#AgenciesForFuture: Das können – nein, das müssen – Sie jetzt fürs Klima tun
Emissionsfrei zum Geschäftstermin – wenn das Hamburger Wetter mitspielt (Fotocredit: Heiko Müller)

#AgenciesForFuture: Das können – nein, das müssen – Sie jetzt fürs Klima tun

Sie arbeiten in einer Werbe-, PR- oder Marketingagentur oder etwas ähnlichem? Ihnen gehört sogar eine solche Agentur oder Sie haben eine leitende Funktion inne? Sie beauftragen derartige Agenturen oder arbeiten mit ihnen zusammen? Und Sie haben schon mal was vom Klimawandel und der dringenden Notwendigkeit eines schnellen Handelns gehört und es nicht als Verschwörungstheorie, grüne Wichtigtuerei oder unnötige Hysterie abgetan? Dann sollten Sie die fünf Minuten Lesezeit in diesen Text investieren. Denn Sie können ganz leicht auch abseits ihres persönlichen Engagements etwas tun und eine signifikante Veränderung bewirken – nein, sorry, Sie müssen.

Vielleicht haben Sie die aktuelle Kolumne von Christian Stöcker auf Spiegel Online gelesen. Sie beginnt mit einem Zitat des britischen Ökonomen Garret Hardin aus dessen Buch "The Tragedy of the Commons":

"Jeder ist in einem System gefangen, das ihn dazu bringt, seine Herde grenzenlos zu vergrößern - in einer begrenzten Welt. Wenn in einer Gesellschaft, die an die Freiheit des Allgemeinguts glaubt, alle ihre eigenen Interessen verfolgen, rasen alle auf den Ruin zu."

Das Buch erschien 1968 und somit vor über 50 Jahren, doch das Zitat könnte nicht aktueller sein. Einige Grenzen dieser Welt können wir sicher durch technischen Fortschritt irgendwie künstlich verschieben. Andere wiederum werden über kurz oder lang zu unumkehrbaren Entwicklungen führen, die – und das hängt jetzt von Ihrer Phantasie, Ihrer Präferenz für Happy Ends oder eher Tragödien und Ihrer Wasserglasfüllstandsmentalität ab – irgendwas zwischen dem Ende unserer Zivilisation (Worst Case Szenario) oder einer deutlichen Reduktion unseres aktuellen Status hinsichtlich Wohlstand, Sicherheit und Lebensglück (Best Case Szenario) zur Folge haben dürften.

Ich habe 15 Jahre lang in verschiedenen Agenturen gearbeitet. Großen (Ketchum) und kleinen (Hansmann PR). Mittleren (JDB MEDIA) und meiner Eigenen. Ich habe auch viele andere Agenturen gesehen. Genau wie ich in vielen Vorstandsbüros von Unternehmen gesessen oder mit Einkaufsabteilungen verhandelt habe. Diese Erfahrung und eine spontane Conversation auf Twitter mit dem Developer und Blogger Tobias aka Kopfkasper über Verhaltensregeln für eine bessere Umwelt haben dazu geführt, dass ich zu folgender Erkenntnis gekommen bin: Sie können nicht nur was in Ihrem beruflichen Umfeld gegen den Klimawandel tun, Sie müssen! Und zwar schnell. Das gilt für Sie und für mich. Im Folgenden deshalb fünf Maßnahmen, die IMHO jede Agentur bis spätestens Ende des Jahres angehen sollte. Und die jede Person, die Agenturen beauftragt oder die mit Agenturen zusammenarbeitet, bei ihren Dienstleistern mal schleunigst hinterfragen oder als Kriterien in kommende Ausschreibungen integrieren sollte.


