These 1: Agilität wird zu eindimensional betrachtet – und meist zu methodisch.
(Dieser Beitrag ist Teil meiner Serie: Das böse A-Wort: Ist Agilität Auslauf- oder Zukunftsmodell?)
Viele Vorträge zu den Themen Agilität und Digitalisierung – und ja, oftmals auch meine eigenen – beginnen derzeit wie folgt: "Die Welt ist komplex und wird immer disruptiver ... " Dann folgen einige Beispiele dafür und die Ableitung, dass dringend etwas getan werden muss, um zukunftsfähig zu bleiben.
So wahr die Aussage sein mag, so langweilig ist sie zunehmend für die Zuhörer, denn was geschieht nun als Konsequenz in unseren Unternehmen? a) Gar nichts oder b) Wir führen agile Arbeitsweisen ein. Wir schauen uns bei der IT ab, wie sie mit den bunten PostIts arbeitet und hängen uns ein Kanban-Board an die Wand im Büroflur. Machen Weiterbildungen zum Scrum Master, Agile Coach oder Product Owner und sind mit Feuereifer bei der Sache. Die Kollegen schauen ein wenig neidisch auf die Standup-Meetings und die fröhlichen Gesichter und wollen das auch. Agilität hält Einzug in unterschiedlichen Unternehmensbereichen. Super.
Und dann?
Viele Unternehmen haben diese Phase hinter sich oder sind noch dabei. Sie schauen sich häufig die Methoden und Prozesse in der Zusammenarbeit an. Und die agilen Arbeitsweisen bringen viele Vorteile mit sich. Aber an irgendeinem Punkt stoßen sie an ihre Grenzen. Nämlich dann, wenn die veränderten Prozesse und Methoden der Zusammenarbeit nicht mehr zu den Organisations- und Führungsstrukturen, geschweige denn zur Unternehmenskultur passen. Alte und neue Arbeitswelt fangen an, sich zu beißen; die agile Transformation wird in der weiteren Entwicklung limitiert.
Der ganzheitliche Ansatz à la Pioneers Trafo-Modell
Das ist an sich völlig normal und in Ordnung. Denn es hat sich auch gezeigt, dass Organisationen sich nicht zeitgleich in allen Dimensionen wandeln können. Was zu viel ist, ist zu viel. Aber ist es eben auch unabdingbar, einen (länger währenden) ganzheitlichen Ansatz zu wählen und die Transformation nach und nach über alle Dimensionen hinweg zu vollziehen.
Aus unseren Erfahrungen heraus haben wir es mit sechs Dimensionen zu tun, die wir vor einigen Jahren zum Pioneers Trafo-Modell entwickelt und zusammengefasst haben:
- Die Dimension der Prozesse: Kundenorientiert entwickelt sie sich von wasserfallartigen Vorgehen zu iterativ-inkrementellen Prozessen.
- Die Dimension der Organisationsstrukturen: Der Wandel vollzieht sich von Pyramiden zu kundenorientierten Netzwerkstrukturen.
- Die Dimension der Strategie: Von einer Inside-out-Denkweise (kurzfristige Gewinnmaximierung) entwickelt sich das Unternehmen hier hin zu einer Outside-in-Denkweise (Nutzenmaximierung für den Kunden).
- Die Dimension Führung: Hier geht es um Mitarbeiterzentriertheit, beim Wandel von Top-down-Führung zu Führung als Dienstleistung.
- Die Dimension der HR-Instrumente: Von klassischen HR-Instrumenten zur Befähigung von Teams wandeln sie sich mitarbeiterorientiert.
- Die Dimension Kultur: Die agile Transformation braucht den Wandel von der Absicherungskultur hin zu einer ausgeprägten Vertrauenskultur.
Sechs Dimensionen und fünf Reifegrade agiler Organisationen (eigene Abbildung)
Die meisten Unternehmen starten mit veränderten Prozessen in der Produktentwicklung oder nutzen agile Methoden als neuen Projektmanagement-Ansatz. Das funktioniert auch – vor allem zu Beginn – ganz gut. Dann tauchen aber die limitierenden Faktoren in den anderen Dimensionen auf. Agilität ist mehr als ein methodisches Vorgehen. Es geht darum, sich als Unternehmen ganzheitlich an die komplexen und laufenden Veränderungen der Umwelt und Inwelt anzupassen.
