Wie die Lufthansa dem VW-Schicksal entkommen will

Wie die Lufthansa dem VW-Schicksal entkommen will

Liebe Leserin, lieber Leser,

nach dem Aus der Ampel wird in Deutschland aller Voraussicht nach am 23. Februar 2025 ein neuer Bundestag gewählt. Manche erklären schon jetzt CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz (69) zum nächsten Kanzler. Wir warten lieber einmal ab.

Trotz Regierungskrise tagte am Mittwoch der Wirtschaftsausschuss des Bundestages zum Thema „Unsere Automobilindustrie braucht eine Zukunft – Den Industriestandort Deutschland wettbewerbsfähig machen“. Der als Experte gekommene Ferdinand Dudenhöffer (73) bezeichnete Deutschland vor dem Plenum als „vergammelten“ Standort. Gewählter drückte sich VW-Markenchef Thomas Schäfer (54) aus, der ebenfalls geladen war. Er forderte unter anderem steuerliche Vorteile für Elektroautos, einen schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur und einen niedrigeren Industriestrompreis.

Vor großen Herausforderungen steht nicht nur die Autoindustrie in Deutschland. Unsere Themen der Woche:

  • Wie die Lufthansa dem VW-Schicksal entkommen will.
  • Wie bei Continental die Rollen neu verteilt werden.
  • Wie VW-Boss Oliver Blume das Ende der Cariad einleitet.

Thema der Woche: Wie die Lufthansa dem VW-Schicksal entkommen will

Pilotenruhe: Lufthansa-Lenker Carsten Spohr wirkt gelassen - aber ist gefordert wie lange nicht mehr. Foto: Lucas Bäuml / F.A.Z.-Foto

Die meisten gestrichenen Flüge aller Airlines in Europa, Verspätungen und Kofferchaos – die Lufthansa gibt seit einiger Zeit ein besorgniserregendes Bild ab. Ist der Kranich schon ein Abziehbild von VW? Ein Unternehmen, in dem das schwächelnde Stammhaus das gesamte Gebilde runterzieht? Kapitän Carsten Spohr (57) hält mit einer Radikalkur dagegen. Mein Kollege Michael Machatschke hat recherchiert: 20 Prozent der Verwaltungsjobs könnten wegfallen – und bei Crewplanung und Markenstruktur stehen mittlere Revolutionen bevor.

Köpfe: Nikolai Setzer ++ Christiane Benner ++ Achim Puchert ++ Gernot Döllner


Drei sind einer zu viel: Die Conti-Vorstände Christian Kötz (Reifen), Philip Nelles (Contitech) und Nikolai Setzer (Konzernchef, v.l.). Foto: Continental

  • Continental hat gerade erst seine neue Prachtzentrale für 100 Millionen Euro am Pferdeturm in Hannover bezogen, da stehen die Zeichen für manch einen an der Spitze schon wieder auf Auszug. Wenn sich der Zulieferer 2025 in Reifen- und Autoteil spaltet, braucht es ein paar Vorstände weniger. Die Sparten sind bereits bestückt. Für CEO Nikolai Setzer (53), so berichten meine Kollegen Claas Tatje und Michael Freitag, wird es eng.
  • Beschäftigte in tarifgebundenen Metallunternehmen können sich über mehr Geld freuen. Nach einigen Warnstreiks und einem 18-stündigen Verhandlungsmarathon am Montag stand am Dienstag eine Einigung zwischen den Arbeitgebern und der IG Metall. Der neue Tarifvertrag gilt bis Oktober 2026 und sieht eine Entgelterhöhung von insgesamt rund 5,5 Prozent vor. Für IG-Metall-Chefin Christiane Benner (56) kann sich das Ergebnis „sehr gut sehen lassen“, Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf (63) sah dagegen nicht „so richtig Grund zur Euphorie“.
  • Nachdem Karin Rådström (45) im Oktober an die Spitze bei Daimler Truck gerückt war, war klar: Mercedes-Benz Trucks braucht eine neue Chefin oder einen neuen Chef. Die Wahl fiel nun auf Achim Puchert (45). Er hat seit 2022 das Lkw- und Busgeschäft in Südamerika saniert. Jetzt muss er die Nachfrage- und Ergebnisschwäche bei Mercedes-Benz eindämmen.
  • Audi-Chef Gernot Döllner (55) will in der Krise Tausende Stellen abbauen . Teure Vorhaben wie Audis Einstieg in die Formel 1 sind in solchen Zeiten umstritten. Eine Geldspritze käme da nicht ungelegen. Die winkt Audi jetzt von einem alten Bekannten im Volkswagen-Konzern: Der Staatsfonds von Katar will sich offenbar mit bis zu einer Milliarde Euro am Rennserien-Projekt beteiligen.

