Beitrag von Katrin Nägele

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Satznachbarn - Einfache und Leichte Sprache am Bodensee | Einfache Sätze sitzen | Setz dich!

Stellen wir uns an und in Wahrheit führt die Vereinfachung der Sprache dazu, dass wir alle verblöden? Gestern habe ich eine Diskussion zur „Tagesschau in Einfacher Sprache" gelesen. Die Autorin, die sich für das Angebot ausgesprochen hat, meinte, dass das Angebot für Menschen ist, denen die Tagesschau bisher zu unverständlich ist. Der Zielgruppe für das neue Angebot sei es auch unter großer Anstrengung nicht möglich, die reguläre Tagesschau zu verstehen. Als Verdeutlichung wurde das Bild eines Menschen im Rollstuhl genommen, dem man auch nicht sagen kann „Nimm doch einfach die Treppen". Es ist nicht möglich. Dieses Beispiel wurde mir gegenüber in anderer Art auch schon genannt. Rollstuhlfahrende sehen sich wohl öfters Rampen gegenüber, die aufgrund der Steigung aber nicht befahrbar sind. Der Gedanke ist nett, hilft aber gar nicht. Warum bin ich mit meinem Gegenüber bei dieser Diskussion gelandet? Weil ich geäußert habe, dass ich das Gefühl habe, dass wir Menschen mit Beeinträchtigungen oft zu wenig zutrauen. Dass wir es ihnen und uns manchmal zu leicht machen. Zu leicht, Dinge nicht zu versuchen. Zu leicht, Dinge zu meiden, die anstrengend sind. Wenn Menschen mit Behinderung nicht zur Wahl gehen wollen, ist dann der Grund, dass sie dazu nicht in der Lage sind? Grundsätzlich nicht? So wie der Rollstuhl keine Rampe mit zu hoher Steigung raufkommt? „Du willst nicht wählen? Okay, dass ist deine Meinung. Ich habe dich gefragt. Ich respektiere deine Meinung." Müssten wir hier nicht schauen, was die wahren Gründe sind? Und gemeinsam versuchen, Hürde zu überwinden? Will ich zu viel, wenn ich denke, dass sie es schaffen? Was wäre denn, wenn die Wahlen einfacher wären? Müssen wir erst einmal ein Grundverständnis für das Thema Wahlen aufbauen? Wäre das nicht für uns alle sinnvoll? Und passt das Beispiel mit dem Rollstuhl dann wirklich? Können Menschen mit Lernschwierigkeiten manche Dinge einfach nicht verstehen? Grundsätzlich nicht? Sind denn nicht auch Menschen mit Lernbeeinträchtigungen alle verschieden? Ich habe Kinder erlebt, denen gesagt wurde, sie würden nie lesen können. Und sie können es doch. Ich habe Frauen getroffen, denen als Kinder erzählt wurde, dass es sich nicht lohnt, sie zu unterrichten, weil Frauen grundsätzlich nicht in der Lage seien, den Schulstoff zu verstehen. Heute ist ein Großteil der Lehrkräfte Frauen. Ein Wunder? Wenn das alles und noch viel mehr möglich ist, dann bin ich davon überzeugt, dass auch Menschen mit Beeinträchtigungen alles können. Und verständliche Sprache ist ein Anfang. Ein Anfang zu mehr Teilhabe, mehr Wissen, mehr Mitsprache, mehr Miteinander. --------------- Ich bin Katrin und setze mich am #Bodensee für #LeichteSprache und #EinfacheSprache ein. Wenn du eine Übersetzung brauchst oder Interesse an einem Workshop hast, setzt dich gerne zu mir auf die #Satzbank. Ich freue mich auf deine Anfrage #EinfacheSpracheBodensee #LeichteSpracheBodensee

  • Weißer Hintergrund mit folgendem Text:
Stell dich nicht so an. Die Steigung schaffst du mit deinem Rollstuhl locker.
Claudia Ehrenfeuchter

Sprachakrobatin zwischen Fachsprache und Leichter Sprache - Medienprofi für juristische Fachliteratur (Beratung, Lektorat, Schreiben)

6 Monate

Wichtig ist auch die Wahlmöglichkeit: Mal gehe ich selbst die Treppe, mal nehme ich den Lift und manchmal bin ich mit einem Koffer froh über eine Rampe. So sollte es auch bei der Sprache sein: Mal bin ich sehr interessiert an einem Thema und beschäftige mich intensiv damit und mit der Sprache, mal will ich mehr oder weniger Informationen, und mal will ich einfach nicht viel denken. Außerdem vergleiche ich da auch immer meine Situation in Ländern, deren Sprache ich nicht spreche, am Anfang war ich bei Nachrichten in Englisch hoffnungslos überfordert und hätte mich sehr über ein einfaches Angebot gefreut.

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