Diese Dimensionen sind alle miteinander verwoben und der agile Reifeprozess muss überall vollzogen werden. Nur über alle Dimensionen hinweg lässt sich die Wirkungskraft der Agilität für die Organisation voll nutzen, nur so entsteht Wirksamkeit und nachhaltiger Erfolg. Wenn wir beginnen, kundenzentrierte Prozesse in cross-funktionalen Teams zu organisieren, haben wir einen ersten Konflikt mit der bisherigen Linien-Organisation. Im nächsten Schritt haben wir beispielsweise die Strukturen verändert und Silos aufgebrochen, muss Führung völlig neu gedacht und die HR-Instrumente müssen angepasst werden. Nur mit einer ganzheitlichen Betrachtung hat eine Organisation die Chance, relevanten Fortschritten in der agilen Transformation zu kommen.
Weiter geht es mit These 2:
#AgileDeadOrAlive
"There is no agility without stability!"
5 JahreAGILITÄT UND IDEOLOGIE: DER ZWECK HEILIGT NOCH IMMER DIE MITTEL Trägt der Blick in die Geschichte wohl dazu bei, das Konzept der Agilität besser zu verstehen, bietet es uns noch immer keine einheitliche Definition. Und tatsächlich, ein gemeinsames Verständnis davon, was genau unter „Agilität“ zu verstehen ist, gibt es weder in der Wissenschaft, noch in der Praxis. In vielen Fällen wird „Agilität“ mit „Flexibilität“ gleichgesetzt. Ist dies auch nicht grundsätzlich falsch, wird Agilität doch weiter gefasst als Flexibilität. Worin sich Theoretiker und Praktiker einig scheinen ist die Grundaussage, dass „Agilität dabei helfen soll, sich erfolgreich in einer zunehmend komplexer werdenden Welt zu bewegen“ (Aulinger 2017, S. 2). Das tut Agilität, indem sie in einem System - absolute Kundenorientierung - schnelle Entscheidungswege - Anpassung und Veränderung - optimale Technologieausnutzung und - Innovation unterstützt. Wie genau das funktionieren kann, ist womöglich keine große Frage für Konzeptions-Berater, sonstige Theoretiker und alle Scrum-, Holacracy- oder Lean Management-Experten, wohl aber für die Mehrheit der Führungskräfte und insbesondere für Mitarbeiter. Was der Rückblick in die Herkunft der Agilität allerdings eindeutig beantworten lässt, ist die Frage nach dem ursprünglichen Zweck von Agilität. Dies ist insbesondere interessant, als dass die gegenwärtige Diskussion um die Agile Workforce das Bild prägt, Agilität basiere auf einem humanistischen oder sozialen Ansatz. Das widerlegt der Blick in die Geschichte: dem für die Agilität so prägenden Lehigh Report geht eine Forschungstätigkeit des MIT aus den 1980iger Jahren voraus, die das Ziel hatte Maßnahmen zu formulieren, die einer wirtschaftlichen Stagnation in Amerika entgegenwirken sollten (Förster und Wendler 2012, S. S. 7-8). Der ursprüngliche Gedanke Agilität zu forcieren, war demnach rein kapitalistisch motiviert. Es ging darum, die Leistungsfähigkeit von Unternehmen und nicht das Wohlbefinden der arbeitenden Menschen zu erhöhen. Die Menschen fungierten dabei lediglich als Betriebsmittel für einen höheren volkswirtschaftlichen Zweck. Dieses Leit-Motiv gilt auch heute noch, haben sich auch Interpretation und Mittel, diesen Zweck zu erfüllen in den letzten dreißig Jahren geändert. Der Zweck ist noch immer derselbe: den Menschen möglichst leistungsfähig zu machen. Lesen Sie mehr in meinem Buch "DIE AGILITÄTSFALLE"
credit management - credit management software - process expert - certified project manager
5 JahreGenau- Tipp auf YouTube ist ein Typ der seine Familie agil organisiert- Daily scrum beim Frühstück- Whiteboard auf dem Kühlschrank - Aufgaben werden von den Kindern abgehakt- Ressourcen Familienautos etc. aufgeteilt......
