Was bleibt, ist große Zuversicht!
Wochenende - schönes Wetter - Ich (46) fahre mit meinen beiden Söhnen (9 und 7) und dem Opa (71) auf dem Fahrrad durch unsere Stadt. Wir treffen uns nur noch draußen an der frischen Luft - wegen Corona. Die Oma (73 und Risikogruppe) steht am geöffneten Fenster und winkt uns zu, als wir abfahren.
Auf dem Weg durch die Stadt vergessen wir für ein paar Stunden, wie ernst die Lage eigentlich ist. Das Handy vibriert zwar hin und wieder in der Tasche - die neuesten Nachrichten kommen als Push-Mitteilung - aber sowohl Opa als auch ich konzentrieren uns auf die Jungs, spielen Tischtennis auf dem Spielplatz, auf dem außer uns niemand ist. An der Bushaltestelle gegenüber hält ein sogenannter Gelenkbus, das weiß-rote Band der Fahrerabsperrung flattert, als alle drei Türen des Busses aufgehen und der Fahrer seine Sonnenbrille aufzieht und auch an die frische Luft geht. Sonst bleiben die Fahrer in ihrer Pause meistens sitzen.
Und jetzt komme ich doch ins Denken: Von November 2014 bis März 2015 saß ich bei Botschafter Walter Lindner im Arbeitsstab Ebola im Auswärtigen Amt. Und sein Mantra des Krisenmanagements war: Road to Zero, lessons learnt und sanfter Übergang. Die Politik macht wahrscheinlich gerade vieles richtig, der Föderalismus zeigt, dass er im Angesicht einer ernsten Krise doch in der Lage ist, schnell und konsequent zu handeln. Es bewegt sie und uns die Frage, wie wir das Virus eindämmen können und wieder auf "Null" bringen, die Minister Altmaier und Scholz haben in einem starken gemeinsamen Auftritt (Ja, auch die GroKo lebt!) einen Ausblick auf die Zeit nach dem Virus gegeben. Sie haben gezeigt, welche "Bazooka" sie bereithalten, um möglichst bruchlos vom jetzigen Beinahe-Shut-Down zur Normalität zurückzukehren.
Was es aber jetzt schon braucht, sind einige Erkenntnisse, die wir als lessons learnt festhalten müssen. Die Ebola-Lage hat damals gezeigt, dass dieser Prozess schon während der Lage beginnen muss, da ansonsten das Momentum verloren geht, wirklich etwas zu lernen. Und diese Erkenntnisse gibt es schon:
Das auf die Leistungserbringung im Alltag optimierte und auf Beitragssatzstabilität getrimmte Gesundheitswesen ist nur dann in der Lage größere und größte Leistungsmengen zu bewältigen, wenn es bei Zeiten darauf vorbereitet wird. Sonst fehlen Masken, Schutzanzüge und Beatmungsplätze, etc.. Die Abhängigkeit etwa von Antibiotika oder Insulin aus asiatischer Produktion, das Fehlen entsprechender Produktionsstätten für lebenswichtige Medikamente in Europa, wirkt seit Corona wie aus der Zeit gefallen. Hier braucht es andere Strukturentscheidungen, auch wenn das mehr Geld kostet.
Insgesamt muss die Zeit einer ausschließlichen finanziellen Betrachtung der Gesundheitsversorgung vorbei sein. Es nützen die schönsten Krankenhausalarmpläne und Pandemiepläne nichts, wenn sie nur bedrucktes Papier zwischen zwei Aktendeckeln sind und niemals wirklich geübt werden. Auch die letzten Zweifler sollten nun schon gemerkt haben, dass Gesundheit und Sicherheit in unserer modernen, arbeitsteiligen und hoch spezialisierten Welt noch viel natürlicher zusammen gehören, als Gesundheit und Wirtschaft.
Ach ja, und die Frage, wo eigentlich das zusätzliche Personal im medizinischen Bereich herkommen soll, wenn außergewöhnliche Lagen zu bewältigen sind, müssen wir zukünftig auch anders angehen. Ich würde hier gerne das Thema einer Gesundheitsdienstpflicht unter den gerade gewonnenen Erkenntnissen nach Corona nochmals diskutieren. Österreich bedient sich gerade seiner "Zivildiener", verlängert die gerade aktiven, fordert die Ehemaligen auf sich zu melden und kündigt auf Ebene der Bundesregierung an, notfalls Ehemalige zu verpflichten.
Als die Türen des Busses wieder schließen und der Motor startet, sind auch meine Gedanken wieder auf dem Spielplatz, an diesem schönen sonnigen Tag, mit meinem Vater und meinen Jungs, der doch so von dem Virus beherrscht wird. Wir werden diese Krise bewältigen, es wird Zeit brauchen und die politische Landschaft wird nicht mehr dieselbe sein, wie vor der Krise. Was aber bleibt, ist große Zuversicht!
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4 JahreEffizienz im Alltag ist eben doch keine Garantie für Effektivität in der Krise. Damit sollte die Debatte über Überkapazitäten bei Krankenhausbetten und über Krankenhausschliessungen eigentlich beendet sein.
Expert for EU Security & Defence Policy | Nexus of Security, Resilience & Health | Global Security Risks Interdependencies
4 JahreVielen Dank für diesen Beitrag, lieber Herr Björn Stahlhut