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Unternehmen: Cariad ++ Sixt ++ Ford ++ Toyota ++ Nissan


Ohne Software keine Jobs: VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo und Konzernboss Oliver Blume. Foto: Michael Matthey / dpa / picture alliance

  • Mithilfe der Cariad wollte Herbert Diess (66) aus Volkswagen ein Softwareunternehmen machen. Diess ist seit Sommer 2022 draußen. Der Konzern kämpft immer noch mit der dysfunktionalen Einheit. Cariad sei „die größte Bombe, die dieser Konzern je getragen hat“, sagt einer aus der Konzernspitze. Diess-Nachfolger Oliver Blume (56) will entschärfen – und läutet gleich - wenn auch nicht offiziell - das Ende der Tochter ein. Das Investment in US-Partner Rivian stockt er von 5 auf bis zu 5,8 Milliarden Dollar auf; mein Kollege Michael Freitag beschreibt Blumes Softwarestrategie.
  • Autovermieter Sixt hat im dritten Quartal zwar einen neuen Umsatzrekord aufgestellt, die Gewinne aber fahren nicht mit nach oben. Abschmierende Restwerte machen dem Unternehmen im Gebrauchtwagenverkauf zu schaffen. Sixt kauft deswegen aktuell zu 98 Prozent Neuwagen, die man nach einer vereinbarten Nutzungsdauer wieder an die Hersteller zurückgeben darf.
  • Am Montag hieß es anlässlich des 11.11. in Köln „Alaaf“. Für Ford-Beschäftigte folgte der Kater. Der Elektroautoabsatz schwächelt, keine guten Voraussetzungen für ein „Electric Vehicle Center“, wie der Autobauer sein Werk im Stadtteil Niehl inzwischen nennt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Domstadt schickt Ford jetzt in Kurzarbeit.
  • Der künftige US-Präsident Donald Trump (78) will Importe aus Mexiko mit hohen Steuern belegen. Toyota stört das offenbar nicht – die Japaner stecken fast 1,5 Milliarden Dollar in ihre dortige Produktion.
  • Kaum Geld hat aktuell ein anderer japanischer Automobilhersteller locker: Nissan senkte seine Gewinnerwartung für das laufende Jahr bereits zum zweiten Mal und streicht 9000 Stellen. Die Schwäche des Konzerns nutzt Effissimo Capital Management – der aktivistische Investor steigt mit 2,5 Prozent bei Nissan ein.

Mehr Mobilität: Wankende Flugtaxis, verbannte Autos und kriselnde E-Bikes


Am Boden der Tatsachen: Das Bruchsaler Start-up Volocopter braucht Hilfe. Foto: Julien de Rosa / AFP

  • Für Volocopter hätten die Olympischen Spiele in Paris eigentlich zum Triumphflug werden sollen. Aber für mehr als eine Demo des Flugtaxis reichte es nicht. Schon länger steht die Frage im Raum, ob das Start-up aus Bruchsal überhaupt noch abhebt. Konkurrent Lilium steht bereits vor der Insolvenz, Volocopters Bewertung ist bereits von einst 1,9 Milliarden Dollar auf etwa 110 Millionen abgestürzt. Die Rettung, so berichten die Kollegen von Bloomberg, könnte aus China kommen: Anteilseigner Geely erwägt, die Kontrolle zu übernehmen.
  • Apropos Paris: Autofahren wird dort weiter reguliert. Wer nicht in den vier zentralsten Arrondissements der französischen Hauptstadt wohnt, darf nicht mehr mit dem Auto dort hineinfahren. Bürgermeisterin Anne Hidalgo (65) plant das bereits seit Mai 2021. Umgesetzt wurden die Pläne aber erst am Montag vergangener Woche – nachdem man den Start erst am Donnerstag zuvor angekündigt hatte.
  • Vielleicht steigen in Paris ja mehr und mehr Menschen aufs Fahrrad. Die Zweiradbranche könnte es vertragen. Sie hat aktuell noch stärkeren Gegenwind als die Autokollegen. Gerade die stolze niederländische Fahrradindustrie wird weggeblasen. E-Bike-Anbieter Stella Fietsen aus Tilburg musste nun Insolvenz anmelden.

