Zielscheibe "People Pleaser" – So entkommst du dem Visier von Narzissten

Zielscheibe "People Pleaser" – So entkommst du dem Visier von Narzissten

Häufig entsteht eine subtile, aber für die People Pleaser-Seite oft schmerzhafte Dynamik, wenn Narzissten und People Pleaser im beruflichen Umfeld aufeinandertreffen.

  • Narzissten sind Personen, die ein übersteigertes Bedürfnis nach Bewunderung und Kontrolle haben. Sie neigen dazu, ihre eigenen Interessen in den Vordergrund zu stellen, wenig Empathie für andere zu zeigen und oft manipulative Taktiken anzuwenden, um ihre Ziele zu erreichen und ihre Macht zu festigen.
  • People Pleaser sind Personen, die stark darauf bedacht sind, es anderen recht zu machen, oft auf Kosten ihrer eigenen Bedürfnisse und Grenzen. Sie streben nach Harmonie, versuchen Konflikte zu vermeiden und neigen dazu, ihre eigenen Wünsche und Interessen zurückzustellen, um Anerkennung und Akzeptanz zu erhalten.

Minenfeld "Zusammenarbeit zwischen Narzissten und People Pleasern"

Diese Konstellation führt besonders in hierarchischen Strukturen wie im mittleren Management zu intensiven Spannungen. In meinen Coachings von betroffenen – meist weiblichen – Führungskräften höre ich oft haarsträubende Geschichten.

Aus meiner Perspektive ist es in vielen Fällen geradezu tragisch, die große Diskrepanz zwischen dem dringenden Wunsch meines People Pleaser Coachees nach Harmonie und funktionierenden beruflichen Beziehungen und den „Sabotageakten“ des narzisstischen Gegenübers zu sehen.

Natürlich ist mir bewusst, dass es immer eine Frage der Perspektive ist und eine umfassende Beurteilung nur möglich wäre, wenn ich das gesamte System betrachtete. Zudem weiß ich, dass es für einen Streit immer mindestens zwei braucht. Doch in diesen Fällen kommt es oft gar nicht zu einem offenen Streit, sondern zu einem klaren „Opfer“: meinem Coachee mit People Pleasing-Verhalten.

"Zündstoffpotenzial" bieten beide (!) Seiten

In dieser Newsletter-Ausgabe möchte ich aufzeigen, wie beide Seiten ihren Anteil an dieser sich gegenseitig aufschaukelnden Dynamik haben. Dabei zweifle ich keine Sekunde daran, dass meine People Pleaser Coachees dies weder beabsichtigen noch sich ihres eigenen Anteils bewusst sind.

In den folgenden Beispielen wird deutlich, wie diese beiden äußerst unterschiedlichen Persönlichkeitstypen im beruflichen Umfeld aufeinandertreffen:

  1. Feedbackgespräche: Eine konfliktscheue und harmonieliebende weibliche Führungskraft gibt ihr konstruktives Feedback auf eine besonders behutsame und empathische Weise, die dadurch jedoch etwas unklar wirken kann. Ein narzisstischer Empfänger des Feedbacks interpretiert dies als Schwäche und reagiert mit einer übertriebenen offen-aggressiven oder passiv-aggressiven Gegenoffensive.
  2. Entscheidungsprozesse: People Pleaser bemühen sich oft darum, alle Perspektiven einzubeziehen und einen Konsens zu erreichen. Narzissten hingegen betrachten dies als ineffizient und wankelmütig. Sie nutzen diese Gelegenheit, um die People Pleaser-Führungskraft öffentlich anzugreifen, ihren Führungsanspruch in Frage zu stellen und letztlich ihre eigene Machtposition zu stärken.
  3. Verteilung von Anerkennung: Wenn die People Pleaser-Führungskraft den Erfolg eines Projekts ihrem Team zuschreibt und ihre eigene Rolle bescheiden herunterspielt, kann dies einen narzisstischen Kollegen dazu verleiten, einen Hierarchieunterschied zu konstruieren. Er sieht seine Kollegin auf derselben Stufe wie ihre Mitarbeitenden, was für ihn unverständlich ist. Der Narzisst nutzt diese vermeintliche Schwäche – zeitgemäßes Leadership, das aber zu zurückhaltend präsentiert wird – als Gelegenheit, sich selbst als überlegen und ranghöher darzustellen.
  4. Konfliktmanagement: Ein People Pleaser versucht in der Regel, aufkommende Konflikte zu deeskalieren und Harmonie herzustellen. Ein Narzisst hingegen verfolgt eine gegensätzliche Strategie: Er lässt die Situation bewusst eskalieren, fühlt sich dabei besonders wohl und nutzt die Gelegenheit, seine Führungsstärke durch entschlossenes Handeln zu demonstrieren. In solchen Momenten wird die People Pleaser-Führungskraft oft als defensiv und unfähig wahrgenommen, was dazu führt, dass ihr nicht mehr zugetraut wird, den Konflikt erfolgreich zu bewältigen.