1) Geschäftskonto bei einer nachhaltigen Bank

Banken arbeiten mit den geparkten Ersparnissen ihrer Kunden. Das ist ein Teil ihres Geschäftsmodells und per se auch kein Problem. Ein Problem sind dagegen Atomkraft, die Öl- und Rüstungsindustrie, Kinderarbeit, Kohleenergie – und das sind nur einige wenige Beispiele der kontroversen Bereiche, in die die konventionelle Finanzwirtschaft investiert und sich so mitverantwortlich für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung macht. Zumindest einige der Themen würden Sie und Ihre Kollegen – und da bin ich mir sicher – wissentlich niemals unterstützen. Die Lösung ist ein Geschäftskonto bei einer nachhaltigen Bank wie der GLS Bank oder der Triodos Bank. So wird nicht nur diesen zumindest fragwürdigen Investments Geld entzogen, sondern es ermöglicht sogar zusätzliche nachhaltige und ökologisch nützliche Investitionen. Weitere wertvolle Informationen liefert das Informationsportal www.geld-bewegt.de der Verbraucherzentralen.


2) Ausschließlich vegetarisches und regionales Bio-Catering

Die verheerenden Brände im Amazonas sind nur ein aktueller Beleg, dass es bei fleischloser Ernährung nicht allein um Tierwohl geht. In Brasilien geht es um zusätzliche Flächen für die Viehzucht und für Sojaplantagen, die wiederum nötig sind, um die Nutztiere zu ernähren. Aber auch ohne diese teils kriminellen Brandrodungen ist es einfach ein Fakt, dass in den westlichen Ländern der persönliche Fleischkonsum viel zu hoch ist – in Deutschland pro Kopf ca. 60 Kilogramm pro Jahr. Letztes Jahr titelte unter anderem die Süddeutsche Zeitung "Fleischkonzerne schaden dem Klima mehr als die Ölindustrie". Jeder muss und darf natürlich für sich selbst entscheiden, wie es zu Hause auf dem eigenen Teller aussieht und wie sehr man persönlich den eigenen Fleischverzehr reduzieren möchte. Es ist jedoch nicht zu viel verlangt, bei firmeninternen Veranstaltungen, Geschäftsterminen oder Events auf tierische Produkte zu verzichten. Im Gegenteil: Das ist sogar gesund. Wenn dann noch auf Einweggeschirr-/besteck oder -verpackungen verzichtet und bewusst regional und in Bio-Qualität eingekauft wird, gewinnen Umwelt, Klima und der Cholesterinspiegel. Den Beleg liefert eine aktuelle Studie des Potsdam-Instituts für Klimaforschung, die erstmals Gesundheit und Nachhaltigkeit von Lebensmittel gemeinsam untersucht haben (siehe Video). Institutsdirektor Johan Rockström:

"Bemerkenswert ist, dass, wenn wir uns gesund ernähren – nur für uns selbst –, dass wir dann schon die Hälfte der Auswirkungen der Lebensmittelproduktion auf den Klimawandel verhindern würden."


3) Bahn & ÖPNV & Mobility-Sharing, statt zu fliegen

Wir müssen weniger fliegen. Das gilt privat wie beruflich. Keine Ahnung, wann wir uns daran gewöhnt haben, jedes Jahr mindestens einmal irgendwohin in den Urlaub fliegen. Wir sollten es uns schnell wieder abgewöhnen. Genau wie Businessflüge – vor allem die innerdeutschen. Ohne Ausnahme. Denn von denen höre und lese ich immer wieder: Der Termin war zu Früh für den Zug. Ich wäre sonst nicht mehr nach Hause gekommen. Es gibt keine gute Zugverbindung. Ich musste arbeiten und das Internet ist im Zug immer so schlecht. Bla Bla Bla. Es gibt immer einen Weg. Und wer ganz sicher gehen will, der schreibt ähnlich wie Mathias Richel von der Agentur Richel, Stauss aus Berlin einfach direkt eine entsprechende Passage in den Standard-Agenturvertrag: "Bei der Terminplanung ist zu berücksichtigen, dass R/S auf Inlandsflüge verzichtet und mit der Bahn anreist". Und wenn eine Anreise einen ganzen Tag dauert, dann dauert sie einen ganzen Tag. Oder man hinterfragt vor diesem Hintergrund, ob die Reise wirklich so dringend nötig ist. Und falls doch ein Mittel- oder Langstreckenflug unumgänglich sein sollte, dann sollte auch die CO2-Kompensation via Atmosfair oder Myclimate obligatorisch sein.


