Abnahme (V) – Abnahmeerklärungen: Abnahme durch ausdrückliche Billigung (förmliche Abnahme)

Abnahme (V) – Abnahmeerklärungen: Abnahme durch ausdrückliche Billigung (förmliche Abnahme)

Es wurde bereits dargestellt, dass die Abnehme im Werkvertragsrecht neben dem Realakt (der Besitzübertragung) auch die Abgabe einer Willenserklärung durch den Auftraggeber erfordert. Diese Erklärung beinhaltet den Nachweis, dass die Anlage im Wesentlichen der vertraglich vereinbarten Leistung entspricht. Diese Anerkennung des Werkes kann ausdrücklich (in Form eines Abnahmeprotokolls) oder konkludent (durch schlüssiges Handeln) erfolgen. Schließlich fingieren auch bestimmte Ereignisse kraft Gesetzes oder vertraglicher Vereinbarung die Abnahme. Diese drei Fälle der Abnahmeerklärung sollen in den nachfolgenden Artikeln dargestellt werden.

Abnahme durch ausdrückliche Billigung (förmliche Abnahme)

Die Äußerung der Billigung ist grundsätzlich per Gesetz an keine besondere Form gebunden. Entweder kann sie mündlich oder schriftlich erfolgen, wobei letzteres aus Beweisgründen empfehlenswert ist. Sowohl für den Auftragnehmer ist diese Beweiskraft von Interesse (Beginn der Gewährleistung) als auch für den Auftraggeber (Vorbehalt bekannter Mängel/Vertragsstrafen). Es ist ausreichend, sofern sich der Auftraggeber mit der Leistung des Auftragnehmers „einverstanden“ erklärt oder diese für „in Ordnung“ hält. Auf den Begriff „Abnahme“ kommt es in diesem Fall nicht an. Die Parteien können vereinbaren, dass die Abnahme in einem gemeinsam zu erstellenden Protokoll festzuhalten und dieses zeitnah von beiden Parteien zu unterzeichnen ist.

Eine Form der ausdrücklichen Abnahme ist die „förmliche Abnahme“ (kein gesetzlich definierter Begriff). Es empfiehlt sich daher, ihn im Vertrag näher zu beschreiben, z.B. durch Verweis auf § 12 Nr. 4 VOB/B. Die förmliche Abnahme im Sinne dieses Paragraphen verlangt die Einhaltung weiterer Formalien. Im ersten Schritt ist die Unterschriftsleistung von den Parteien erforderlich. Weiterhin setzt diese Abnahmeform voraus, dass entweder ein Termin vereinbart oder der Auftraggeber die Gegenseite mit genügend Frist dazu eingeladen hat. Nur in diesem Fall ist ein einseitig vom Auftraggeber ohne den Anlagenbauer erstelltes Abnahmeprotokoll wirksam. Als „mittlere“ genügende Frist kann hier eine Frist von 12 Werktagen angenommen werden. Die entsprechenden Vorbehalte wegen bekannter Mängel/Vertragsstrafen müssen bei der „förmlichen Abnahme“ ebenfalls in diesem Protokoll festgehalten werden – mündliche Vorbehalte genügen hier nicht! Auch außerhalb der förmlichen Abnahme ist dies empfehlenswert. Darüber hinaus erhält jede Partei eine Ausfertigung des Protokolls.

Die letztendliche Unterzeichnung des Protokolls durch beide Parteien ist hier nicht als inhaltliches Anerkenntnis der von der anderen Seite eingebrachten Erklärungen zu verstehen, durchaus aber als Nachweis, dass diese Erklärungen abgegeben wurden. Es empfiehlt sich allerdings im internationalen Anlagenbaugeschäft ein Vermerk, dass (einzelne) Mängel „streitig sind“ oder „noch geprüft werden“ bzw. „die Unterschrift des Auftragnehmers unter dem Vorbehalt der Prüfung erfolgt“ bzw. „mit der Unterschrift kein Anerkenntnis der Erklärungen der jeweils anderen Partei verbunden“ sind.

