9 Gründe, warum wir an Europa glauben sollten – jetzt mehr denn je
Gründe, warum man an Europa glauben sollte, gibt es genug. Aber anlässlich des Europatags heute, am 9. Mai, will ich mich auf neun beschränken. Ich halte es gerade jetzt für wichtig, dass wir uns auf Europas Stärken und Errungenschaften besinnen. Darauf und auf den europäischen Werten müssen wir aufbauen, um globale Herausforderungen zu bewältigen – nicht nur die aktuelle Pandemie, sondern vor allem die größte Bedrohung für die Menschheit: den Klimawandel.
1. Europa ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Länder mutige und visionäre Schritte gehen können
Was leicht in Vergessenheit gerät: Als die Idee für ein geeintes Europa geboren wurde, sah die Welt ganz anders aus als heute. Die Gründer der Gemeinschaft, aus der die Europäische Union hervorgegangen ist, mussten anders denken, die Vergangenheit hinter sich lassen und neue Wege beschreiten. Im Interesse des Gemeinwohls reichten sie ehemaligen Gegnern die Hand. Die Geschichte der EU ist eine Geschichte vieler derart mutiger Schritte.
2. Europa steht für Frieden
Europa war über Jahrhunderte von Kriegen zerrüttet. Nur wenige Generationen von Europäern konnten in einem konfliktfreien Umfeld aufwachsen. Die am 9. Mai 1950 veröffentlichte Schuman-Erklärung zeigt, wie sehr die Verhinderung von Krieg im Zentrum der europäischen Idee stand: Ein Krieg würde dadurch „nicht nur undenkbar, sondern materiell unmöglich“. Die über die Jahre gewachsenen Verbindungen zwischen den EU-Ländern haben nicht nur den Frieden garantiert. Sie haben auch die friedliche Demokratisierung vieler osteuropäischer Staaten in den 1990er Jahren ermöglicht.
3. Der europäische Ansatz verbindet Wettbewerb mit Solidarität
Europa setzt weiter auf eine Kombination von Marktwirtschaft und gut entwickelten Sozialsystemen, die den Wettbewerb fördert und zugleich für Stabilität und soziale Gerechtigkeit sorgt. Das Ergebnis ist ein enorm vielfältiger Kontinent mit Best Practices in fast allen Bereichen. Die europäischen Nationen können voneinander lernen und als Gemeinschaft von neuen Ansätzen profitieren, die sich in einzelnen Ländern bewährt haben.
4. Europa hat Wohlstand und Wohlergehen gestärkt
Die europäische soziale Marktwirtschaft ist ein Erfolgsmodell. Egal, welche internationalen Länderrankings man sich ansieht – den Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen, den WEF Global Competitiveness Report oder unseren DHL Global Connectedness Index: Fast immer stehen europäische Staaten ganz oben. Europas enorme wirtschaftliche Entwicklung ist allen europäischen Bürgern zugutegekommen. Ich wurde 1961 geboren und habe die positiven Veränderungen selbst erlebt. Gemeinsam haben wir Großartiges erreicht. Darauf kann und sollte Europa stolz sein.
5. Europa hat unser Leben einfacher gemacht
Brexit und Pandemie erinnern uns daran, wie komplex der Handel und das Reisen einmal waren: teuer und aufwändig, mit langen Schlangen an der Grenze und viel Papierkram. Die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus sind notwendig, stehen aber in krassem Gegensatz dazu, wie einfach das Reisen in Europa in normaleren Zeiten war. Diese Freizügigkeit hat unser Leben zweifellos einfacher gemacht. Das Gleiche gilt für die gemeinsame europäische Währung, den freien Handel und auch die beruhigende Gewissheit, im Urlaub im EU-Ausland keine hohen Roaming-Gebühren zahlen zu müssen.
6. Europa ist ein Wirtschaftsmotor
Europa ist der größte Markt der Welt, mit mehr als 450 Millionen Verbrauchern. Das eröffnet herausragende Geschäftschancen und stellt sicher, dass es auf der Welt neben den USA und Asien noch weitere wirtschaftlich starke Regionen gibt, die – bei aller wechselseitigen Abhängigkeit – die Auswirkungen einer großen weltweiten Krise abfedern können. In der aktuellen Pandemie ist das besonders deutlich geworden. Als sich das Virus von Osten nach Westen ausbreitete, konnten starke regionale Märkte wie die EU die direkten Auswirkungen auf die Welt abfedern.
7. Das europäische Impfprogramm ist besser als sein Ruf
Der Impfansatz der EU hat viel Kritik hervorgerufen, aber ich betrachte ihn als Erfolg. Europa hat kein Impfproblem, sondern ein Kommunikationsproblem: Die EU steht deutlich besser da als viele meinen. Die Mitgliedstaaten haben die Impfprogramme geschlossen vorangetrieben. Einzelne Länder hätten alleine vorpreschen können. Das haben sie nicht getan – sondern den anderen Mitgliedstaaten zur Seite gestanden. Außerdem liefert die EU weiter Impfstoffe in andere Teile der Welt. Im Rahmen dieser internationalen Solidarität sollte die EU auch die Immunisierungspläne der afrikanischen Länder unterstützen. Ich bin mir sicher, dass die EU die Kosten schultern könnte. Und ich wünschte mir, dass die USA das Gleiche für Südamerika tun und die wohlhabenden asiatischen Staaten wiederum für ihren Kontinent.
8. Die drängendsten globalen Probleme können wir nur gemeinsam lösen. Europa kann den Anfang machen
Wie ich eingangs bereits gesagt habe, ist die aktuell größte Bedrohung für die Menschheit nicht die Pandemie, sondern der Klimawandel. Mit dem „Green Deal“ der EU-Kommission hat Europa hier wichtige Weichen gestellt. Die EU-Mitgliedstaaten können mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie zeigen, wie wir die globale Erwärmung durch koordinierte internationale Maßnahmen bekämpfen können.
9. Europa hat die beste Hymne
Als CEO eines Unternehmens mit Sitz in Bonn, dem Geburtsort von Ludwig van Beethoven, bin ich zugegebenermaßen nicht ganz unvoreingenommen, aber ich halte die Europahymne für eine der schönsten Hymnen der Welt. Als Beethovens 9. Symphonie passt sie zudem hervorragend auf Platz neun meiner Liste.
Anlässlich des Europatags sollten wir uns darauf besinnen, was uns Europa gebracht hat und immer noch bringt. Keine Organisation ist perfekt und auch in der EU gibt es an einigen Stellen Reformbedarf. Die EU muss sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren und aufhören, Format über Funktion zu stellen. Aber die EU ist nicht gescheitert und wir sollten auch nicht so handeln, denken oder reden, als wenn sie es wäre. Heute, am Europatag, wünsche ich mir vor allem eines: dass wir Europäer mit größerem Stolz auf das Erreichte zurückblicken und dadurch auch optimistischer für unsere Zukunft sind.