Wie sportspezifisch sind tatsächlich sportspezifische Tests?! - Return to Sport/Performance vs Return to Injury?
Immer wieder liest man von sportspezifischen Testbatterien bzw. Tests, die im Zuge des Rehatrainings implementiert werden um den vermeintlich "erfolgreichen" Rückkehr in den jeweiligen Sport zu gewährleisten. Das Erfüllen von bestimmten Kriterien (Cut-off) ermöglicht es uns Aussagen zu treffen, ob der Sportler ohne Bedenken zurück in den Sport kehren kann (Return to Sport/Play). In der Literatur spricht man von einem Kontinuum: Return to Participation - Sport und Performance (Ardern et al., 2016)
Letztendlich geht es um Performance - wir wollen bestmögliche Leistung liefern können, Es müssen zahlreiche Faktoren (Sport, Level, Position, Vorgeschichte, Saison, Druck, Finanzen...) berücksichtigt werden um eine strategische Entscheidung, für den Rückkehr treffen zu können. Ardern et al. (2016) bieten uns ein interessantes Modell (StARRT)
Nun zum eigentlichen Thema!
In der Literatur werden z.B. folgende sportspezifische Tests beschrieben:
- „Wie lange kann man auf einem Bein stehen“ (Sprunggelenksverletzung)
- „Wie lange kann man eine Plank Position halten“ (Swiss Olympic Test)
- „Wie weit werfe ich einen Medizinball“ (Schulterverletzung)
- „Isolierter isokinetischer Muskeltest mittels Cybex für den vorderen bzw. hinteren Oberschenkel“ (Hamstringverletzungen)
- „3er Hop Test linear“ (Vordere Kreuzbandverletzung)
- ..., Auszug von evidenzbasierten Tests...
Was bedeutet nun sportspezifisch?
"Sportspezifisch" bedeutet für mich, dass der zu durchführende Test den Bewegungsabläufen und Charaktereigenschaften der betreffenden Sportart gleicht.
Deswegen sollte man sich die Frage stellen, ob das "sportspezifische Testen" seinen Namen überhaupt gerechtfertigt ist.
Der sportspezifischste Test ist schlussendlich der Wettkampf per se mit all seinen Eigenschaften (Wettkampfstress, Umfeld, Ermüdung, Pertubationen, usw...).
Man kann aber mit einfachen Feldtests, relativ gute Aussagen betreffend der körperlichen Konditionen und Defiziten treffen. Testen ob, und wie lange ein Sportler auf einem Bein stehen kann, hat salopp ausgedrückt"nichts" zu tun mit der sportspezifischen Stabilität vom Sprunggelenk bei einem Fußballer, Handballer oder Volleyballer…er sagt einfach aus, dass er eine gewisse Periode auf einem Bein stehen kann…
Plank… Frage an dich? Kommt eine Plank Position im Sport überhaupt vor? Nein?, also warum sollte man dies dann „sportspezifisch“ nennen, er sagt nur, dass ich "sinnlos" 5-10 Minuten oder vielleicht sogar noch länger in einer Position bleiben kann…
Ein Medizinball ist kein Hand- oder Fußball….
Isolierte Bewegungsabläufe gemessen am Isokinet, kommen auch im Sport kaum vor… Insbesondere nicht für die Beine. Wieso nennt man dies dann „sportspezifische Tests“?
3er Hop Test, wo der Sportler dreimal nach einander entlang einer geraden Linie auf einem Bein springen kann? Welche Sportler springen in einer geraden Linie auf einem Bein?
Die meisten Testverfahren basieren auf geschlossenen Fertigkeitsaufgaben (closed-skill) (z.B. Einfach- oder Dreifach-Sprung, T-Drill), aber der Sport erfordert zusätzlich zu den geschlossenen Fertigkeiten auch offene Fertigkeiten (open-skill).
Offene Fertigkeiten haben ein reaktives Element zur Ausführung der motorischen Aufgabe, gewöhnlich zusätzlich zur Entscheidungsfindung, oft in einem ermüdeten Zustand.
Daher ist es nicht optimal, sich allein auf geschlossene Fertigkeitsaufgaben zu verlassen, um die Bereitschaft zum RTS zu bestimmen.
Die Lösung wäre z.B. die schrittweise und sequentielle Einführung von sportartspezifischen Trainings als funktionelle Tests, die relativ sichere reaktive Entscheidungsfindungen enthalten (idealerweise kontextspezifisch).
Jede Testbatterie zur Beurteilung der Bereitschaft des Athleten für RTS sollte sowohl offene als auch geschlossene Fertigkeiten berücksichtigen!
Physische Tests haben in der Vergangenheit die meiste Aufmerksamkeit bei RTS-Entscheidungen erhalten, aber auch die psychologische Bereitschaft ist ein wichtiges Element für ein optimales RTS.
Emotionen, einschliesslich der Angst vor einer erneuten Verletzung, und kognitive Faktoren, einschliesslich der Selbstwirksamkeit und Motivation, beeinflussen den RTS.
Evidenzbasierte Skalen (ACL-RSI), die dem Kliniker helfen können, die psychologische Bereitschaft des Athleten zum RTS nach der Verletzung zu beurteilen, sollten implementiert werden. Zum Abschluss möchte ich aber noch ein sehr zentrales Thema ansprechen - Ermüdung. Wann werden normalerweise diese Tests durchgeführt?! Eigentlich immer, nach dem klassischen Aufwärmen. Dies kann praktisch sein, hat aber mit „sportspezifisch wenig zu tun….
Ich möchte testen, wann der Sportler bereits stark vorermüdet ist, weil nur dann zeigen sich eventuelle Defizite!
Wissenschaftliche Tests müssen wissenschaftlichen Gütekriterien genügen (Bös, 2017). Dennoch geht es um vielmehr! Es geht schlussendlich um viel - um das positive Absolvieren eines bzw. mehrerer zentraler Meilensteine im Laufe der Therapie. Das wird in der Wissenschaft leider vernachlässigt..., bzw. wird falsch kommuniziert oder Personen interpretieren diese Studien falsch...
Sportler müssen unter maximaler Vorermüdung bestmögliche Performance liefern können parallel dazu sollten Pertubationen - MultiTask Aufgaben praktiziert werden. Schlussendlich, müssen sportspezifischen Bewegungen (sei es CoD, Sprints, Kopfball, TACKLING...) getestet werden. Eine neue Studie von F. della Villa et al. (2020) konnte dies untermauern, dass der Großteil der Verletzungen (ACL) indirekte - non contact Verletzungen sind = Ergebnis eines Zweikampfes - Tacklings! Das wird leider bei Tests nicht praktiziert geschweige denn Zweikämpfe...
Wenn diese Kriterien erfüllt werden, sprechen wir von sportspezifisch... alles andere hat für mich wenig zu tun mit „sportspezifisch!"
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Ich bedanke mich für Pieter Keulen (MTC Pieter Keulen AG Geschäftsführer https://www.mtc.ch/) für seinen Input!