4) Anteil an Öko-Büromaterialien und -Verbrauchsgütern erhöhen

Lassen Sie sich mal ein Update um Ihren monatlichen Verbrauch an Büro- und Arbeitsmaterialien zusammenstellen oder tun Sie das selbst. Und überprüfen Sie nun, wie viel davon als ökologisch zertifizierte Variante eingekauft wird. Nächstes Jahr um diese Zeit, sollte der Prozentsatz doppelt so hoch sein. Nur ein paar Ansätze:

  • Stromanbieter: Reden Sie mit Ihrem Vermieter, der Bürogemeinschaft oder wer auch immer da das sagen hat und wechseln Sie zu einem Ökostromanbieter. 100 Prozent Ökostrom auch für Gewerbekunden gibt es zum Beispiel von den Bürgerwerken, aber natürlich auch von den bekannten Anbietern wie Lichtblick, Greenpeace Energy, Naturstrom und Co.
  • Getränke: Wenn schon Getränkeflaschen im Büro oder auf dem Konferenztisch sein müssen, dann von einem regionalen Abfüllunternehmen und aus Mehrweg-Glas, statt aus Plastik. Und die beste Wasseralternative bleibt Leitungswasser – dafür einfach entsprechend Glaskannen für die Kollegen zur Verfügung stellen.
  • Papier: Druckerpapier, aber auch Hygieneartikel wie Toilettenpapier, sollten das Logo "Blauer Engel", "UWS-Papier" oder "Ökopa plus" tragen, empfiehlt Greenpeace.

Ich traue Ihnen zu, dass Sie diese Liste ökologischer Alternativen auch problemlos selbst fortsetzen können. Vielleicht entdecken Sie sogar Einsparpotentiale – Stichwort "papierfreies Büro" – auch wenn das nicht die Grundmotivation sein sollte. Oder Sie suchen sich professionelle Unterstützung von analysierenden und zertifizierenden Institutionen wie Climatepartner oder Bcorporation.


5) Ökologisches Verhalten fördern

Vor einigen Wochen schaffte es die kleine Firma Weiberwirtschaft mit der Ankündigung in die Schlagzeilen, seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen drei Tage Sonderurlaub zu gewähren, wenn sie ein Jahr lang auf den Klimakiller Flugzeug verzichten würden. Neben der wertvollen PR brachte dieser Boss-Move dem Berliner Unternehmen meines Wissens zudem sogar einige Initiativbewerbungen ein. Aber da geht noch mehr. Auch hier ein paar Ideen, die man als Agentur anbieten oder honorieren sollte:

  • Remote Work: Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, von Zeit zu Zeit oder auch regelmäßig im Home Office oder von unterwegs arbeiten zu können. Das reduziert Arbeitsweg-Emissionen und erhöht die Mitarbeiterzufriedenheit.
  • Suchmaschine: Googeln Sie noch oder pflanzen Sie schon mit jeder Suchanfrage Bäume, wie dies bei der Suchmaschine Ecosia üblich ist (seit Gründung 2009 sind so bereits über 65 Millionen Bäume gepflanzt worden)? Machen Sie das nachhaltige Berliner Unternehmen zur Standard-Browser-Suchmaschine auf allen Arbeitsrechnern und installieren Sie die Ecosia-App auf den Agentur-Smartphones und -Tablets. Einfacher können Sie nicht zum Klimaschutz beitragen.
  • Strom: Ein laufender Arbeitsrechner verbraucht Strom. Die Nutzung des Internets verbraucht Strom. Server verbrauchen Strom. Mitarbeiter sollten deshalb möglichst wenig Programme und Browser-Tabs geöffnet haben. Außerdem sollten Rechner genau wie Drucker und sonstige Geräte am Abend oder auch bei längeren Meetings ausgeschaltet werden. PS: Ausschalten ist was anderes als Standby oder Bildschirmschoner.
  • ÖPNV, Bike & Co: Tickets für Bus, U-/S- und Regionalbahn sollten gestellt oder zumindest subventioniert werden. Genau wie auch privat nutzbare Bahncards, Carsharing-Accounts oder Firmenfahrrad-Leasing.


