Gerade scheint jeder seinen Beitrag zur #ZukunftPersonal zu posten – also muss ich wohl nachziehen. Trigger Alert: Es wird euch nicht gefallen! Was nach Clickbait klingt, ist völlig ernst gemeint. Also, worum geht es? Ich war dieses Jahr zum fünften Mal auf der #ZP in Köln, und es fühlt sich immer mehr so an, als würde ich in die Vergangenheit reisen, statt in die Zukunft. Bevor Missverständnisse aufkommen: Das ist keine Kritik an die Veranstalter – die machen einen großartigen Job. Aber an uns, die HR-Community. Wir müssen uns selbst die Frage stellen: Haben wir den Zeitgeist wirklich verstanden? Denn es stand vielleicht noch nie so viel auf dem Spiel. Eine Speakerin sagte in ihrer Keynote: "HR muss die Transformation anführen." Absolut richtig! Diese Forderung habe ich bereits 2017 nach dem Gewinn des HR Excellence Awards gestellt. Aber was ist seitdem passiert? Ehrlich gesagt, nicht viel. Ein weiteres KI-gestütztes Active Sourcing Tool wird das Problem nicht lösen. Die #ZP fühlte sich für mich wie ein Bauchladen von Insellösungen und netten Marketingversprechen an. Ist das wirklich die "Zukunft" von HR? Es reicht nicht mehr, ein paar neue Tools auszuprobieren oder den nächsten Hype mitzunehmen. Wir brauchen einen fundamentalen Umbruch in der Art, wie wir Talente gewinnen, entwickeln und auf die Zukunft vorbereiten. Ich erlebe in meiner Arbeit, wie ganze Industrien über Nacht disruptiert werden. HR wirkt dabei oft wie ein altes, gemütliches Sofa 🛋: hin und wieder ein neuer Bezug, aber im Grunde bleibt alles beim Alten. Was denkt ihr? Welche radikalen Ansätze braucht unsere Branche? Ich kann es kaum abwarten eure Meinungen und Diskussionen zu erfahren. Schreibt es mir in den Kommentare! 👇
Ich teile Deine Einschätzung. Und als Personaler haben wir sicher gut verstanden, was wir nun alles brauchen und nun alles tun müssen. Ich habe aber den Eindruck, dass viele einfach an der Vielfalt und Komplexität der gleichzeitig zu bewältigenden Herausforderungen hängen bleiben, in eine Art Lähmung verfallen, nicht genau wissen, womit sie zuerst beginnen sollten und welcher Hebel die größte Wirkung hat. Hier hilft eine gut definierte, begründete und strukturierte HR-Strategie. Vielfach fehlt es aber auch einfach an Armen, Händen und Köpfen. Denn auch vor HR machen Personaleinsparungen nicht halt. In diesem Dilemma hilft die Investition in zielorientiert ausgerichtete HR-Solution Teams.
Das ist ein sehr spannender Impuls, Benjamin! Damit HR die Transformation anführen kann, ist es aus meiner Sicht auch notwendig, dass die HR-Community ebenfalls versteht, dass sie selbst Teil einer Transformation ist. Ein tiefes Verständnis für das, was die jeweiligen Unternehmen und ihre Mitarbeitenden benötigen, setzt für mich Wissen darüber voraus, was meine Mitarbeitenden umtreibt. Regelmäßige Befragungen können helfen, zu erklären, welche Maßnahmen (L&D, Benefits, Karrierepfade,...) auf welche Art und Weise funktionieren und wirken. Durch People Analytics kann dies sehr gut sichtbar werden. Insofern helfen uns Daten, eine fundierte Grundlage für die zielgerichtete Erarbeitung von Maßnahmen zu erhalten, statt sich ausschließlich auf Meinungen und Bauchgefühle zu verlassen – ohne die Notwendigkeit von Intuition und Empathie abzusprechen. Insofern ändern sich in Teilen auch die notwendigen Skills auf HR-Seite. Die Erkenntnisse daraus können HR unterstützen, Transformationen aktiv(er) mitzugestalten.
Benjamin Pieck wirklich gut gedacht, ich denke allerdings auch dass ein kompletter Umbruch vielleicht nicht der erste richtige Schritt ist. Man sollte vielleicht schon bei den "kleinen" Dingen und Werten ansetzen. Oft erlebe ich es dass mit "lean" gestalteten Prozessen geworben wird, und die HRler auch absolut konform damit gehen, dass man "schnelle Feedbacks" geben muss, aber es muss auch hier schon in den Köpfen in den Fachbereichen und bei den Entscheidungsträgern ein umdenken stattfinden. Man kann sich nicht daraus ausruhen, dass man ja latent wechselwillige Kandidaten erhält und ja Bewerbungen da sind, die sind schneller weg als man kucken kann... Das ist meine Meinung hierzu, wenn nach Bewerbungseingang, 3-4 Wochen vergehen bis ein erstes Feedback folgt und dann eine Einladung in weiteren 2-3 Wochen erst terminiert ist, sind agilere Firmen einfach schneller und haben die Nase vorn. Das jetzt nur mal auf den kleinen Aspekt der Rekrutierung gesehen, und hier gibt es viele Beispiele die genannt werden könnten. Die kleinen Dinge optimieren und perfektionieren, damit man am Puls der Zeit bleibt und auch die #ZukunftPersonal vorantreiben kann.