Grundsätzlich kann die Abnahme nur wirksam durch den Auftraggeber oder seinen Vertreter vorgenommen werden. Es ist zwar so, dass auch für diese Willenserklärung die allgemeinen Regeln der Duldungs- und Anscheinsvollmacht greifen, allerdings ist es nichtsdestotrotz empfehlenswert, sich die Vollmacht der seitens des Auftraggebers unterzeichnenden Person zu versichern bzw. im Vertrag eine Regelung dazu zu treffen. In einem Anlagenbauvertrag erfolgt dies in aller Regel zugunsten des jeweiligen Projektleiters des Auftraggebers. Hier sei noch zu erwähnen, dass ein Dritter (Berater des Auftraggebers – „Project Management Consultant“) normalerweise nicht zur Abgabe von Erklärungen für diesen berechtigt ist. Weiterhin ist dieser ebenfalls nicht zum Treffen von Entscheidungen über die Vermögensinteressen des Auftraggebers berechtigt.

Grundlegend ist die Abnahme zu erteilen, wenn keine wesentlichen Mängel vorliegen.

·        § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB: „Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden.“ (Abnahmereife)

Der Auftraggeber kann die Abnahme allerdings auch erklären, ohne dass Abnahmereife objektiv vorliegt. Es ist ihm unbenommen, die Abnahme zu erklären auch wenn er dazu nicht verpflichtet ist. Eine solche vorzeitige Abnahme ist wirksam!

Eine einmal ausdrücklich erklärte Abnahme wird zudem nicht unwirksam, auch wenn sich herausstellen sollte, dass das Werk wegen wesentlicher Mängel gar nicht abnahmereif war. Eine zugegangene Willenserklärung kann nicht mehr widerrufen werden (§ 130 BGB). Vergleiche hier auch § 13 Nr. 7 VOB/B, demzufolge ein wesentlicher Mangel nach der Abnahme nicht zum rückwirkenden Entfallen der Abnahme führt, sondern – unter Umständen – zu einem Schadenersatzanspruch.

Man kann davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Abnahme aber erst dann ausdrücklich aussprechen wird, wenn seiner Meinung nach eine wirkliche Abnahmereife vorliegt. Sollte er sich diesbezüglich geirrt haben, kommt eine Anfechtung wegen Irrtums (§ 119 BGB) oder arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) nicht in Betracht, da die besonderen Vorschriften der Gewährleistung vorrangig vor Regeln aus dem Allgemeinen Teil des BGB greifen. Zu bedenken ist hier allerdings, dass geprüft werden sollte, ob der Auftraggeber lediglich den mangelfreien Teil der Leistung abnehmen und für den übrigen Teil eine Kündigungserklärung aussprechen wollte. Die Anfechtbarkeit wegen widerrechtlicher Drohung bleibt definitiv bestehen!

Ganz grundsätzlich hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob eine Abnahme vorliegt, wenn diese unter dem „Vorbehalt der Beseitigung von Mängeln“ erfolgt. Hier ist dem Auftraggeber eine eindeutige Äußerung zu empfehlen, will er die Abnahme verweigern. Sofern ein Abnahmeprotokoll die Formulierung enthält, dass Abnahme erst erteilt wird, „wenn“ aufgelistete Mängel beseitigt sind, ist die entsprechende Unterschrift des Auftraggebers unter dieses Protokoll noch nicht die Abnahme. In diesem Fall genügt auch nicht allein die Beseitigung der aufgelisteten Mängel. In Folge dieser Beseitigung hat hier vielmehr der Auftragnehmer die Abnahme (ausdrücklich oder konkludent) herbeizuführen.

Rainer Proksch unterstützt Firmen in Einkaufs-, Contract- und Claimfragen rund um Großbaustellen. Er besitzt langjährige praktische Erfahrung in der außergerichtlichen Lösung.

http://proksch.work/abnahme-v-abnahmeerklarungen-abnahme-durch-ausdruckliche-billigung-formliche-abnahme/

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