Wie Patientenzentrierung das deutsche Gesundheitswesen auf den Kopf stellen wird

Wie Patientenzentrierung das deutsche Gesundheitswesen auf den Kopf stellen wird

Der Arzt Eric Topol gilt als einer der innovativsten Köpfe bezüglich der digitalen Zukunft im Bereich Medizin. Seine Visionen zu einer neuen Ära des Gesundheitswesens rütteln kräftig am Status quo. Situationen, in denen Patienten lange Wartezeiten für Arzttermine und Untersuchungen in Kauf nehmen müssen, um letztlich doch kein umfassendes Ergebnis zu bekommen, sollen durch eine neue Art der Datenverwaltung vermieden werden: In Zukunft könnten Smartphones die eigenen Gesundheitsdaten auswerten und per Algorithmus eine Diagnose erstellen. Topols Werke erscheinen bisher lediglich in englischer Sprache, seine Gedanken und Ideen in “The patient will see you now“ sind jedoch so lesenswert, dass dies kein Hindernis sein muss.

Disruption im Gesundheitswesen – Topols Blick auf die Angriffspunkte

Topol rechnet mit dem auf Herrschaftswissen der Ärzte funktionierenden System ab. Er liefert eine umfassende Erklärung, weshalb in den nächsten Jahren im Gesundheitswesen kein Stein auf dem anderen bleiben wird und sich alle, die am System beteiligt sind – von Krankenkassen über Ärzte bis hin zum gesamten Ausbildungssystem – massiv umstellen müssen.

Die Digitalisierung führt (nicht nur im Gesundheitswesen) zu einer massiven Verschiebung der Wissensebenen. Patienten greifen auf die neuesten Forschungsergebnisse zu und kommen bestens vorbereitet mit einer Vielzahl von Daten aus verschiedenen Quellen in ein Arztgespräch. Die bisherigen Konzepte zur Datenerhebung (Anamnese) und kurzen Informationsvermittlung am Ende eines Arztbesuches funktionieren in Zukunft nicht mehr.

Das Smartphone als Schaltzentrale für unsere Patientendaten

Für Topol gehören alle Daten des Patienten in seine eigene Hand und Verwaltung. Analog zu einem Geo-Informationssystem mit mehreren Schichten postuliert er für jedes Individuum eine eigene Datenschicht, z.B. für das Genom, den Metabolismus oder den Proteinstatus. Daraus lässt sich in Summe ein echter Überblick im Kontext für unseren Körper ableiten.

Erfasst werden diese Daten aber nicht mehr unbedingt in Laboren oder Krankenhäusern, sondern durch unsere Fitnesstracker, Wearables oder Labore in unseren Smartphones. Topol gibt detaillierte Einblicke, dass dies keine abstrakten Spinnereien sind, sondern schon in wenigen Jahren umsetzbare und realistische Konzepte.

Verarbeitet und analysiert werden die Daten nicht mehr von menschlichen Ärzten, sondern von Algorithmen, die sich tief durch solche Datenbestände fräsen können. 

Datenschutz und Risiken

Intensiv beschäftig sich Topol mit den Datenschutzrisiken, die sich aus diesen Entwicklungen ergeben. Welche Rahmenbedingungen muss ein Staat schaffen, damit wir die Chancen aus diesen Entwicklungen nutzen können? Muss es z.B. verboten werden, überhaupt ohne das Wissen einer Person eine DNA-Probe zu nehmen und zu analysieren, beispielsweise nach einer Mahlzeit in einem Restaurant durch die Spuren am Besteck?

Welchen Teil der Daten nutzen wir, um ganz konkret unseren persönlichen Fall vorhersagen zu können und einzugreifen? Und wie nutzen wir die Daten der vielen Statistiken, um unsere Gesellschaft zu verändern, anzupassen und vielleicht auch zu manipulieren?

Veränderungs-Chancen nutzen

Es ist eine in ihren Konsequenzen unvorstellbare Zukunft, die technologisch ganz nah vor uns liegt und die wir in den jetzt anstehenden Jahren gestalten können. Topol gibt uns mit diesem Buch das Rüstzeug, Zusammenhänge besser zu erkennen und diese Zukunft aktiv mitzugestalten.

Dieser Artikel erschien zuerst auf stefanfritz.de.

Matthias Mettler

Digital Health Advisor and Co-Lead Healthcare Practice at Synpulse Management Consulting

7 Jahre

So ist es, vielen Dank für den Bericht. Ich sehe das genau gleich! #Health40

Ich stimme zu: Es wird spannend, die Entwicklungen auf dem Gesundheitssektor in den nächsten 10 Jahren mitzugestalten. Und ich begrüße den informierten Patienten, der bereit ist, wieder Verantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen. So neu ist das übrigens gar nicht.

Klaus Graf

Innovation im Gesundheitswesen

7 Jahre

A

Günther Kolb

Für die Elisabethinen ständig auf der Suche nach guten Ideen

7 Jahre

Klingt im ersten Moment ein wenig bedrohlich, dass künftig kein Mensch, sondern ein Rechner unsere Gesundheitsdaten beurteilen sollte. Dass Computer riesige Datenmengen besser verarbeiten können als irgend ein Mensch auf dieser schönen Erde, so gut er auch ausgebildet sein mag, ist aber mittlerweile eine allgemein anerkannte Tatsache. Vielleicht würden wir uns leichter tun, wenn wir nicht immer reflexartig nur das Schlechte an die Wand malen würden. Mit großer Wahrscheinlichkeit können Algorithmen Diagnosen wirklich schneller erstellen und damit eine gute Grundlage für die Experten liefern, die letztendlich entscheiden müssen, ob die errechnete Diagnose bei dem konkreten Patienten auch wirklich zutreffend ist. Vielleicht gibt es in Zukunft dann weniger Patienten, die wie heute zu spät zum Arzt gehen. Fehldiagnosen sollen übrigens auch ohne Computer heute schon gelegentlich vorkommen.

Dr. Irene S.

Senior Researcher, Analytical Chemist, Lecturer, Investigator, Prompt Writer, Evaluator

7 Jahre

toll toll toll - dann braucht ja der angehende mediziner auch nur noch dies smartphone projekt umzufunktionieren und schon klappts bestens mit den ungeliebten Chemie-, Physik- und Molekularbiologiepraktika. Ich fürchte um das Denken kommt niemand herum und auch nicht um ein gewisses Grundwissen, um komplexe Studienergebnisse und case reports in medline korrket einzuordnen oder gar mit eigenen Blutwerten zu korrelieren und zu interpretieren. Bin mal gespannt, welch abenteuerliche Diagnosen diese smartphones noch für uns im Bereich MRT haben werden - hoffentlich kapieren die Programmierer dieser Smartphones noch vorher "diese Sache" mit den Spin's und den T1 und den T2 und so - bevor sie - wie einst eine blutjunge Radiologin - aus einer Keilbeinhöhle eine große Raumforderung interpretieren.... ach ja, nicht zu vergessen "die Unschärfe" : schwer programierbar und doch existiert sie - die Varianz natürlicher Systeme. Ab wann betrachtet das smartphone etwas als krank - auch wenn's ganz gesund ist....

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