An
einem unwirtlichen Berliner Novemberabend findet im Kreuzberger Restaurant Aerde ein besonderes Dinner statt. In dem fast würfelförmigen Raum mit den terrakottafarbenen
Wänden, in dem Küchenchef Igor Kazakov sich sonst Produkten aus Brandenburger
Wäldern und Feldern sowie dem eigenen Garten widmet, wird zum fränkischen
Naturwein heute Sauerkraut serviert, hergestellt aus Spitzkohl statt aus Weißkohl
und garniert mit fermentierten Holundertrieben. Dazu gibt es ein drei Tage in
Sud eingelegtes Maggi-Ei, das bis zum wachsweichen Dotter würzig nach
Liebstöckel schmeckt. Es folgt ein mit rohem Speck umwickeltes Stockbrot,
Blutwurst mit Apfelkompott, Kartoffelpüree und Entenjus sowie frittierte
Karpfenmilch (im Bayrischen traditionell als "Ingreisch" bekannt, handelt es
sich hierbei um die Samenzellen des männlichen Fisches). Zum Schluss ein
gleichzeitig substanzieller und doch unglaublich fluffiger Krapfen – hier in
Berlin würde man Pfannkuchen sagen –, bestäubt mit Fichtennadelpulver, dazu ein
Klecks Hagebuttenkaramell.
Bürgerliche Küche: Die neue Gutbürgerlichkeit
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Von
Anne Waak