Bauhandwerkerpfandrecht:  Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichts

Bauhandwerkerpfandrecht: Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichts

Mit der per 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Revision von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 OR wurde die Pfandberechtigung der Arbeiten nebst den (eigentlichen) Bauarbeiten am Bauwerk auch auf Abbrucharbeiten, Gerüstbau, Baugrubensicherung oder dergleichen ausgedehnt.

In seinem (früheren) Leitentscheid BGE 136 III 6 vom 4. Dezember 2009 hatte das Bundesgericht – noch unter Geltung des alten Rechts und während der laufenden Gesetzesrevision – dazu in Erwägung 6 in einem obiter dictum Folgendes angemerkt: «[…] Nach dem derzeitigen Stand der Revision sollen künftig nicht mehr nur Leistungen zu Bauten oder anderen Werken auf einem Grundstück pfandgeschützt sein, sondern Leistungen auf einem Grundstück auch zu Abbrucharbeiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung und dergleichen. Allein die Formulierung verdeutlicht, dass Arbeit auf einem Grundstück im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben genügen soll, die bisherige körperliche Verbindung der Arbeit mit dem Grundstück oder wenigstens die Bestimmtheit der Arbeit zu einer solchen Verbindung hingegen nicht mehr verlangt wird. Der Zusatz "und dergleichen" dürfte bedeuten, dass letztlich jede Lieferung von Material und Arbeit oder Arbeit allein auf einem Grundstück pfandberechtigt sein wird, wenn und soweit sie nur mit einem konkreten Bauvorhaben im Zusammenhang steht. […]»

Dies wurde in der Folge in der Lehre von einigen Autoren weit ausgelegt (so dass beispielsweise auch reine Abfuhrleistungen darunter fielen).

Mit seinem neuen, zur Publikation als Leitentscheid vorgesehenen Urteil 5A_689/2022 vom 6. April 2023 hat das Schweizerische Bundesgericht nun einer solchen weiten Auslegung seines obiter dictums in BGE 136 III 6, 13 explizit einen Riegel vorgeschoben und die Tragweite von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 OR wieder eingeschränkt.

Neu gilt folgende Schwelle für den Pfandschutz [Erwägung 5.2.6, frei übersetzt aus dem Französischen]:

"[D]er (einfache) Transport von Materialien – einschließlich der Be- und Entladearbeiten für den Transport [...] – oder die Lieferung von Baumaterialien, die nicht speziell für ein bestimmtes Bauwerk angefertigt wurden, begründen kein solches Pfandrecht [...]. Der Unternehmer, der Materialien geliefert hat, die für sich genommen nicht zu einem Bauhandwerkerpfandrecht führen können, kann dennoch von diesem profitieren, wenn diese Materialien eine Einheit mit anderen bilden, die ihrerseits das Pfandrecht begründen.
Daraus folgt, dass der Abtransport und die Entsorgung von Erdaushub oder Bauschutt grundsätzlich nicht zur Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts berechtigen, es sei denn, sie bilden eine funktionelle Einheit mit den Arbeiten, die von diesem Unternehmer für die Errichtung eines Bauwerks ausgeführt werden [...]. Dies ist sicherlich der Fall, wenn der Bauschutt vom Unternehmer entsorgt wird, der selber auch die Abrissarbeiten durchgeführt hat."

Konsequenz daraus: Ein (Sub-)Unternehmer, der einzig mit dem Abtransport von Erdaushub oder Bauschutt, d.h. einzig dem Transport von der Baustelle zur Deponie beauftragt wurde, kann grundsätzlich keine Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts verlangen (woran auch das Argument, diese Arbeiten erfolgten objektspezifisch, nichts zu ändern vermag).

jürg widerin

Geschäftsführender Inhaber bei amix holding ag und steger.ag

1 Jahr

Immer wieder interessante Berichte!

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