Jetzt liegt es an Ihnen – und mir. Bei den Punkten 2, 3 und 4 bin ich schon sehr weit vorn. Meine Baustellen liegen eher bei den Punkten 1 und 5. Wie sieht es bei Ihnen aus? Schreiben Sie es in die Kommentare. Machen Sie Ihre Vorhaben öffentlich, damit Sie auch dran bleiben. Und schicken Sie mir gerne Ergänzungen, die Ihrer Meinung nach in einen zweiten Teil dieser Liste oder die oben genannten Verhaltensregelsammlung von Tobias gehören. Und teilen Sie diesen Beitrag gerne mit Ihren Kontakten. Sharing is caring – in diesem Fall kümmern Sie sich so nicht nur um Ihre eigene Zukunft und die Ihrer Kinder und Kindeskinder, sondern auch um die Zukunft von denjenigen, die bereits heute unter den Auswirkungen von Klimawandel und Globalisierung leiden.

Entlassen möchte ich Sie mit der Inschrift des vor wenigen Tagen aufgestellten Gedenksteins, der an den ersten für Tod erklärten isländischen Gletscher Okjökull (Ok) erinnern soll:

"A letter to the future: Ok is the first Icelandic glacier to lose its status as a glacier. In the next 200 years all our glaciers are expected to follow the same path. This monument is to acknowledge that we know what is happening and what needs to be done. Only you know if we did it."


Björn Köcher | bjoekoe.com

Björn Köcher

Projektleiter toMOORow & Projektkoordinator PaludiAllianz bei der Umweltstiftung Michael Otto

5 Jahre

Ob sich die großen PR-Agenturen zu dem Thema äußern würden, wenn jemand wie Christina Ullrich da mal den Finger in die Wunde legt und nicht nur ein kleines Licht wie ich? Der Global Climate Strike am 20.9.2019 wäre ja ein guter Anlass 😉

Björn Köcher

Projektleiter toMOORow & Projektkoordinator PaludiAllianz bei der Umweltstiftung Michael Otto

5 Jahre

MC Group | fischerAppelt | Ketchum | Edelman | Oliver Schrott Kommunikation GmbH | Serviceplan Group | Weber Shandwick | Burson Cohn & Wolfe | @achtung! FAKTOR 3 AG | ... Das sind laut Pfeffers PR-Ranking die Top 10 Agenturen 2018. Vielleicht mag ja jemand als Antwort darauf die Nr. 11-20 hier taggen ;) https://bit.ly/2P3MIAX

Björn Köcher

Projektleiter toMOORow & Projektkoordinator PaludiAllianz bei der Umweltstiftung Michael Otto

5 Jahre

HORIZONT - Zeitung für Marketing, Werbung und Medien | W&V, Werben & Verkaufen | Bundesverband deutscher Pressesprecher e.V. (BdP) | Bitkom | @GPRA e. V. | PR-Journal | OMR | Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. | DPRG | ... Gerne weitere relevante Branchenmedien und -verbände taggen, um die Diskussion anzuschieben. Danke.

Julia Köcher-Eckebrecht

Senior Kommunikations-Beraterin / Digital / Lead

5 Jahre

well done

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