Wieso gehen Frauen in den Wechseljahren nicht einfach zum Arzt?
Eine berechtigte Frage, die Antwort ist komplexer.
Oft werde ich gefragt: „Ist das Thema #Wechseljahre am Arbeitsplatz nicht zu privat? Warum sollten sich Unternehmen damit befassen? Können Frauen nicht einfach zum Arzt gehen?“ Tatsächlich denken viele Arbeitgeber so: Laut einer Umfrage von the-change.org und kununu betrachten 63 % der Unternehmen die Wechseljahre als Privatsache, 74 % bieten keinerlei Unterstützung an, und 32 % der Personalverantwortlichen halten das Thema sogar für ein Tabu.
Doch in der Realität können Frauen in den Wechseljahren nicht darauf vertrauen, dass sie im Gesundheitssystem die notwendige Unterstützung finden. Es gibt eine medizinische #Versorgungslücke – auf mehreren Ebenen:
💶 GKV-System: Keine Krankheit, keine Finanzierung.
Wechseljahre sind ein natürlicher Lebensprozess, keine Krankheit, und daher kaum im Leistungskatalog abgebildet. Ärzt:innen erhalten für ihre Beratung etwa 17 € pro Quartal, was eine umfassende Betreuung wirtschaftlich unmöglich macht. Dazu kommt Regressangst, wenn „zu viel“ Hormonersatztherapie (HRT) verschrieben wird.
⏱️ Komplexität und Zeitmangel
Wechseljahresbeschwerden sind individuell und vielfältig. Frauen wünschen sich eine umfassende Beratung, und keine schnellen Rezepte. Aber die durchschnittlichen 7-8 Minuten Sprechzeit pro Patientin (inkl. An- und Ausziehen, Untersuchung) lassen für eine ganzheitliche Beratung keinen Raum. Die Hälfte aller Frauen fühlen sich mässig bis sehr schlecht beraten (Forsa).
🩺 Keine organische Heimat
Östrogenmangel betrifft alle Organsysteme: Knochen, Herz, Psyche, Nerven, Haut & Haar, Stoffwechsel, Schilddrüse uvm. Doch viele Fachärzt:innen sind wenig mit wechseljahresbedingten Zusammenhängen vertraut. Frauen durchlaufen oft eine Arzt-Odyssee, bevor die Ursache ihrer Beschwerden in den Wechseljahren verortet wird.
🔬 Tradierte Missverständnisse und fehlende Forschung
Die ärztliche Praxis zur HRT beruht häufig noch auf veralteten Studien, was zur Zurückhaltung in der Verschreibung führt. Nur etwa jede 5. Frau, bei der sie indiziert wäre, erhält eine HRT. Viele Symptome wie Schlafstörungen sind kaum erforscht – die Ursachen sind komplex, die Forschung teuer.
👛 Selbstzahlerleistungen
Labordiagnostik auf relevante Nährstoffe zur Symptomlinderung und Prävention oder der Hormonstatus werden nicht von der Krankenkasse übernommen und bleiben Selbstzahlerleistungen.
💼 Unternehmen stehen in der Pflicht.
Frauen müssen die Verantwortung für ihre Gesundheit (Aufklärung, Diagnostik, Beratung) vielfach auch finanziell selbst übernehmen. Diese Last ihnen allein aufzubürden, ist nicht gerecht, besonders, wenn von ihnen erwartet wird, dass sie im Unternehmen leistungsfähig bleiben.
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht und sollten die Rahmenbedingungen schaffen, das Marktversagen und die medizinische Versorgungslücke abzufedern.
Es ist Zeit für einen Perspektivwechsel.
beyoni health