1: Warum Fahrwerk und Bremsen bei EVs wichtiger sind als Beschleunigung und 2: Kleine Autowerkstätten im Zeitalter der Elektromobilität
1: Jenseits von 0 auf 100: Warum Fahrwerk, Bremsen und geringes Gewicht für ein gutes EV wichtiger sind und immer noch unterschätzt werden.
Einleitung:
Jedes Mal, wenn man einen Test über einen PS starken EV liest, wird recht weit am Anfang im Test die Beschleunigung von 0 auf 100 erwähnt. Wie geil die ist. Von 0 auf 100 in 5,4,3 Sekunden. Porschekiller hier, Porschekiller da. 😊
Hohe Leistung bei Elektromotoren scheint quasi beliebig möglich. 300, 500 oder 1000 PS. Alles kein Problem. Ist deutlich günstiger und einfacher erreichbar als bei Verbrennern.
Aber: Geradeaus kann jeder. Und was passiert eigentlich, wenn die erste Kurve kommt. Welche Rolle spielen Bremsen, Fahrwerk und Gewicht?
Bremsen ist mehr als nur Anhalten
Eine Anekdote zur Einstimmung: Subaru Impreza WRX, 1 Teil:
Das Jahr 2005. Elektrofahrzeuge hatte damals noch niemand. Außer diejenigen, die sich eine Carrerabahn kauften.
Ich sitze in einem Subaru Impreza WRX, nett getunt auf knapp über 350 PS. Die Bremsen noch original. War recht schnell auf der Autobahn unterwegs, plötzlich zog einer nach links raus. Ich latschte voll in die Bremse. Und das bei über 200. Zunächst gute Bremswirkung und auf einen Schlag ist die Bremsperformance dahin. Kurz das ganze Leben in Zeitlupe rekapituliert, ein schnelles Stoßgebet und dann - doch noch Glück gehabt. Der Standstreifen war frei um auszuweichen.
Die Bremsanlage war nach dieser Aktion kaputt. Scheiben verzogen, Belege auch durch. Komplett überhitzt.
Was hat das mit starken EVs zu tun? Eine ganze Menge. Denn auch diese haben häufig viel Leistung und wenig Bremsperformance.
Bremsen bei leistungsstarken EVs
In der Welt der Elektrofahrzeuge spielen Bremsen eine doppelte Rolle. Neben der offensichtlichen Sicherheitsfunktion sind sie auch ein integraler Bestandteil des Energierekuperationssystems.
Im Folgenden möchte ich auf das schlichte Bremsen eingehen. Energierückgewinnung soll hier außen vorgelassen werden.
Also. Was zeichnet gute Autos aus, egal ob EV oder Verbrenner? Kurze Bremswege und im optimalen Fall beliebig häufige Wiederholbarkeit der Bremsung bei gleichbleibend guter Wirkung.
EVs strotzen recht häufig vor PS und beschleunigen hervorragend. Diese Fahrzeuge wiegen aber gerne schon mal über 2 Tonnen. Was heißt das für die Bremsen? Durch das viel an Masse werden die Bremsen beim starken Abbremsen besonders gefordert. Und damit meine ich nicht, dass simple abbremsen in der Stadt vor der Ampel. Wer Fahrzeuge mit deutlich über 300 PS anbietet, die auch locker über 200 km/h rennen, sollte auch dafür sorgen, dass diese Fahrzeuge Topbremswerte haben.
Was nützt ein einmaliges sehr gutes Bremsen von 100 auf 0, wenn man beim 5 oder 10 Mal ins Leere tritt und den Bremsweg wie bei einem Land Rover Defender von 1980 ist. Ist leider recht häufig bei EVs der Fall.
Ein gutes Beispiel sind hier die Tesla Plaid Modelle. Um die 1000 PS und die Bremsen sind bei der Markteinführung totaler Mist. Berichte über Bremsversagen aus hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn oder auf Rennstrecken können gerne online nachgelesen werden.