Warum Narzissten sich von People Pleasern getriggert fühlen

Interessanterweise fühlen sich Narzissten oft von der Kooperationsbereitschaft und Empathie von People Pleasern getriggert, da diese Eigenschaften in einem krassen und für sie unverständlichen Widerspruch zu ihrem eigenen Bedürfnis nach Kontrolle, Überlegenheit und persönlichem Vorteil stehen. Narzissten sehen die Freundlichkeit und Flexibilität eines People Pleasers als Schwäche, die sie in ihrer Logik ausnutzen müssen, um ihre eigene Macht zu festigen.

Strategisches vs. freimütiges Kommunizieren bildet auch der LINC Personality Profiler ab

Denn Narzissten kommunizieren nicht freimütig wie ihre People Pleaser-Gegenüber, sondern ganz klar strategisch. Diese Unterschiede lassen sich auch deutlich im LINC Personality Profiler erkennen, den ich mit meinen Coachees nutze, um ihre Persönlichkeitsentwicklung besonders effektiv zu fördern.

Aber es kommt noch schlimmer: Narzissten halten die Freimütigkeit und den Altruismus von People Pleasern oft für unehrlich und unaufrichtig, und sehen darin – im Zweifel – alles andere als einen selbstlosen Akt. Ihre implizite Annahme lautet: "Würde ich etwas so Dummes und Schwaches tun, hätte ich dabei ein hinterhältiges Manöver im Sinn." Diese Sichtweise habe ich bewusst etwas überspitzt formuliert, um den Punkt zu verdeutlichen.

In jedem Fall rückt ein harmonisches Einvernehmen so immer weiter in die Ferne.

Öl ins Feuer gießen

Frage ich im Coaching meine Klientin nach ihrer typischen Reaktion auf die Provokationen des Narzissten und sie antwortet, dass sie mit noch mehr Rückzug oder Nachgiebigkeit reagiert, rate ich ihr dringend davon ab. Denn damit läuft sie Gefahr, den Narzissten nicht nur in seinem Verhalten zu bestärken, sondern die Situation weiter zu verschärfen und die manipulativen Taktiken auf ein neues Level zu heben.

