Zukünftig Lernen (1): Weg von Frontalunterricht & „Auswendiglernen“
Dieser erste Teil könnte auch die Überschrift „Ein Plädoyer für das konstruktivistische Lernen“ tragen, was jedoch nicht so griffig gewesen wäre und wahrscheinlich zu wenig Aufmerksamkeit erregt hätte. Die folgenden drei Postulate zum konstruktivistischen Lernen sind von Pörksen (2014) entnommen, und bilden den (lern)theoretischen Ausgangspunkt meiner Überlegungen.
Die Beobachterorientierung besagt, „alles was gesagt wird, wird durch einen Beobachter gesagt“ (Maturana, 1998). Jede Art der Kognition beruht auf einer Konstruktion eines Beobachters, und kann somit nicht mit einer externen Wirklichkeit übereinstimmen. Der Beobachter rückt somit in das Zentrum, und bindet das Erkannte stets an den Erkennenden.
Die Autonomie des Erkennenden ist der zweite Kerngedanke des Konstruktivismus, und schwächt die Idee der externalen Veränderungsmöglichkeit eines Menschen radikal ab. Unabhängig vom Schulen-Denken der Wahrnehmung (Konstruktivismus, Neurobiologie, Soziologie, Psychologie, usw.) besteht relative Einigkeit darin, dass die Beobachtung nicht notwendigerweise frei aber innengeleitet, eigenbestimmt, autonom und nach eigener Logik abläuft. Alles was gesagt wird, wird somit auf eine eigenwillige Art und Weise an bestehende Erfahrungen angeschlossen.
Der dritte Kerngedanke geht von einem Abschied von einer absolut gedachten Wahrheit aus. In Worten Heinz von Foersters könnte man auch von der Aufgabe der Idee der Objektivität sprechen, einer Wahnvorstellung, Beobachtungen ohne einen Beobachter zu denken. In jeder Beobachtung ist die subjektive Konstruktion des Beobachters, mit seiner eigenen Logik des Erkennens enthalten, und diese entsprechen somit nicht den Kriterien der Objektivität, in der Beobachtung ohne Einfluss des Beobachtenden stattfindet.
"Objektivität ist die Illusion, daß Beobachtungen ohne einen Beobachter gemacht werden können" (Heinz von Foerster)
Wenn man die Postulate des Konstruktivismus ernst nimmt, kommt man zu einer anderen Einstellung über die universitäre Lehre, Training und Workshops. Der Fokus liegt demnach nicht mehr auf der Vermittlung, der Präsentation des (wahren) Wissens – also auf dem Inhalt, sondern wandelt sich hin zum Lernenden. Der Lernende selbst ist es, der entscheidet, ob er sich etwas beibringen lassen möchte, ob er sich auf einen Lernprozess - im Sinne einer Veränderung seiner bisherigen Annahmen - einlassen möchte. Der Lernende rückt somit in den Vordergrund, und wird zum aktiven und autonomen Konstrukteur. Geht man von der zentralen Annahme aus, das Lernen nicht erzeugt sondern nur ermöglicht werden kann, wandelt sich auch die Rolle des Lehrenden. Der Lehrende schafft Bedingungen und kreiert Lernumgebungen, welche sich an den Lernenden orientieren.
Lesen Sie mehr zur konstruktivistischen Rollen des Lehrenden im 2. Teil der Serie Zukünftig Lernen.
Literaturhinweis: Pörksen, B. (2014) Abschied von der Paukmaschine. Die Idee einer konstruktivistischen Universität.
Wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen (Pablo Picasso).
7 Jahregefällt mir, das Zitat. Der Film "Alphabet" ist interessant, was das heutige Lernen an den Schulen betrifft und die Kreativität. :-) Die Geschichte von André Stern finde ich ein gutes Beispiel für "selbst entscheiden, was man lernen möchte".