Warum gehen Personalverantwortliche und Unternehmensentscheider immer noch die gleichen Rekrutierungswege wie vor 30 Jahren - nicht weil es erfolgreich ist, sondern weil es zur Gewohnheit geworden ist? Wir haben es schon immer so gemacht und verlassen unsere Komfortzone nicht, weil es unbequem und auch nicht erfolgreich sein könnte! Es ist an der Zeit, neue Wege zu gehen, die nachhaltig zu deutlich besseren Ergebnissen führen als bisher. Dazu braucht es Mut und Entschlusskraft. Darüber hinaus gibt es Möglichkeiten, wie wir Unternehmen miteinander verbinden können und so eine Recruiting-Kooperationsgemeinschaft entsteht, die uns wirtschaftlich weiterhilft, insbesondere wenn die Wirtschaftsräder wieder anspringen (Mehr dazu gerne per PN). Vielen Dank für den o.g. Impuls, Benjamin Pieck.
Meine radikalste Erkenntnis der letzten Jahre war, dass Unternehmen, die in den heutigen dynamischen Märkten bestehen können, bereits Strukturen haben, die Talent (nicht Talente) mit (Unternehmens)-Problemen koppelt. Diese Strukturen sehen nur aus der noch in vielen Unternehmen vorherrschenden Betrachtungsweise (gar nicht als Vorwurf an irgendjemandem gemeint) eher aus wie strukturelles Unkraut, weil es nicht so schön geordnet und prozessual ist. Letzteres funktioniert allerdings in dynamischer Umgebung nicht, da findet nicht das Management oder HR die besten Talente, sondern Talent zeigt sich (übrigens auch dem Menschen, an dem das Talent haftet) erst im Angesicht eines Problems. Das zu unterstützen ist heutzutage die zu lösende Aufgabe.
Benjamin, Du sprichst mir aus der Seele. In meiner Keynote Clash of Generations versuche ich dafür zu sensibilisieren, dass alte Muster nicht mehr funktionieren - weder bei Einstellungsprozessen, noch bei der Integration von Mitarbeitern. Es wir immer noch viel zu sehr in bestehenden Schubladen gedacht und immer noch wird versucht, dass Runde in das Eckige zu pressen. Leider stelle ich immer wieder fest, dass in etablierten Strukturen die Angst vor Veränderung coole neue Konzepte verhindert.
Well said! Ich war bisher auf keiner der #ZP Messen, da es für mich mehr Marketing ist als eine wirkliche Veränderung. Wir brauchen keine weiteren Tools, wie du bereits erwähnt hast, wir müssen uns selbst ändern. Wir müssen offener denken, schneller agieren und weniger in einer stereotypischen Welt leben. Das ist, was wir brauchen, und keine Messe hat das bisher angeboten. Es macht mich traurig, Kandidaten abzulehnen, die älter sind, während wir gleichzeitig das Rentenalter ständig erhöhen, oder zu erklären, wie wichtig es im Recruiting ist, schnell zu agieren, um die besten Talente gewinnen zu können.
Danke für deine Einschätzung
Ich danke dir für die hochspannenden Gedanken. Gibt es schon konkrete Vorschläge für „HR 3000“ ;) ?
-
4 MonateVielleicht ist die Erwartungshaltung der Transformation selbst zu weit vorweg gegriffen. Während einige Industriezweige tatsächlich ständig in der Erneuerung stehen, beispielsweise Tech, gibt es auch andere Branchen, die keiner großen Transformation bedürfen. Das Brot wird eben mit Mehl gebacken. Hinter der Personalbranche steckt das Prinzip "Menschen reden mit Menschen". Da sehe ich tools basierend auf KI und viel tech als gar nicht allzu förderlich. Und auch andere "Neuerungen" ... welche sollten die sein? Ein paar Sortierungen vornehmen, Stellenanzeigen gezielter streuen, Kandidaten über neue Kommunikationswege ansprechen, Bewerber besser verwalten und Mitarbeiter managen - All dies lässt sich bereits bewerkstelligen. Am Ende sitzen sich dennoch zwei oder mehr Menschen gegenüber und verhandeln. Welche radikalen Ansätze sollen da transformieren? Meine Antwort: Keine. Die Hauptwerkzeuge eines guten Personalers bleiben das, was sie auch immer schon waren: Empathie, Menschenkenntnis und ein tiefes Verständnis für den Bedarf des Unternehmens wie auch des Bewerbers oder Mitarbeiters. Und das Ziel, sie zusammen zu führen. Radikale Ansätze haben da wenig verloren. Feingefühl und ein gewisser Blick für das Verborgene zählen.