Zunum: Steilflug mit Tesla-Ambitionen?

Zunum: Steilflug mit Tesla-Ambitionen?

Mit der Einführung des Model 3 kommt der Elektroplatzhirsch Tesla endgültig im Massenmarkt an. Spätestens jetzt stellt sich die Frage wie realistisch ein entsprechender Vorstoß über den Wolken sein kann. Dass Elektrofluggerät bisweilen keine nennenswerte Sichtbarkeit hat will das in Kirkland, Washington ansässige Startup Zunum mit Nachdruck ändern.

Finanziert von Boeing und JetBlue arbeitet das Unternehmen an einer Reihe neuartiger Elektroflugzeuge, die CO2-Austoß und Treibstoffkosten signifikant reduzieren sollen. Den Anfang macht ein Kleinstjet für 10 Personen. Größere Vögel sollen später folgen. Zunum wäre nach eigenen Angaben der erste Hersteller eines elektrisch betriebenen Regionaljets. Durch massive Einsparungen bei den Treibstoffaufwendungen könnten Hin-und-zurück-Tickets unter 100 US-Dollar angeboten werden, heißt es vage aus Unternehmenskreisen.

Bei den Details zur Antriebstechnik hält sich Zunum ebenfalls bedeckt. Bekannt ist lediglich, dass man ab 2020 über 1100 Kilometer Reichweite mit einem selbstentwickelten Elektro-Gas-Hybrid-Motor überwinden möchte. Ab 2030 sollen größere Modelle über 1600 Kilometer zurücklegen können.  

Der limitierende Faktor für die Elektroluftfahrt ist wie einst am Boden die Batteriekapazität. Gegenwärtig sind hier historische Sprünge zu beobachten: Erst im vergangenen Jahr umrundete das „Solar Impulse“-Team rein elektrogetrieben den Erdball. Parallel stellten Airbus und NASA erste Konzepte für Elektroflieger vor, die bislang nur 1-2 Passagiere fassen. Zunum geht die Wette ein, dass wir damit ganz am Anfang stehen.

Fernab davon zahlt die Vision des Herausforderers auf das wachsende Umweltbewusstsein der Luftfahrt ein: Nach Unternehmensangaben entstehen 40% der CO2-Belastung in der Passagierluftfahrt mit Regionalflügen. Schließlich haben innovative Flugzeugvorstöße aktuell Konjunktur bei Wagniskapitalgebern, ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor: Boom arbeitet an einer Concorde 2.0, Lilium Aviation aus Bayern am „Uber der Lüfte“. 

Wenn der Plan aufgeht wird Zunum eines Tages Flugzeuge produzieren und verkaufen, ganz wie Bombardier oder Embraer. Auch eine Lizensierung der entwickelten, proprietären Antriebstechnologie wäre denkbar, so beispielsweise an Financier Boeing. Die Nutzung fernab von Flugzeugen ist unabhängig davon nicht ausgeschlossen.

Der Unternehmensgründer Kiruba Haran ist ein Mann der Forschung: Nach einem Engagement beim Mischkonzern GE im Elektrotechnikwesen lehrt er heute zum gleichen Thema an der University of Illinois. Sein Mitgründer Matt Knapp ist Aerodynamiker. Die betriebswirtschaftliche Expertise kommt schließlich von Ashish Kumar, der zuvor bei Google, Microsoft und McKinsey wirkte. Das Trio, das keine 30 Kilometer von Boeings Stammwerk in Seattle arbeitet, wird von einem ausladenden Beraterkreis aus namhaften Luftfahrtexperten unterstützt.  

Das Vorhaben wird teuer, keine Frage. Im ersten Schritt hat das Team eine nicht näher bezeichnete Summe von JetBlue Technology Ventures sowie HorizonX Ventures, dem Startup-Finanzierungsarm von Boeing, eingesammelt. Gemessen an den hohen Initialinvestitionen bei der Entwicklung solcher Basistechnologien dürfte es sich mindestens um einen niedrigen zweistelligen US-Dollar-Millionenbetrag handeln. Weitere Finanzierungsspritzen dürften – müssten – zeitnah folgen.

Was bedeutet ein solcher Vorstoß für konventionelle Spieler der Branche? Zunum fokussiert sich zunächst auf kleine Regionaljets und wird damit insbesondere für Regionalfluggesellschaften, Privatflugbetreiber sowie ausgewachsene Airlines mit Kurzstreckenangeboten relevant. Die globale Entwicklung spielt dem Herausforderer in die Hände: Rund um den Globus bewegt sich die Passagierluftfahrt von einigen wenigen, stark vernetzten Dreh- und Angelpunkten immer weiter zum individuellen Point-to-Point-Verkehr, durch den kleine und mittelgroße Flughäfen an Relevanz gewinnen.

In den USA stehen über 5.000 Regionalflughäfen rund 140 zentral gelegenen Hub-Airports gegenüber, die aktuell 90% des landesweiten Passagierflugaufkommens generieren. Im Klartext: Versorgungslücken bestehen hier genauso wie Überkapazitäten – industrieunabhängig der klassische Ansatzpunkt für disruptive Geschäftsmodelle. Ständiger Stückkostendruck liegt unabhängig davon in der Natur der Passagierluftfahrt – ein guter Nährboden für junge Spieler, die diese signifikant zu senken vermögen.

Noch spannender als das nackte Einsparpotential wird die potentielle Dynamik in der Peripherie: Werden Zunum Jets Strecken attraktiv machen, die mit heutigem Gerät nicht wirtschaftlich abgebildet werden können? Wird die Privatfliegerei in Europa dadurch einen ähnlichen Schub erleben wie in den USA? Auf die Antworten werden wir noch länger warten müssen. Wie schnell technologische Sprünge Grundsätze auf den Kopf stellen können zeigte das 2003 gegründete Tesla, das anno 2017 eine höhere Marktkapitalisierung aufweist als der 100 Jahre zuvor gegründete Automobilhersteller Ford. 

Dominic Largo

CEO bei ValueOn AG | Board Member

7 Jahre

Interesting; how about the Relevanz?

Florian Loebel

BMW Group - Postdienste -

7 Jahre

Ich hab gerade die Web- Seite von www.nanoflowcell.com gefunden. Viellecht ein noch besserer Ansatz?

Ulrich Siller

Managing Partner bei AeroDesignWorks GmbH

7 Jahre

Why that? At least they work on a hybrid concept instead claming to be all electric like Lilium.

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