Folge der Verletzung der Treuepflicht im Rahmen eines Handelsvertretervertrags, Beendigung des Handelsvertretervertrags ohne Ausgleich
Das französische Handelsgesetzbuch sieht vor, dass der Handelsvertreter, im Falle der Beendigung seiner vertraglichen Beziehungen zum Unternehmer, Anspruch auf eine Ausgleichszahlung als Entschädigung für den erlittenen Schaden hat. Der Handelsvertreter verliert seinen Anspruch auf Ausgleich in Fällen wie die grobe Fahrlässigkeit.
Im vorliegenden Fall, der dem französischen BGH ("Cour de cassation") zur Prüfung vorgelegt wurde, stand im Handelsvertretervertrag eine Klausel, die wie folgt lautete:
"Jede Änderung, die dazu führt, dass Herr Y entweder die Leitung der Gesellschaft oder die Mehrheitsbeteiligung an ihr verliert, muss dem Auftraggeber spätestens vier Monate vor dem Eintreten der Änderung zur Genehmigung vorgelegt werden. Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung gilt als schwere Verfehlung des Handelsvertreters, die zu einer rechtmäßigen Kündigung des Mandats berechtigt."
Die Gesellschaft hat den Auftraggeber über die Kündigung ihres Geschäftsführers nicht informiert.
Die bloße Tatsache, dass dies im Vertrag festgelegt wurde, führt nicht unbedingt dazu, dass ein Verstoß als schwere Verfehlung eingestuft wird; das Gericht verfügt diesbezüglich über einen gewissen Ermessensspielraum.
Das Berufungsgericht entschied auf der Grundlage der für vertragliche Beziehungen unerlässlichen Treuepflicht.
Das Berufungsgericht leitete daraus ab, dass die Handelsvertreterin gegen ihre Treuepflicht, die für das Mandat im gemeinsamen Interesse unerlässlich ist, verstoßen hatte, und folgerte daraus, dass sie eine schwere Verfehlung begangen hatte, die den Abbruch der Geschäftsbeziehungen rechtfertigte und ihren Vertragspartner von der Zahlung der Ausgleichszahlung befreite.
Der französische BGH billigte diese Entscheidung und erinnerte bei dieser Gelegenheit daran, dass die Verpflichtung zur Loyalität und Information im Rahmen des Handelsvertretervertrags von entscheidender Bedeutung ist.
(Cass. com. 29. Juni 2022, Nr. 20-11.952)