Am Nürburgring kann man bei Trackdays sehen, welche Serienfahrzeuge gute Bremsen haben. An Trackdays kommen Leute zur Rennstrecke, um ihre Sportfahrzeuge voll zu fahren. Es sind immer viele Porsche dabei, genauso wie BMW M Modelle, Civic Type R oder Megane RS um ein paar zu erwähnen. Und warum ist das so? Weil sie von Haus aus top Bremsen haben.
Jeder Sportfahrer weiß, dass Leistung nix wert ist, wenn sie nicht abgebremst werden kann. Ford? Werden dort nur mit modifizierter Bremse gefahren. Audi hatte jahrelang Probleme mit der Standfestigkeit der Bremsen. EVs fährt auf der Rennstrecke eh kaum jemand. Außer es ist vielleicht ein Taycan.
Konklusion:
Viele moderne EVs bieten beeindruckende Leistungsdaten bzgl. der Längsbeschleunigung, die jedoch oft auf Bremssysteme trifft, die nicht für solche Belastungen ausgelegt sind. Das hohe Gewicht der EVs ist ein echter Bremsenkiller, was viele EV Hersteller vor große Probleme stellt.
Nicht umsonst sagt man, dass man mit einem Porsche zur Rennstrecke fahren kann, dort ein paar hardcore Runden dreht um dann wieder entspannt nachhause zu reisen. Bei den meisten EV Herstellern wird man vor der Heimreise vermutlich alle Scheiben und Belege wechseln müssen bevor man heimfährt. Im besten Fall. Siehe Tesla Plaid.😊
2: Das Fahrwerk – der Kampf in der Kurve gegen das hohe Gewicht
Subaru Impreza WRX, 2 Teil:
Noch einmal springen wir in das Jahr 2005: Nachdem der WRX nach dem Autobahnabenteuer sehr gute Brembo-Bremsen bekommen hat, habe ich mich direkt für ein Gewindefahrwerk entschieden. Warum? Weil jeder Sportfahrer irgendwann erkennt, dass die Essenz des Sportfahrens nicht die Längs- sondern die Querdynamik ist.
Und was hat das mit EVs zu tun?
In der Praxis sehen wir oft, dass Elektrofahrzeuge mit enormer Leistung auf den Markt kommen, deren Fahrwerke jedoch nicht in der Lage sind, diese Kraft effektiv auf die Straße zu bringen. Das Ergebnis? Ein Fahrerlebnis, das von Instabilität und mangelnder Kontrolle geprägt ist.
Das Grundproblem der EVs beim Fahrwerk ist ähnlich wie bei den Bremsen. Hohe Leistung trifft auf hohes Gewicht.
Bei Sport- und Luxusfahrzeugen ist ein hochwertiges Fahrwerk unerlässlich. Das gilt auch für EVs mit hoher Motorleistung. Sind es an den Rädern 300 PS oder mehr, sollte auch das Fahrwerk entsprechend sein. Elektrofahrzeuge bringen aufgrund ihrer Batterien ein höheres Gewicht auf die Straße, was die Bedeutung eines gut abgestimmten Fahrwerks noch verstärkt. Ein ausgezeichnetes Fahrwerk sorgt nicht nur für eine angenehme Fahrt, sondern auch für präzises Handling, was bei höheren Geschwindigkeiten und in Kurven entscheidend ist.
Geradeaus kann jeder. In der Kurve trennt sich die Spreu vom Weizen.
Empfohlen von LinkedIn
Wie sieht ein schlechtes Fahrwerk aus?
Hier einige Stichpunkte: Unpräzise Lenkung, schwammiges Verhalten bei hohen Geschwindigkeiten, starke Wankneigung sowohl längs als auch quer, Untersteuern in der Kurve.