Curious Learner, critical observer, Agile Enterprise and Career Coach
5 JahreDas Problem mit der Agilität fängt doch schon damit an, daß es keine einheitliche Definition für diesen Begriff gibt. Jeder nutzt den Begriff Agilität so, wie er am besten in das eigene Weltbild paßt - ohne dies in irgend einer Weise explizit zu machen. Hier sehe ich einen entscheidenden Schwachpunkt. Viele (aus der IT) beziehen sich bei Agilität auf das Agile Manifesto. Aus meiner Sicht ist das in der Tat eine sehr eindimensionale Betrachtungsweise - vor allem wenn man es, wie viele es tun, als starres Regelwerk begreift und somit ad absurdum führt. Spoiler: Für mich handelt es sich beim Agilen Manifesto eher um ein Lean Manifesto, das versucht unnötige Arbeit zu vermeiden. Agile ist es eigentlich nur in dem Punkt, daß Änderungen auch spät im Prozeß noch willkommen sind (was wiederum etwas widersprüchlich zum Shift-Left-Ansatz ist). Dann ist da noch die Designfraktion mit Design Thinking die eben dieses als Kernpunkt von Agilität begreift. Hierbei steht der Kunde, bzw. die Kundenbedürfnisse im Mittelpunkt. Es ist, wie der Name schon sagt, ein reiner Designansatz für die Produktentwicklung, der sich auf andere Bereiche nicht wirklich gut anwenden läßt. Bei dem Lean-StartUp Ansatz geht es in die selbe Richtung wie bei Design Thinking, nur daß hier nicht ein Produkt sondern ein Business Case im Mittelpunkt steht. Erst bei Beyond Budgeting kommt man größeren Organisationen näher, wobei man sich hier vor allem auf die Abkehr von starren Planstrukturen konzentriert. System Thinking scheint bei den wenigsten ein Thema zu sein, wobei genau hier die größten Hebel vorhanden sind um eine Organisation zu verbessern. ... man könnte hier noch viele unterschiedliche Perspektiven aufführen, die alle für sich richtig sind, sich aber nicht wirklich zu einem großen ganzen zusammenfügen. Wie die geliebten Silos in einem Unternehmen ... Wird Agilität also zu eindimensional betrachtet? Aus meiner Sicht definitiv JA. Wird Agilität zu methodisch betrachtet? Ich neige dazu zu NEIN zu sagen. Es wird aus meiner Sicht zu viel auf Methoden verwiesen, die dann wie Regelwerke (s. o.) abgearbeitet werden. Es wird dabei aber zu wenig verstanden, welche Prinzipien hinter diesen Methoden stecken, d. h. WARUM man etwas macht. Wenn man dieses WARUM als methodisches Vorgehen zugrunde legt, wird zu wenig methodisch gearbeitet. Ist Agile tot? Das Wort vielleicht, die Prinzipien dahinter bestimmt nicht. Sie werden sich immer mehr durchsetzen. Zumindest bei den Unternehmen, mit denen ich zu tun habe stelle ich einen Wandel fest. Gerade bei großen Unternehmen kommt der nicht sofort, aber er kommt stetig und wird sich über die Zeit immer weiter ausbreiten.
Enabling spatial computing ecosystems
5 JahreKleine eigenständige Firma starten, ohne Finanzierungspaket, nur shared services von A1 und office...los kann's gehen. Dann wird Agilität zum no brainer im Team ;)
Senior Director Human Resources bei A1 Telekom Austria AG
5 JahreIch sehe auch dass Agile oft nur als neuer Projektmanagementansatz verstanden und implementiert wird. Um einen nachhaltigen Erfolg zu erreichen muss es wohl weiter darüber hinaus gehen und mehr oder weniger die gesamte Organisation durchdringen. Gerade im Konzern muss das fast logischerweise zu massiver Irritation und auch Widerstand führen - passt dies alles doch nicht ansatzweise zu den vorhandenen Strategie-, Steuerungs- und Führungsmodellen. Deshalb mein Vorschlag: JA - klein beginnen im Projektumfeld und rasch Experimente durchführen. Dann muss allerdings ein zweiter organisationaler Schritt erfolgen und eine samthafte Umsetzung erfolgen. Schade wenn es beim Ersatz für Projektmanagement bliebe ;-)