Was People Pleaser stattdessen tun können

  1. Klare Grenzen setzen: People Pleaser müssen lernen, klare und unverhandelbare Grenzen zu setzen – eine Fähigkeit, die im Umgang mit Narzissten besonders wichtig ist. Narzissten haben einen untrüglichen Instinkt für jede noch so kleine Schwäche und zögern nicht, diese auszunutzen, auch mit unfairen Mitteln. Da sie sehr erfolgsorientiert sind, lassen sie keine Gelegenheit ungenutzt. Deshalb empfehle ich, aus rein strategischen Gründen niemals unnötig Terrain aufzugeben. Widerstehe dem Impuls, nachzugeben, und vertritt deine Position mit ruhiger Bestimmtheit, angemessener Lautstärke und Nachdruck – das ist das Gebot der Stunde.
  2. Direkte Kommunikation: Statt in einem verbalen Disput durch übermäßige Freundlichkeit zu glänzen, sollten People Pleaser eine respektvolle, aber zielgerichtete und direkte Kommunikation wählen. Auf diese Weise durchbrechen sie das manipulative Spiel des Narzissten und signalisieren klar, dass sie sich nicht auf Ränkespiele einlassen.
  3. Selbstbewusstsein nach innen und außen stärken: Besonders im Umgang mit Narzissten ist es entscheidend, den eigenen Wert bewusst zu erkennen und zu respektieren. Führungskräfte mit People Pleasing-Verhalten sollten ihre hohe Kompetenz als Führungskraft anerkennen und schätzen. Indem sie ihre Verdienste nach außen hin angemessen herausstellen, schaffen sie eine solide Grundlage für eine starke Reputation, die ihnen in schwierigen Momenten zugutekommt. Diese innere und äußere Stärkung des Selbstbewusstseins ist eine wesentliche Strategie, um sich gegen die Herausforderungen durch Narzissten zu behaupten.
  4. Aufbau eines eigenen Netzwerks: People Pleaser sollten ihre besondere Stärke im empathischen Beziehungsaufbau nutzen, um ein verlässliches Netzwerk von Gleichgesinnten und Gleichgestellten aufzubauen, die ebenfalls narzisstische Verhaltensweisen ablehnen und nicht tolerieren. Ein starkes Netzwerk bietet Rückhalt und Unterstützung, was entscheidend sein kann, um sich gemeinsam gegen toxische Verhaltensweisen zu wehren.
  5. Professionelle Unterstützung suchen: Es ist ratsam, rechtzeitig professionelle Unterstützung durch eine erfahrene Coachin in Anspruch zu nehmen. So kannst du verhindern, in einen Strudel aus immer weitergehenden "faulen Kompromissen" und Zugeständnissen zu geraten, bei denen deine Bemühungen letztlich scheitern. Ohne diese Unterstützung kann das zu erheblichen mentalen und körperlichen Schäden führen.
  6. Vertrauensvoller Einbezug der Vorgesetzten: Der frühzeitige, vertrauensvolle Einbezug der eigenen Vorgesetzten in die Problematik kann helfen, einem Mobbing-Charakter vorzubeugen. Durch diesen offenen Dialog lassen sich klare Rahmenbedingungen schaffen, die den eigenen Schutz gewährleisten und das Arbeitsumfeld stabilisieren.

Durch diese Strategien können People Pleaser ihre Position im beruflichen Umfeld sichern und stärken. Ein bewusster Umgang mit der Dynamik zwischen Narzissmus und People Pleasing ist ein entscheidender Baustein für ein gesünderes und produktiveres Arbeitsumfeld. Dies trägt wesentlich dazu bei, die Prinzipien von New Work – im Sinne von Good Work – erfolgreich umzusetzen.

Wenn du weiterhin an Themen wie People Pleasing, Selbstbewusstsein und authentischer und ausbalancierter Führung arbeiten möchtest, stehe ich dir gerne zur Verfügung.

Bist du an diesem Thema interessiert, danke ich dir ganz herzlich fürs Mitdiskutieren und für einen respektvollen Austausch auf Augenhöhe.

Herzlichst, Verena

Ich bin Verena Stahl, Dr. rer. pol., Diplom-Volkswirtin und Professorin am Institut New Work an der Berner Fachhochschule Wirtschaft.

Ich bin seit über 30 Jahren als Hochschuldozentin tätig und nebenberuflich selbstständige Systemische Personal & Business Coach. Darüberhinaus habe ich nach meiner Promotion während 5 Jahren in der Unternehmenswelt als Führungskraft für strategische Grundsatzfragen und Unternehmensentwicklung tätig, bevor wir als Familie 2000 in die Schweiz kamen.