Untersteuern in der Kurve? Exkurs. Was ist das eigentlich? Hier eine kurze Definition zum Thema Unter- oder Übersteuern. Von Walther Röhl, dem besten Rallye- und Rennfahrer aller Zeiten: „Übersteuern ist, wenn der Beifahrer Angst hat. Untersteuern, wenn ich Angst habe.“
Die Lösung für starke EVs - die keine ausgewiesenen Sportwagen sind - liegt in adaptiven Fahrwerken, die sich superschnell und automatisch an die Fahrsituation anpassen. Solche Systeme können die Dämpfungseigenschaften in Echtzeit anpassen, um sowohl Komfort als auch Performance zu optimieren.
Fazit 1: Gewichtsreduzierung
Das Gewicht ist ein kritischer Faktor für die Fahrdynamik und Sicherheit von Elektrofahrzeugen. Hohe Leistung trifft häufig auf schwache Bremen uns schlechte Fahrwerke.
Die Entwicklung v.a. leichterer Batterien wird weiterhin eine Schlüsselrolle spielen, um die negativen Auswirkungen des Gewichts zu minimieren und die Leistung und Sicherheit von EVs zu optimieren.
In einer Zeit, in der Elektromotoren die Leistungsunterschiede zunehmend nivellieren, sind es Faktoren wie Bremsen und Fahrwerk, die ein wirklich außergewöhnliches Fahrerlebnis ausmachen.
Fazit 2: Bremsen und Fahrwerk, warum oft zu schwach ausgelegt
Woran liegt es, dass viele EV-Hersteller das mit der Bremse und dem Fahrwerk noch nicht so drauf haben?
Zu einem eine Frage der Kosten. Ein gutes Fahrwerk und eine Topbremse können recht teuer sein und bei vielen EV Herstellern sind das einfach nur Zukaufteile.
Zum anderen liegt es daran, dass die ganzen neuen EV Hersteller u.a. keinen Rennsport machen. Die Erfahrungswerte, die man dort als Hersteller sammelt, haben idR. einen starken Impact auf die Serienfahrzeuge. Porsche ist im Bereich Bremse und Fahrwerk nur so gut, weil sie schon immer Rennsport gemacht haben.
Hier noch etwas über Tesla als EV Hersteller Negativbeispiel: „Im aktuellen TÜV-Report 2024 liegt das Model 3 unter 111 Modellen auf dem letzten Platz. 14,7 Prozent der getesteten Model 3 fielen demnach durch, was vor allem an Problemen mit den Achsaufhängungen und den Bremsscheiben lag.“
Fazit 3, Reifen nicht vergessen
Nicht vergessen sollte man auch performante Reifen. Auch diese haben einen starken Einfluss auf das Fahrverhalten und das Bremsen. Verbrauchsoptimierte Eco- oder Allwetterreifen sollten man bei starken EVs nicht unbedingt aufziehen. Nur so als Tip.
Und meine abschließende Bitte
Welcher normale Autofahrer braucht 500 oder über 1000 PS in einem Auto. Jeder Mist wird in der EU reguliert. Die Krümmung von Bananen und Gurken oder wie eine "Pizza Napoletana", auch Margarita genannt, auszusehen und zu schmecken hat. Aber jeder Hampel – auch wenn er gerade aus der Fahrschule kommt - kann sich ein Elektrofahrzeug mit 1000 PS kaufen. Wie geht das zusammen?
Daher meine Bitte um etwas Regulierung diesbezüglich. Wie bei der Gurke oder der Pizza.
2: KFZ-Werkstätten im Zeitalter der Elektromobilität – Massensterben oder Chance?
Im Ruhrgebiet, wo ich viele Jahre verbracht habe, gibt es neben den großen Werkstatt-Ketten oder autorisierten Händlern sehr viele kleine Autowerkstätten. Die eine macht in Richtung Youngtimer/Oldtimer, die nächste noch spezieller in Richtung luftgekühlte Porsche. Noch eine andere amerikanische V8 oder Rennwagen. Von diesen spezialisierten Werkstätten soll hier nicht weiter die Rede sein. Diese sind meistens sehr gut aufgestellt. Haben einen treuen Kundenstamm und eine - über viele Jahre erworbene - sehr gute Expertise. So sind z.B. luftgekühlte Porsche bei spezialisierten privaten Porschewerkstätten meistens besser aufgehoben als bei den offiziellen Porschewerkstätten.