Zahl der Woche: 48,9

Best Buddies: Millionenspender Elon Musk könnte vom Sieg Donald Trumps auch als Tesla-Chef profitieren. Foto: Evan Vucci / AP

Donald Trump (78) dürfte als künftiger US-Präsident staatliche Subventionen für Elektroautos streichen. Da mutet es erst mal seltsam an, dass Tesla-Chef Elon Musk (53) Trumps Wahlhelfer Nummer eins war und künftig für den Präsidenten als Kosten- und Bürokratiekiller arbeiten soll. Der zweite Blick lohnt, zeigt meine Kollegin Anna Driftschröer: Aufgrund seiner Marktmacht in den USA (48,9 Prozent E-Markt-Anteil!) könnte Tesla sogar profitieren, wenn E-Autos weniger gefördert werden. Und gleich noch ein Lesetipp: Mein Kollege Martin Noé hat sich mit Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser (67) über Trump, Musk und Co. unterhalten. Der hat die letzten Wochen in den USA verbracht und den Eindruck gewonnen: „Elon Musk wird vermutlich der erste Oligarch im Lande werden.“

Deep Drive: Achtsam fahren

Bei Netflix läuft seit zwei Wochen die Serie „Achtsam Morden“ nach den Bestsellern des Autors Karsten Dusse (51). „Achtsam Fahren“ ist derweil das Thema einer Langzeitstudie des Versicherers DA Direkt. Falls Sie sich schon mal am Steuer rasieren oder schminken: Sie sind nicht allein. Mehr als die Hälfte der Autofahrer hierzulande sind regelmäßig abgelenkt. Überproportional vertreten sind mit 60 Prozent Bewohner der 15 größten deutschen Städte. Keine Überraschung, dass sie in den letzten drei Jahren auch häufiger in Unfälle verwickelt waren als der Rest (18 zu 12 Prozent).

Geisterfahrer der Woche

Nur fast so schön wie dahoam: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder Anfang Oktober in Ägypten. Foto: Sven Hoppe / dpa

Mit Politik sind wir eingestiegen, mit Politik steigen wir wieder aus. Wofür es hierzulande künftig staatliche Fördergelder gibt, ist aktuell offen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (57) will einen Mobilitätsmilliardenposten streichen: das Deutschlandticket. Das solle der Bund künftig entweder allein bezahlen oder man könne es auch komplett sein lassen. Ein „Ferienticket“ einmal im Jahr für einen Monat würde reichen, so Söder, „beispielsweise um nach Bayern zu fahren“. So klingt södersche „Demut“, die der CSU-Politiker wenige Tage zuvor von Robert Habeck (55) eingefordert hatte, nachdem der grüne Noch-Wirtschaftsminister seine Kanzlerkandidatur verkündet hatte. Willkommen im Wahlkampf.

Kommen Sie gut durch die Woche.

Ihr Christoph Seyerlein

Haben Sie Wünsche, Anregungen, Informationen, um die wir uns journalistisch kümmern sollten? Sie erreichen meine Kolleginnen und Kollegen im Team Mobility und mich unter manage.mobility@manager-magazin.de.

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Markus Bruckmann

Ab jetzt zählt was ich will!

2 Monate

Warum muss man eine Industrie dauerhaft sponsern und Pampers die seit Gründung der BRD und auch vorher schon verdient und profitiert hat wie kaum eine Zweite. Die komplette Ausrichtung der Infrastruktur auf das Automobil ist ja der größte Liebesbeweis der Politik. Verantwortlich für die jetzige Krise sind die Manager ( von oben nach unten) und wie immer sind die Mitarbeiter die Leidtragenden. Die Kosten des Abgasskandals und die Verstrickung des TopManagements sowie der Umgang mit der Wahrheit derselbigen sprechen hier für sich.

…wie so oft in Automotive D…die Wahrheit liegt dazwischen, hoffen wir mal. Es fällt mir immer schwerer es zu glauben…3 Tage Shenzhen reichen…wo sind die VW Gruppe Fahrzeuge? Wo?

Jürgen Pieper

Unabhängig, analytisch, meinungsstark

2 Monate

Es ist völlig nachvollziehbar, dass im Falle E-Mobilität der Staat vorübergehend eine anschiebende Rolle übernehmen sollte. Als Anstoß bei einem epochalen Technologiewandel, noch dazu in einer absoluten Schlüsselindustrie mit ganz viel Abstrahlwirkung auf die Volkswirtschaft, ist das eigentlich ein Muss. Die nervigen und destruktiven Diskussionen um eine Relativierung der Schuldenbremse mit einer letztendlichen Blockade haben ein weiteres Jahr gekostet - und etliche Miliarden in den Kassen der Industrie sowie tausende Arbeitsplätze. Fast noch schlimmer ist die Signalwirkung in die Welt, dass der Stern der deutschen Vorzeigeindustrie sinkt.

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