Als gebürtige Bremerin lebe ich seither mit meinem Mann, Hund und Katze in der Schweiz in Thun (nahe bei Bern), wo ich auch meine Coaching-Praxis habe. Zwei unserer drei mittlerweile erwachsenen Töchter sind bereits ausgezogen.

Ich biete ortsunabhängig online-Coaching im ganzen DACH-Raum an.

Weitere Details findest du auf https://www.verena-stahl.ch .

Christine Kunius

Ingenieurin @ Bosch Engineering GmbH | Dipl.-Math. oec. #NewWork #RemoteWork #WorkingMom #WomenInTech

4 Monate

Sehr inspirierend deine Tipps im Umgang mit Narzissten Dr. Verena Stahl. Da dieser Typ häufig in der Arbeitswelt vertreten ist, ist es ratsam die Methoden zu kennen.

Sophie-Charlotte Herzberg

Content is King but Communication is Key⚡️🚀 | Head of Marketing & PR @PIA Media 💜 | Kommunikation mit Kopf und Herz

4 Monate

Oh je, daran erinnere ich mich wirklich äußerst ungern zurück. Selbstdarstellung auf Kosten aller anderen, das fällt mir da als erstes ein.

Marina S. Lang

CEO I Wirtschaftspsychologin I Dozentin I h2c@mail.de

4 Monate

Ein unfassbar heikles Unterfangen. Im Gesundheitswesen sind Menschen mit narzisstischen Zügen leider nicht gerade selten. Gerade beim verdeckten oder weiblichen Narzissmus dauert es oft eine Weile, bis sich die Ausprägung zeigt. Der Umgang mit Menschen, mit narzisstischer Persönlichkeitsstruktur stellt tatsächlich eine der größten Herausforderungen im beruflichen und bestimmt auch im privaten Kontext dar. Dein Newsletter, liebe Dr. Verena Stahl enthält viele hilfreiche Tipps, die nicht nur für People Pleaser eine gute Unterstüzung bieten.

Ina Maria Sander

Executive Coach & C-Level Beraterin | 1:1 Coaching & Mastermind Boards | Gründerin von FEET - Female Executive Excellence Transition to C-LEVEL | Expertin in der Entwicklung von EQ | Interim-CFO & GF

4 Monate

Ein ausgesprochen wertvoller und wichtiger Beitrag, liebe Dr. Verena Stahl! Du sprichst ein oft unterschätztes Thema an, das in vielen beruflichen Kontexten für erhebliche Spannungen sorgt. Leider habe ich genau diese toxische Konstellation zwischen Narzissten und People Pleasern schon oft erlebt. Deine treffende Beschreibung dieser Dynamik als „Brandbeschleuniger“ bringt es auf den Punkt. Deine Empfehlungen – klare Grenzen setzen, direkte Kommunikation und der Aufbau eines starken Netzwerks – sind enorm praxisnah und bieten eine wirkungsvolle Strategie, um sich aus diesem Teufelskreis zu befreien. Besonders gefällt mir dein Hinweis, dass People Pleaser ihre empathische Stärke nutzen können, um gezielt ein Unterstützungsnetzwerk aufzubauen. Danke für die fundierten Einblicke und die hilfreichen Tipps, die sicherlich viele Führungskräfte inspirieren werden, ihre Position selbstbewusst zu stärken!

Zu deiner Frage: Ich habe mit allen Mitarbeitern, deren Verhalten für eine langfristige Zusammenarbeit kritisch ist, Gespräche geführt, um ihnen die Auswirkungen ihres Verhaltens bewusst zu machen und zu fragen, ob das wirklich ihre Absicht ist. Oft war ihnen das nicht klar, und dass es auch andere Strategien gibt. Wichtig ist es auch, klare rote Linien zu ziehen und die Konsequenzen bei deren Überschreiten deutlich zu machen.

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