Im Folgenden geht es um die kleinen Krauter - die es im Ruhrgebiet aber auch anderswo noch in Massen gibt - die sich um die 08/15 Gebrauchten kümmern. Meistens in guter Qualität zu guten Preisen. Eins verbindet sie alle (aber auch die oben erwähnten Speziallisten): Es mangelt an Nachwuchs. Und Nachfolger sind auch schwer zu finden. Das ist das eine Problem. Das andere Problem ist, dass es in diesen Betrieben traditionell an finanziellen Mitteln für notwendige Investitionen in moderne Technik und Schulungen fehlt. Das wird sich mit der Elektromobilität noch einmal verschärften und es stellt sich die Frage, wohin es mit diesen Werkstätten geht.
Eigentlich könnte ich jetzt über die Herausforderungen und mögliche Lösungen für kleine (aber auch große) Werkstätten im Umfeld der Elektromobilität schreiben.
Das könnte sich so anhören: Fehlende Finanzmittel für Investitionen in Schulungen und Hardware könnte man durch Kreativität, strategische Planung, Kooperationen, Partnerschaften und Netzwerke, Spezialisierung auf Nischenbereiche und Nutzung von Förderprogrammen kompensieren. Der Fokus sollte dabei auf der Schaffung von innovativen Geschäftsmodellen und der Verbesserung der Kundenerfahrung liegen, um im Wettbewerb bestehen zu können.
Die Elektromobilität bietet die Chance, innovative Dienstleistungen zu entwickeln und neue Märkte zu erschließen. Werkstätten, die bereit sind, sich anzupassen und zu lernen, werden nicht nur überleben, sondern auch prosperieren.
Die Elektromobilität ist keine Bedrohung, sondern eine Gelegenheit für KFZ-Werkstätten, sich zu entwickeln und zu wachsen. Letztlich werden diejenigen erfolgreich sein, die den Wandel als Chance begreifen und proaktiv angehen. Blabla bla bla und noch mal bla.
Alles Unsinn.
Denn was bedeutet Elektromobilität für Autowerkstätten? Va. teure neue Hardware die gekauft werden muss, neue Schulungen und Ausbildungen und deutlich weniger und günstigere Werkstattaufenthalte.
Die Wahrheit ist
In den nächsten Jahren wird es ein Massensterben im Autowerkstattbereich geben. Va. bei den ganz kleinen, die eigentlich nicht das Geld für teure Investitionen haben und auch das finanzielle Risiko nicht mehr eingehen wollen. Nicht zu vergessen die massiven Nachwuchsprobleme.
Nischen suchen? Gute Idee. Aber diejenigen, die sich noch nicht auf Oldtimer oder ähnliches spezialisiert haben, sind schon zu spät dran. Die kriegen so schnell nicht mehr die Kurve. In diesen Sphären wird die Kundschaft jahrelang oder jahrzehntelang durch harte Arbeit aufgebaut.
Frauenhofer IAO: „Eine Studie des Fraunhofer IAO prognostiziert einen deutlichen Rückgang der Beschäftigungszahlen im Kfz-Gewerbe bis 2040. Diese Entwicklung wird durch Automatisierung und Digitalisierung angetrieben.“
Übrigens: Für Autohäuser wird es auch super hart. Egal ob freie oder Markenautohäuser. Die Mischung aus Onlineautokäufen und Umsatzeinbrüchen bei den Werkstätten werden ein Massenmörder sein. Aber das ist ein anderes Thema.
Head of my own head
11 MonateWarum das abbremsen aus hohen Geschwindigkeiten meist illegal ist ... 😊