss sich das Berufungsgericht nach Zurückweisung u.a. mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs sowie der Verwirkung auseinandersetzen. Beide Institute gelangen, dies ist der Gehalt der Entscheidung, in Widerrufsfällen zur Anwendung. Dabei kann die Verwirkung bei beendeten Verträgen eine streitentscheidende Rolle spielen.
Abzuwarten bleibt noch die Veröffentlichung der vom selben Tag datierenden Entscheidung zum Aktenzeichen XI ZR 564/15. Dort geht es um die Wirksamkeit des Widerrufs einer auf einen Verbraucherdarlehensvertrag gerichteten Willenserklärung.